Oberhausen. Das Land entscheidet, wie viel Geld an Aufwandsentschädigung Ratspolitiker im Monat erhalten. Der Rat bestimmt aber die Gelder für die Arbeit.

Dass Demokratie , dass die Entscheidungsprozesse für alle Bürger, Institutionen und Unternehmen, Geld kostet, ist eine Binsenweisheit. Doch wie viel Geld erhalten Politiker in einer Großstadt wie Oberhausen am Ende wirklich, um ihre Arbeit für die Kommune erledigen zu können?

Gleich in der ersten konstituierenden Sitzung des Oberhausener Stadtrates in der Luise-Albertz-Halle ging es um die städtischen Zuschüsse – für die Arbeit der Fraktionen, der Gruppen und der Einzelratsmitglieder. Direkt die zweite offizielle Beschlussvorlage B/17/0002-01 für den Rat behandelte den künftigen Ausgabe-Rahmen fürs Personal und die Sachkosten der verschiedenen politischen Gruppierungen.

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Der Rat der Stadt Oberhausen tagt aufgrund der Corona-Pandemie in der Luise-Albertz-Halle. Das Foto zeigt die letzte Sitzung vor der Sommerpause 2020, die aus Corona-Sicherheitsgründen im großen Saal der Luise-Albertz-Halle stattfand.
Von Peter Szymaniak und Melina Helf

Die Zusammenschlüsse von Ratspolitikern, die ja Politik neben ihrem Hauptberuf in ihrer Freizeit erledigen, benötigen angestellte Kräfte, um Informationen zu recherchieren, Ratssitzungen vorzubereiten, die Fraktion zu organisieren. Das Prinzip: Je größer die Fraktion, desto mehr Geld gibt es. Schließlich haben Ratspolitiker viele Aufgaben zu schultern – vor allem aber die Kontrolle der Arbeit der Stadtverwaltung mit ihren über 2000 beschäftigten Profis.

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Über den Ausgaberahmen gab es in der ersten Sitzung eine kleinere Auseinandersetzung zwischen AfD und dem Einzel-Ratskandidaten von „Offen für Bürger“ (OfB) auf der einen Seite sowie auf der anderen Seite den anderen Fraktionen und Gruppen, die mit dem (vorher mit allen Vertretern im Ältestenrat besprochenen) Beschlussvorschlag zufrieden waren.

Sieht einen Schluck aus der Pulle für alle Ratsmitglieder: Wolfgang Kempkes, Fraktionsvorsitzender der AfD, am Rednerpult.
Sieht einen Schluck aus der Pulle für alle Ratsmitglieder: Wolfgang Kempkes, Fraktionsvorsitzender der AfD, am Rednerpult. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

AfD-Ratsfraktionschef Wolfgang Kempkes sah in dem Papier eine ungerechtfertigte Erhöhung von Zuwendungen an die Fraktionen und Gruppen. „Das ist der berühmte Schluck aus der Pulle. Oberhausen befindet sich in einer schweren Wirtschaftskrise, deshalb hält die AfD-Fraktion jede Mehrausgabe für unangemessen. Der von Bürgern erhobene Vorwurf der Selbstbereicherung ist gerechtfertigt.“

Ist unzufrieden mit der finanziellen Unterstützung für seine Ratsarbeit: Guido Horn, Einzelratsmitglied von „Offen für Bürger“ (OfB), erhält als Sachkostenzuschuss nur 116 Euro im Monat von der Stadt.
Ist unzufrieden mit der finanziellen Unterstützung für seine Ratsarbeit: Guido Horn, Einzelratsmitglied von „Offen für Bürger“ (OfB), erhält als Sachkostenzuschuss nur 116 Euro im Monat von der Stadt. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Tatsächlich hat Nordrhein-Westfalen eine zweigeteilte Regelung: Der Landtag entscheidet mit der Entschädigungsverordnung für Mitglieder kommunaler Vertretungen darüber, wie viel Aufwandsentschädigung Ratspolitiker erhalten – gestaffelt sind diese Gelder je nach Größe der Kommune. In Oberhausen erhält jeder Stadtverordnete individuell nach der Verordnungsänderung vom 10. November 2020 exakt 412,30 Euro im Monat an Aufwandsentschädigung und 21,20 Euro je Sitzung. Bei den Sach-, Personal- und Raumkosten allerdings muss jeder einzelne Rat einer NRW-Kommune eigenhändig darüber entscheiden, wie viel Geld er den Fraktionen und Gruppen im Rat (also letztendlich sich selbst) für deren Arbeit zur Verfügung stellt.

Geld-Kontrolle in öffentlicher Sitzung des Rates

Damit sich jeder Bürger zur Kontrolle einen Eindruck von den finanziellen Zuwendungen an Fraktionen und Gruppen machen kann, werden diese Finanzbeschlüsse in öffentlicher Sitzung besprochen. Die Fraktionen und Gruppen erhalten Geld fürs Personal, für ihre Sachkosten und für ihre zu mietenden Räume außerhalb oder innerhalb des Rathauses. Dabei ist der Umfang eines jeden Postens in dem Beschlusspapier genau festgelegt –. sogar die bezuschussten Raumgrößen..

Monatlich nur 116 Euro für die Ratsarbeit

Guido Horn, als Mitglied von „Offen für Bürger“ (OfB) einziger Einzelmandatsträger im Rat, ist unzufrieden über die finanzielle Ausstattung von Einzel-Ratsherren. Nach der NRW-Gemeindeordnung haben fraktions- und gruppenlose Ratsmitglieder nur Anspruch darauf, dass Sach- und Kommunikationsmittel „in angemessenem Umfang“ bereitgestellt werden, es gibt also keine zusätzlichen Gelder für Personalkosten.

Mit dem Beschluss des Rates zu den Zuwendungen an Fraktionen, Gruppen und Einzelmandatsträger erhält Guido Horn für seine Arbeit monatlich nur 116 Euro an Sachkosten-Zuschuss, also 1392 Euro im Jahr. Die Verwendung dieses Betrages muss er nachweisen. „Dieses Mandat wird dermaßen beschnitten, dass nachhaltige politische Arbeit im Keim erstickt wird“, beschwert sich Horn. Er hat deshalb in der ersten Ratssitzung vorgeschlagen, ihm mehr Geld für die Ratsarbeit zu geben. Doch nur die vierköpfige AfD und er selbst stimmten dafür, die zweiköpfige BOB-Gruppe enthielt sich – und alle anderen stimmten dagegen.

Zudem sind die tatsächlichen Belastungen für den städtischen Etat im umfangreichen Haushaltsplan zu finden. So geht aus den Seiten 534 und 535 des Haushaltsplans 2020 hervor, dass die SPD-Fraktion über 368.000 Euro für Personal- und Sachkosten im Jahr plus 37.900 Euro an Raumwerten erhalten hat. Bei der CDU-Fraktion waren es gut 324.000 Euro und 24.700 Euro an Raumwerten. Die Grünen verbrauchten wie die Linken insgesamt 181.400 Euro an Personal-, Sach- und Mietkosten. Bürgerbündnis BOB, Offen für Bürger (OfB) und der FDP standen als zweiköpfige Gruppen jeweils 130.000 Euro zu. Das Bündnis BOB hatte im Kommunalwahlkampf allerdings 400,000 Euro an die Stadtkasse zurückgezahlt, die es seit 2014 nicht verwendet hatte .

Die 19-köpfige SPD-Ratsfraktion darf für ihre Arbeit im Rat Personal für 256.000 Euro einstellen.
Die 19-köpfige SPD-Ratsfraktion darf für ihre Arbeit im Rat Personal für 256.000 Euro einstellen. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Der neue Beschlussvorschlag sieht bei dem größten Kostenblock, das Gehalt für angestellte Kräfte, der Fraktionen und Gruppen gar keine Erhöhung der Gelder vor – die Steigerung erfolgt seit vielen Jahren nur indirekt, denn die Zuschüsse fürs Personal steigen automatisch nach den Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst. So dürfen etwa SPD und CDU jeweils drei Vollzeitkräfte beschäftigen (Personalkosten insgesamt 256.000 Euro), die Grünen zwei (insgesamt 175.000 Euro), die Linken sowie die AfD anderthalb Kräfte (jeweils 138.000 Euro). Die zweiköpfigen Gruppen erhalten 80 Prozent der kleinsten Fraktion, also 110.000 Euro im Jahr fürs Personal.

Angehoben werden mit dem aktuellen Beschlussvorschlag „Zuwendungen an Fraktionen, Gruppen und fraktionslose Ratsmitglieder“ erstmals seit mehreren Jahren allerdings die Sachkosten-Zuschüsse – wenn auch relativ gering. Die Ratsmehrheit hat sich hier an dem prozentualen Anstieg der vom Landtag vorgegebenen Aufwandsentschädigung für Ratspolitiker orientiert. So erhält jede Fraktion im neuen Stadtrat nun einen monatlichen Grundbetrag von 1910 Euro und zusätzlich je Ratsmitglied 173,50 Euro. Zuvor lauteten die Werte 1800 Euro und 167 Euro. Der Anstieg beträgt damit 6,2 beziehungsweise 3,9 Prozent.

Die AfD lehnte jedenfalls zusammen mit Einzelratsherr Guido Horn (Offen für Bürger) diesen Beschlussvorschlag ab, alle anderen stimmten dafür. Damit ist der Beschlussvorschlag angenommen und gilt seit dem 17. November.