Oberhausen. Als Anne Barns ist die Oberhausenerin Andrea Russo bereits in den Bestsellerlisten etabliert. Mit ihrer Tochter schrieb sie erstmals im Tandem.

Auf lautlosen Schwingen hat das Fledermaus-Genre einen weiten Weg durch die Nacht zurückgelegt, seit Bram Stoker, der alte Ire und routinierte Theater-Manager, vor über 120 Jahren das Londoner Publikum mit „Dracula“ erschreckte. Damals verkörperte der untote Graf aus Transsylvanien alles, was das vermeintlich so sittenstrenge viktorianische Publikum fürchten musste. Und heute? Flattern die scharfgeschnittenen Fledertier-Silhouetten nicht nur zu Halloween in den Kinderzimmern.

Für einen weiteren, vor allem witzigen Beitrag zum Sub-Genre der kindlichen Vampire hat sich nun ein besonderes Autorinnengespann zusammengetan: Die Oberhausenerin Andrea Russo alias Anne Barns, routiniert als Erzählerin backfrischer Unterhaltungsromane, die sie stets mit Rezepten garniert, hat mit „Mirella Manusch“ erstmals ein Kinderbuch im Tandem „zu Papier“ gebracht – und zwar gemeinsam mit ihrer Tochter Christin-Marie Below. „Das Kreative hat mir gefehlt“, sagt die 27-Jährige – und setzte zunächst darauf „ein bisschen Taschengeld dazu zu verdienen“.

Frische und Erfahrung ergänzen sich

Doch die ersten Schritte zur Schriftstellerin waren so ermutigend, dass die junge Kauffrau, die im Drogeriemarkt gelernt hatte und auch in Oberhausen wohnt, inzwischen ihren Job trotz Führungsposition gekündigt hat. „Davon kann man leben?“, hörte sie von ihren Kolleginnen „in einer Mischung aus Entsetzen und Bewunderung“, wie Christin-Marie Below sagt. Klar, ihre Mutter macht es ja seit einem Dutzend Jahren erfolgreich vor. Und Andrea Russo freut sich: „Jetzt habe ich jemanden, der mich versteht“ – eine weitere Autorin, die weiß, dass man nach jeder Buchabgabe an den Verlag erst einmal „in ein Loch fällt“.

Vampire kannte man bisher in Oberhausen nur mit klassisch-schauriger Note – wie bei der letzten Metronom-Produktion „Tanz der Vampire“ nach Roman Polanski.
Vampire kannte man bisher in Oberhausen nur mit klassisch-schauriger Note – wie bei der letzten Metronom-Produktion „Tanz der Vampire“ nach Roman Polanski. © FFS | Gerd

Doch wie schreibt es sich eigentlich zu zweit? Wie Pingpong. Es sei passiert, dass sie mitten im Satz am Text abbricht, erzählt Andrea Russo, und ihre Tochter schreibt weiter: „Dann lese ich etwas und bin total überrascht. Christin-Marie ist die Fantasievolle; ich achte genauer auf die Gefühlswelt der Figuren.“ Frische und Erfahrung ergänzen sich bei den Abenteuern des Vampirmädchens Mirella: Als Flatterwesen der Nacht versteht die Grundschülerin auch die Sprache der Tiere – und weiß nun um die Sorgen der Zoobewohner.

Der Coolste ist ein ziemlich fülliger Kater

Doch der Coolste in dieser Menagerie ist ein ziemlich fülliger Kater – „der heimliche Held unseres Buches“, sagt Christin-Marie Below: „Langstrumpf“ hasst seinen Namen und sein pinkes Halsband; doch an der Seite von Mirella wird der Kater zu „Sir Lancelot“. Daneben gibt’s verschlafene Flamingos und eine traurige Giraffe – alle putzig ins Bild gesetzt von Anastasia Braun. Die beiden Autorinnen fühlen sich privilegiert, dass der Verlag der Illustratorin ihrer Wahl zugestimmt hat.

Ganz ohne Co-Autorin fand Christin-Marie Below einen Verlag für ihren ersten Roman, der sich an eine erwachsene Leser(innen)schaft wendet: „Pension Herzschmerz“ soll im kommenden Frühjahr bei Ullstein erscheinen – aber viel mehr darf die Autorin noch nicht verraten. Ihre Literaturagentin konnte gleich mehrere Angebote für dieses Debüt einholen, das rund 300 Buchseiten stark sein wird.

„Uns werden die Ideen nicht ausgehen“

„Neue Autoren haben es jetzt schwerer“, befürchtet Andrea Russo: Nach ihrer Beobachtung agieren die Buchhandlungen seit der Corona-Krise „verhaltener“. Dabei sei die Sichtbarkeit eines neuen Titels – ob Kinder- oder Erwachsenenbuch – beim Buchhändler des Vertrauens enorm wichtig. Früher habe sie schon mal die eigenen Titel im Regal nach vorne geräumt, erzählt Andrea Russo lachend. Hat sie als Anne Barns, bekannt von den Spiegel-Bestsellerlisten, natürlich nicht mehr nötig.

Als Anne Barns bleibt Russo den Insel-Romanen treu

Die erste „Mirella Manusch“-Geschichte „Hilfe, mein Kater kann sprechen!“ ist als Schneiderbuch erschienen, mit 176 Seiten und zahlreichen Illustrationen von Anastasia Braun. Das Leseabenteuer für Mädchen und Jungen ab acht Jahren kostet 12 Euro. Der zweite Band „Achtung, hier kommt Frau Eule!“ ist in gleicher Ausstattung fürs Frühjahr 2021 angekündigt.

Auch als Solistin bleibt Andrea Russo alias Anne Barns fleißig: Ihr jüngster Roman „Eisblumenwinter“ erschien ausgerechnet, als der Lockdown auch die Buchhandlungen traf, hielt sich aber dennoch fünf Wochen auf der Spiegel-Bestsellerliste. Ihr Verlag Harper-Collins kündigt für März 2021 „Bernsteinsommer“ an – wieder ein Insel-Roman der reisefreudigen Autorin, deren Heldin auf Hiddensee der Herkunft eines faszinierenden Gemäldes nachspürt.

Und Lesungen? Andrea Russo nennt es „die kleine Form von Marketing“. Sehr zeitaufwendig – aber auch produktiv, denn wer „seine“ Romanciers live erlebt hat, empfiehlt sie gerne weiter. Zu zweit aus „Mirella Manusch – Hilfe, mein Kater kann sprechen“ lesen Mutter und Tochter erstmals Ende September in Detmold – und müssen beide loslachen: Nein, geprobt haben sie ihren Auftritt noch nicht.

Doch dass es im Autorinnen-Duo weitergeht, ist längst ausgemacht. Der zweite „Mirella“-Band „Achtung, hier kommt Frau Eule!“ ist bereits angekündigt. „Wir haben die Mirella so liebgewonnen“, sagt Christin-Marie Below. „Uns werden die Ideen nicht ausgehen.“ Und auch nicht die Rezepte. Denn bei einer kulinarisch so hingebungsvollen Erzählerin wie Anne Barns gehört eine „Vampirische Himbeermarmelade“ zum Nachkochen einfach dazu: Gibt beim Kleckern bestimmt blutrote Flecken, todschick.