Oberhausen. Manchmal drehen sich Politik und Rathaus-Spitze jahrelang im Kreis – darüber diskutierte auch der Oberhausener Rat in seiner letzten Sitzung.
Maske auf, Hände desinfizieren, Namen eintragen – Auftakt zur letzten regulären Sitzung des alten Stadtrates, diesmal im Kulttheater Ebertbad, um Abstände zwischen den 60 Ratsleuten untereinander, dem Oberbürgermeister Daniel Schranz und den sechs Dezernenten einhalten zu können.
So routiniert wie der Umgang mit Corona-Regeln, so routiniert verlief im Saal diese Sitzung. Am Tag nach dem langen Wahlabend schwankt die Stimmung der etwas müde wirkenden Ratspolitiker zwischen ruhiger Arbeitsatmosphäre, einer Prise trauriger Melancholie nach sechs Jahren politischer Diskussion und fröhlicher Gelassenheit, ein gutes Stück Stadtgeschichte erledigt zu haben. Die Hälfte des 60-köpfigen Rates scheidet mit der Konstituierung des neuen Rates aus: Die einen wollten das so, die anderen drängte die eigene Partei raus, wiederum andere wurden von Wählern nicht mehr goutiert.
Trockene Abarbeitung der über 50 Punkte fassenden Tagesordnung
Verfolgt man von der Empore des früheren Hallenbades aus die ziemlich trockene Abarbeitung der über 50 Punkte fassenden Tagesordnung im Saal, wundert man sich mal wieder darüber, dass so viele Menschen bei dieser Kommunalwahl versucht haben, Mitglied dieses Gremiums zu werden – um sich in ihrer Freizeit in die Details von Bebauungsplänen, Sachkonten, Ausgabenerhöhungen im Tausender-Bereich und die Besetzung von Kommissionen verbeißen zu wollen.
Viele Entscheidungen eines Stadtrates malen doch oftmals notwendigerweise nur kleines Karo aus statt große Weichenstellungen fürs Gemeinwohl zu tätigen. Sogar um einzelne Worte in Resolutionen wird gerungen, etwa bei der Bitte ans Land, die wichtige Schulsozialarbeit an Schulen dauerhaft finanziell zu garantieren und ein Gesamtkonzept mit Qualitätsstandards zu erstellen. Vielleicht hilft’s ja.
Wie mühsam das demokratische Geschäft ist, erlebt der energische SPD-Ratsherr Helmut Brodrick in Holten. Seit 2013 wird herumdiskutiert mit Bürgern, mit Fachleuten, mit dem Rathaus, ob und wo dort ein Supermarkt, im Amtsdeutsch „Vollsortimenter“ genannt, platziert wird. Aber wollen die Bürger den überhaupt, fragte man plötzlich vor einigen Monaten? Eine Umfrage war geplant, aber sie stockt und stockt. Leidenschaftlich ruft Brodrick in den Saal: „Bis 2018 ist nichts passiert.“ Und danach eigentlich auch nicht. „Das ist unerträglich. Die Bürger sagen: Wir in Holten sind abgehängt.“
Dezernent Ralf Güldenzopf schaut etwas irritiert, versucht – wie meistens die obersten Rathaus-Vertreter – intensive Beschäftigung an dem Problem darzustellen: „Aber wir wollten ja dann noch eine Runde über die Politik drehen, um alles abzustimmen.“ Nun ja, man könnte manchmal den Eindruck gewinnen, bei diesen Rundenfahrereien dreht man sich immer im Kreis, kommt aber nie vorwärts.
Jahrelang über neue Schule diskutiert
So geht es auch dem Osterfelder Bezirksbürgermeister Thomas Krey (SPD): Da würden Bürger zunächst an der Gestaltung von Kinderspielplätzen und Schulhöfen beteiligt – und danach werde dann jahrelang nicht gebaut. „Das versteht doch kein Bürger – und ich auch nicht.“
Jahrelang hatte der Rat immer wieder darüber diskutiert, was mit den vielen Schülern passiert, die an Gymnasien scheitern. Nun soll eine neue Gesamtschule her – doch der Tagungspunkt wurde abgesetzt. SPD und Linke, allen voran Schulausschussvorsitzender Wolfgang Große Brömer (Ex-SPD-Ratsfraktionschef) in seiner allerletzten Ratsaktion, wollten unbedingt noch die Basis für die neue Schule legen. Doch die Mehrheit von CDU, Grünen, FDP, BOB fand: „Wir benötigen mehr Beratung. Und eine solche wegweisende schulpolitische Entscheidung für Jahrzehnte obliegt dem neuen Rat. Da darf man nicht vorgreifen“, sagt CDU-Ratsfraktionschefin Simone-Tatjana Stehr, die eine Realschule befürwortet.
Und so geht der draußen so sonnige Spätsommer-Nachmittag dahin. Die Hundesteuer für Rettungshunde wird künftig auf Antrag erlassen, die Bußgelder für Müllsünder steigen kräftig auf bis zu 2500 Euro, die Arbeit im Bürgerzentrum Alte Heid wird weiter von der Stadt mit 10.000 Euro pro Jahr unterstützt, die Förderschule „Schule an der Hagedornstraße“ wird in „Glück-Auf-Schule“ umbenannt.
Keine Parkgebühren-Korrektur
Seit Jahresbeginn sorgen die neuen Parkgebühren in Teilen von Alt-Oberhausen bei so manchem Autofahrer, aber auch bei Anwohnern für Ärger. Weil Autofahrer nun am Rand der kostenpflichtigen Zone nach einem gebührenfreien Parkplatz suchen, sehen sich Bürger der Klörenstraße, der Bürgerstraße und der Lorenzstraße bedrängt: Sie finden für ihr Auto keinen Parkplatz mehr.
Doch der Vorschlag der Linken, hier Parkscheibe und Anwohner-Parkausweise einzuführen, wurde abgelehnt, weil ohnehin die gesamte Parkgebühren-Situation ein Jahr nach der Reform von Fachleuten begutachtet werden soll – um Mängel festzustellen. Die Ratsmehrheit wollte dieser Gesamtbegutachtung nicht vorgreifen.
Und nachträglich genehmigt der Rat nach kritischer Rückfrage des Sterkraders Ulrich Real (SPD) auch noch einen Nachschlag von 350.000 Euro für die Dachsanierung am Hans-Böckler-Berufskolleg, weil unerwartet von der Decke alte Betonbrocken gefährlich abplatzten. 2017 hatte der Rat für die Sanierung bereits eine Dreiviertel-Million-Euro bewilligt.
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Mitten drin in diesen Debatten blitzt plötzlich im gesamten Saal violettes Scheinwerferlicht auf. „Hat da jemand die Lichtanlage angeworfen?“, fragt erheitert Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU). Nein, eine Show findet heute nicht statt, nur Kärrnerarbeit.