Oberhausen. Die Skulptur „Die Trauernde“ ist alljährlich Mittelpunkt des Gedenkens zum Volkstrauertag in Oberhausen. Doch das Werk ist umstritten.
Die Stadt braucht eine neue Strategie für ihre Kultur des Erinnerns und Gedenkens. Das wünscht sich Gedenkhallen-Leiter Clemens Heinrichs. Oberhausen verdiene einen „angemessenen Rahmen“, um der Opfer von Krieg und Terror zu gedenken. Denn bislang steht mit der Trauernden eine Skulptur im Mittelpunkt der Kranzniederlegungen am Volkstrauertag, die einst ein Künstler mit fragwürdiger NS-Vergangenheit schuf. Eine sachliche Einordnung dieser Tatsache fehle bislang, kritisiert Heinrichs – und bekommt Unterstützung aus der Politik: Die Oberhausener SPD steht ihm mit dem Wunsch nach einem neuen Umgang mit der Skulptur bei.
Die Unterstützung sagten die Sozialdemokraten am Mittwoch zu, beim ersten Termin der diesjährigen SPD-Sommerschule. Wie jedes Jahr in den Ferien lädt die SPD Genossen und interessierte Bürger ein, um sich über Themen zu informieren und Einblicke ins Stadtgeschehen zu erhalten, die man sonst eventuell nicht erhält.
Künstler Willy Meller war Günstling des NS-Regimes
Zum Auftakt hatten sie sich also Clemens Heinrichs an die Seite geholt. Jenen Clemens Heinrichs, der bereits im vergangenen Jahr mit einer eigenen Ausstellung in der Gedenkhalle die Geschichte und den Hintergrund der vier Meter hohen Skulptur beleuchtete und kritisch in den Kontext der NS-Verstrickungen des Bildhauers Willy Meller setzte.
Der 1887 geborene Künstler war ein Günstling des menschenverachtenden NS-Regimes. Er war ein Künstler, der seinen eigenen Stil ablegte, um seine Arbeit dem Stil des Nationalsozialismus anzupassen, wie Heinrichs erklärte. Prunk und Protz prägten die „Deutsche Kunst“ ebenso wie die Darstellung starker, kraftvoller und erhaben wirkender Menschen. Meller war Mitglied der NSDAP und profitierte auch finanziell – die Nazis verschafften ihm Aufträge für ideologisierte Kunstwerke wie die Skulptur eines Fackelträgers auf der Burg Vogelsang oder einer Siegesgöttin für das Reichssportfeld in Berlin.
„Die Trauernde“ einlagern?
Eine sachliche Einordnung dieser Geschichte möchte Clemens Heinrichs adäquat darlegen können. Durch zusätzliche Info-Tafeln zum Beispiel, durch weitere Ausstellungen, Vorträge oder ähnliches. „Die Trauernde“ einlagern und durch ein neues Kunstwerk ersetzen? „Nein, so weit würde ich nicht gehen“, sagt SPD-Fraktionschefin Sonja Bongers. Dafür fehle der Stadt nicht zuletzt auch schlicht das Geld. Dennoch müsse die Problematik im Umgang mit der Skulptur stärker herausgearbeitet werden.
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Für Clemens Heinrichs ist indes nicht nur die Vergangenheit des Künstlers fragwürdig. Auch die 1962 eingeweihte Skulptur selbst ist in seinen Augen nicht geeignet, um aller Opfer angemessen zu gedenken. Das Motiv der trauernden Frau verbindet er mit der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, als die Frauen zu Hause blieben und die gefallenen Söhne, Brüder, Männer und Väter betrauerten. Doch im Zweiten Weltkrieg lag die Front nicht in weiter Ferne, Bomben fielen auch auf deutsche Städte und töteten nicht nur die Männer.
Zudem lege die trauernde Frau einen nicht angemessenen Fokus auf nur eine Gruppe der Kriegsopfer. Die Opfer des Holocausts, die Menschen jüdischen Glaubens, die Sinti und Roma, die Zeugen Jehovas und Homosexuellen, die politisch Verfolgten und Menschen mit Behinderung werden laut Clemens Heinrichs nicht ausreichend gewürdigt.
Auch Heinrichs ist sich bewusst, dass sein Wunsch nach zusätzlichem Ausstellungsmaterial Geld kostet. Doch wenn nach der Kommunalwahl im September die AfD in den Oberhausener Stadtrat einziehe, sei die kritische Auseinandersetzung mit rechtem Gedankengut, Rassismus und Faschismus wichtiger denn je.