Oberhausen. Markus von Frieling aus Oberhausen startete mit digitalen Prints auf Instagram. Seine Bilder können sich Interessierte in der Artothek ausleihen.
Etwas überlegen muss er doch. Wie fühlt es sich an, wenn fremde Leute die eigenen Bilder in ihre Wohnzimmer hängen? „Surreal“, antwortet Markus von Frieling nach einigen Momenten. Der 35-Jährige aus dem Marienviertel sitzt auf einer schmalen Bank in der Oberhausener Artothek im Kleinen Schloss. Es geht locker zu. Kurze Hose, blaues, leicht aufgeknöpftes Hemd. Er lächelt meist. Und dazu hat er auch allen Grund. Schließlich gelingt seinen Bildern gerade der Sprung von der digitalen Instagram-Plattform an die Wände einer renommierten Kunststätte.
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Die Artothek hat dem jungen Mann für seine Reihe „Project Black Period“ am Wochenende eine kleine Ausstellung gewidmet. 52 Bilder sind dabei. Sie zeigen abstrakte Motive, die allesamt dunkel gehalten sind. Eigentlich das genaue Gegenteil zum Erschaffer selbst. Mit seiner Lebensgefährtin Celine Juba schaut er von Bild zu Bild. Was empfindet er gerade? „Freude!“
Erzieher mit Leidenschaft für versteckte Details
Ähnlich wie Instagram, der sozialen Plattform, auf der sich Motive durch einen Mausklick mit der ganzen Welt teilen lassen und durch die Empfehlung Einzelner immer bekannter werden, funktioniert auch die Artothek.
„Jeder kann sich bei uns Kunst ausleihen“, erklärt Leiterin Ursula Bendorf-Depenbrock. Wie ein Buch in der Bibliothek sollen spannende Motive zeitweise mit nach Haus genommen werden. Privatleute für die Wohnung. Geschäftsleute für Verkaufsräume. Drei Monate kosten 11 Euro – Verlängerungen sind möglich.
Ein Konzept, bei dem auch Markus von Frieling sofort Feuer und Flamme war. Schließlich nennt die Artothek die neu geschaffene Ausstellungsreihe „Art.Upgrade_2020“, die auch Ausstellern einen Raum geben soll, die nach klassischer Definition gar keine Künstler sind.
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„Früher, in der Jugend, fehlte mir der Zugang zur Kunst“, erinnert sich Markus von Frieling. „Und trotzdem stand ich im Museum immer ein wenig wie ein neidischer Zaungast neben den Bildern.“ Die ersten Gehversuche machte er in der freien Graffiti-Szene. Ein kurzes Intermezzo. „Ich wurde natürlich direkt beim ersten Sprühen erwischt – und zuhause gab es mächtig Ärger“, erinnert er sich. Danach war sofort Schluss. Doch die Jugendzeit beeinflusst ihn. Er verschlingt Garfield-Comics, die seinen Humor prägen.
Kunstvolles mit Spachtel und Acryl-Farbe
Viele Jahre arbeitet er beim Fastfood-Riesen McDonalds. Das ein Leben nicht starr und linear verlaufen muss, zeigt schließlich seine zweite Begegnung mit der Kunst. Der Oberhausener verlässt seinen Job in der Systemgastronomie und beginnt eine Ausbildung zum Erzieher. Dabei entdeckt er seine Leidenschaft zur Malerei wieder.
Was in der Ausbildung kurz angeschnitten wird, setzt er für sich selbst fort. Er arbeitet mit dem Spachtel und schwarzer Acryl-Farbe. Die Werke werden später eingescannt, digitalisiert und danach mit einem Bildbearbeitungsprogramm im Detail geschliffen. Werkzeuge werden nun mit der Maus geführt und können manche Stellen grobkörniger wirken lassen.
Es entstehen abstrakte Bilder, die meist den Ausschnitt von einem Gesicht beinhalten. „Diese Eindrücke sind häufig versteckt. Die Bilder verändern sich beim Betrachten, so wie sich mein Leben auch verändert hat“, sagt Markus von Frieling.
Bewerbungsgespräch mit einem Wäschekorb
Artothek öffnet am ersten Donnerstag im Monat
Die Artothek in der Ludwiggalerie in Oberhausen funktioniert unter dem Motto „Bilder ausleihen wie Bücher“. Die Leihgebühr pro Werk beträgt 11 Euro für drei Monate. Eine Verlängerung ist möglich.
Die Ausleihe ist jeweils am ersten Donnerstag im Monat von 16 bis 20 Uhr möglich. Ist der erste Donnerstag ein Feiertag, so verschiebt sich die Ausleihe um eine Woche nach vorne oder hinten. Die Kunstwerke werden vor Ort ausgesucht. Eine Beratung, ob die Bilder in die Ausstattung der eigenen Räume passen, gibt es auf Wunsch ebenfalls. Manche Kunden entscheiden sich nach wenigen Minuten, andere lassen sich zunächst beraten.
Zur Artothek bringt ihn schließlich sein Kumpel Niksan Rajaratnam, den er vom Sport kennt und dessen Verbindung zur Ludwiggalerie schon mit 16 Jahren in einem Jugendprojekt begann. „Ich kam mit einem Wäschekorb an Bildern vorbei und war dabei tierisch nervös“, erinnert sich Markus von Frieling über die Chance auf seine erste eigene Ausstellung. „Um am Ende hat es funktioniert!“
Womöglich wird das Upgrade lange nachhallen. Die Idee, das Nicht-Künstler andere Nicht-Künstler vorschlagen, um in der Artothek auszustellen, würde Leiterin Ursula Bendorf-Depenbrock gerne weiterführen. Damit die Blickwinkel noch breiter werden – neben denen der renommierten Künstler im großen Schloss.