Oberhausen. Als „Parallel“-Ausstellung verbindet der Kunstverein die Materialbilder von Bahar Batvand mit den wie Malerei wirkenden Fotos des Kabarettisten.
Der Kabarettist und Künstler zeigte sich als taktvoller Gentleman: In der Panoramagalerie des Schlosses Oberhausen war Dieter Nuhr am Donnerstag der gefragte Gesprächspartner – doch der 59-Jährige erläuterte auch gerne und gewandt die neuesten Werke seiner Atelier-Nachbarin. Und Bahar Batvand schien ausgesprochen glücklich über einen so eloquenten Interpreten.
Zur zehnten Ausstellung unter dem Signet „Parallel“ präsentierte der Kunstverein Oberhause n als Gast der Ludwiggalerie also zwei zwar kontrastreiche, aber miteinander stimmige Positionen: die wie Gemälde wirkenden Fotografien Dieter Nuhrs und die mit viel Geduld und Aufwand gewirkten Materialbilder der vor 19 Jahren aus dem Iran zum Kunststudium nach Deutschland gekommenen Bahar Batvand. Beide „machen Ungesehenes sichtbar“, so Ortwin Goertz, der Vorsitzende des Kunstvereins.
Tatsächlich muss man selbst an die monumentalsten Formate der trefflich „Ferne und Dauer“ betitelten Nuhr-Schau nah herantreten, um sie als Fotografien zu erkennen: Was der enthusiastisch Weltreisende an bröckelnden Mauern, Werbeslogans in uns fremden Schriften oder rostigen Eisenschlingen für Räucherstäbchen in seine Mittelformatkamera bannte, wirkt wie gestische Malerei von einem Schwung und einer Farbintensität, wie sie nicht allzu oft aus heutigen Ateliers kommt.
„Am Reisen interessiert mich das Fremdbleiben“
„Mein Leben ist Unterwegssein“, sagt Dieter Nuhr. Eine Kamera hat er immer zur Hand – selbst um die Hängung dieser Ausstellung in dem so vorteilhaft geschwungenen Raum festzuhalten. „Am Reisen interessiert mich das Fremdbleiben.“ Dem Alltag in Straßen und auf Märkten sehe er fasziniert zu, sei aber auch glücklich, nicht alles verstehen zu müssen. Der derzeit so radikal stillgelegte Globetrotter erkennt zwar in vielen Teilen der Welt eine zunehmende Aggressivität gegenüber Menschen mit Kameras – schätzt dafür aber jene Freundlichkeit, die in Asien das Miteinander bestimmt.
So darf man über sieben Aufnahmen aus dem Iran sinnieren, die einen blätternden Goldgrund zeigen, darüber gelegt arabische Schriftzeichen und Ziffern. Bahar Batvands Übersetzung ist dann eher eine Entzauberung: Es sei Werbung für Telekommunikation plus Telefonnummern. Aber so etwas erfragt der Fotograf auch nur, um nicht versehentlich Bosheiten in einer ihm unbekannten Sprache zu verbreiten.
Unfassbar dicht verschnürte Materialbilder
„Eine Alchemistin“ nennt Dieter Nuhr die in Düsseldorf heimische Künstlerin. Er selbst suche und finde – „sie baut ihre Bilder“. Früher waren es allerdings auch Werke, die sich während der Dauer einer Ausstellung selbst zerstörten. Das wäre bei den neuen, unfassbar dicht ge- und verschnürten Materialbildern der Serie „Akzidenz“ höchst bedauerlich.
Bahar Batvand betont das Zufällige, Prozesshafte ihres hingebungsvollen Wirkens. Für Philosophen bezeichnet Akzidenz das nicht Wesentliche, das sich Verändernde – im Gegensatz zur Substanz. Aber ganz will man dieses ungeplante Arbeiten nicht glauben, denn in ihren Plexiglas-Schreinen sind die zwölf Bilder im Kabinett neben dem Museumsshop eingefasst wie Kostbarkeiten. Und in ihrer Farbigkeit kommt sie den blätternden und bröckelnden Oberflächen der Nuhr-Fotos nahe.
Ein „Highlight“ im Lauf der zwölf Ausstellungswochen
Das Bedauern war dem Vorsitzenden des Kunstvereins anzuhören: Ortwin Goertz muss ausgerechnet für die Jubiläums-Folge der Ausstellungsserie „Parallel“ auf eine Vernissage mit Reden und reichlich Publikum verzichten. Geöffnet ist das Ausstellungsdoppel „Ferne und Dauer“ sowie „Akzidenz“ im Kleinen Schloss, links und rechts vom Museumsshop, vom 21. Juni bis 13. September. Der Eintritt ist frei.
„Corona hält uns alle in Grenzen“: Der Kunstvereinsvorsitzende versprach allerdings, noch etwas geheimnisvoll, „ein Highlight“ spätestens zum Ausklang der Ausstellung.
Er müsse jetzt „Gelegenheiten abwarten“, sagte auch Dieter Nuhr, der erstmals seit Jahren sein nächstes Reiseziel noch nicht kennt. Eine Einzelausstellung seiner Fotografien im andalusischen Marbella wird jetzt ohne ihn stattfinden.
„Detailliert ins Minimale reingehen“, nennt der als ein Prinzip seines Malens mit der Kamera. „Wir beide suchen und finden in unserer Arbeit Erfüllung.“ Bahar Batvand lächelt zustimmend.