Oberhausen. Erstmals seit 70 Jahren wird in Oberhausen kein Karnevalsprinz gekürt. Die schwierigste Entscheidung steht den Gesellschaften erst noch bevor.
Das Ornat des Karnevalsprinzen hängt schon fein säuberlich in Jörg Beckers Kleiderschrank. Eigentlich wollte der designierte Stadtprinz das stolze Gewand in gut fünf Monaten zum ersten Mal auf der Bühne tragen – doch daraus wird nichts. Becker muss mindestens ein Jahr warten, bis er die Oberhausener Narren regieren darf.
„Die letzten Wochen und Monate waren eine emotionale Achterbahnfahrt“, sagt der Prinz in spe. „Der Verstand sagt, dass es eine richtige Entscheidung war, aber das Herz ist immer noch traurig.“ Durch die Corona-Krise küren die Oberhausener – mit 19 organisierten Vereinen und etlichen freien Gruppen eine feste Größe im Revierkarneval – erstmals seit 70 Jahren keine Tollitäten.
Suche nach Sponsoren schwierig
Zu unsicher ist das finanzielle Fundament, da unklar ist, ob und in welcher Größe gefeiert werden kann. Mit allen wirtschaftlichen Unsicherheiten, die auch Jörg Becker kennt. „Schon seit April spielen wir verschiedene Szenarien durch“, sagt er. „Momentan wissen wir auch nicht, wie viele Besucher überhaupt in der Stimmung sind, sich eine Eintrittskarte zu kaufen.“
Das Prinzenheft und die darin inserierenden Gönner seien wichtig, um die viele Tausend Euro teure Prinzenzeit zu finanzieren. „Momentan möchte ich für die Akquise nicht in ein Reisebüro gehen, wo ich doch weiß, dass dort selbst jeder Euro knapp ist.“ Querverbindungen gibt es überall.
Becker muss in der momentan eigentlich karnevalsfreien Zeit doppelt rangieren. Als Vorsitzender des Traditionscorps Ehrengarde sieht er die schwierigen Sessionsvorbereitungen auch durch die Vereinsbrille. Ob es den eigenen Gardeball im Ebertbad geben kann, ist offen. „Wenn wir das Ebertbad nicht voll besetzen können, rechnet sich die Veranstaltung für uns nicht, da das Programm sonst zu teuer ist.“
Wichtige Signale warten Ende August
Dieses Problem treibt fast alle Vereine um. Die Vorbereitungen für den Sitzungskarneval sind bei der Karnevalsgemeinschaft Alstadener Bären eigentlich schon abgeschlossen. Und doch muss auch hier nachjustiert werden, wenn dies nötig wird.
„Wir führen in den kommenden Wochen Gespräche, wie wir reagieren“, sagt der Vorsitzende Hermann Buschmann. „Wir wollen den 31. August und mögliche Änderungen bei den Corona-Maßnahmen abwarten, um eine verantwortungsvolle Entscheidung treffen zu können.“
Im vergangenen Jahr feierten knapp 1000 Narren in der Luise-Albertz-Halle. Eine abgespeckte Besucherzahl bereite auch hier Probleme. Optionen gibt es wenig. Ein Umzug zurück in das kleinere Ebertbad würde erst recht nicht helfen, da dort noch weniger Feiernde Platz hätten.
Gewissheit gibt es an anderer Stelle, wenn auch wenig heilsame: Das große Bärenfest auf dem Schulhof der ehemaligen Hauptschule Alstaden fällt im Spätsommer auf jeden Fall aus.
Künstlergagen nach der Besucherzahl ermitteln
Bei der KG Weiss-Grün Hoag plant man momentan wie gehabt mit Gala-Prunksitzung und Frauensitzung zur Weiberfastnacht, die beide im kommenden Jahr zum Ende der Session in der Stadthalle anstehen. „Die Verträge sind unter Dach und Fach“, sagt der Vorsitzende Uwe Dehne. Was möglich sein wird, wolle man Anfang September natürlich von den amtlichen Vorgaben abhängig machen.
Das Sitzungsprogramm mit häufig vierstelligen Gagen stellt neben der Hallenmiete eine harte finanzielle Nuss dar. Uwe Dehne: „Wir befinden uns im Kontakt mit den Künstleragenturen. Auch die Künstler haben derzeit Probleme, sie wollen auftreten, können es aber nicht.“ So soll es Gedankenspiele geben, Gagen von der tatsächlichen Besucherzahl abhängig zu machen. „Das könnte nach einer Staffelung umgesetzt werden – und wäre für beide Seiten interessant.“
Kein Prinz, aber ein Prinzregent?
Ein Prinz wird in Oberhausen in der Session 2020/’21 nicht regieren. Eine große Mehrheit der Oberhausener Vereine hat dagegen gestimmt und damit dem Wunsch des Regenten selbst entsprochen. Dieser tritt nun ein Jahr später an.
Sollte der Saalkarneval eingeschränkt möglich sein, könnte ein Prinzregent als Vertretung auftreten. Zumindest soll es hinter den Kulissen lose Überlegungen geben. Der Vorteil: Ein Prinzregent kann kurzfristig als formloser Grußbote agieren. Die wirtschaftliche Umsetzung – ohne Orden, Ornat und großes Team – wäre einfacher.
Soll heißen: Sollte sich die Hallenkapazität durch bestehende Auflagen stark reduzieren, könnte die Gage für Kapellen und Büttenredner, wie vorher festgelegt, geringer ausfallen und die Mindereinnahmen durch weniger Ticketerlöse bremsen. Sollten sich Vereine und Künstler auf solch ein Model einigen, könnte dies den Sitzungskalender maßgeblich beeinflussen.