Oberhausen. Als Schülerin wird Lisa Marie Kusch aus Oberhausen magersüchtig. Nun hat sie ein Buch darüber geschrieben. Wie sie sich zurück ins Leben kämpft.
Lisa Marie Kusch spricht öffentlich über ihre Krankheit. Eine Krankheit, über die viele Betroffene lieber schweigen. Die Oberhausenerin kämpft seit ihrer Jugend mit Magersucht. Statt diesen Kampf alleine mit sich selbst zu führen, geht sie damit in die Öffentlichkeit – und hat in diesem Jahr sogar ein Buch veröffentlicht.
„Die Magersucht fing bei mir schon in der siebten Klasse an“, erzählt sie. Damals geht sie auf die Heinrich-Böll-Gesamtschule in Schmachtendorf. „Ich hatte ein Problem, konnte das aber nicht kommunizieren. Ich dachte, ich könnte das besser über meinen Körper ausdrücken.“ Die Jugendliche nimmt damals immer weiter ab, sieht das als Mittel, um auf sich aufmerksam zu machen.
Als Schülerin nahm sie nur noch zehn Lebensmittel zu sich
„Das hat auch geklappt. Aber irgendwann kam ich aus diesem Denken nicht mehr heraus“, reflektiert die heute 21-Jährige. Die Gedanken drehen sich damals nur um das Essen, gerade einmal zehn Lebensmittel nimmt die Jugendliche noch zu sich. In der neunten Klasse wird sie dann beurlaubt, ist immer wieder in therapeutischer Behandlung. „Ich habe mich von Sommerferien zu Sommerferien gehangelt“, erinnert sie sich. „Ich war in meinem Film gefangen.“
Heute spricht sie von einem Automatismus: „Ich dachte, ich muss beweisen, dass ich krank bin. Ich hatte Angst, nicht ernst genommen zu werden.“ Mit 15 rutscht sie in die Unterversorgung. Ihr Zustand verschlechtert sich, am Ende wiegt die Jugendliche nur noch 35 Kilogramm. Sie hält klare Essenszeiten ein, um ihre Ernährung genau kontrollieren zu können und isoliert sich von ihrer Familie und Freunden. Deshalb bleibt ihr die Schule so wichtig. „Dort hatte ich noch Freunde. Außerdem wollte ich mein Abitur unbedingt schaffen.“
Oberhausenerin dokumentiert ihre Reise auf Instagram
Ihre Reise dokumentiert sie schon relativ früh auf der Social-Media-Plattform Instagram. Unter dem Namen „lisabacktolife“ versucht sie, anderen Betroffenen Mut zu machen – auch mit Bildern ihres Körpers oder einem aufmunternden Spruch. Die Magersucht wird ein großer Teil ihres Lebens und bestimmt am Ende sogar ihre Identität. „Ich hatte auch in der Schule einen Ruf weg“, erklärt sie, „dort war ich ‘Lisa, die Magersüchtige’. Das wollte ich nicht verlieren. Ich wusste nicht, wer ich sonst bin.“
Doch die Magersucht verlangt einen hohen Preis von der jungen Frau. „Mein Körper machte schlapp. Ich bekam Herz-Rhythmus-Störungen, auch meine Periode blieb aus.“ Trotz großem Risiko nehmen die Lehrer Lisa Marie Kusch mit auf die Abschlussfahrt nach Irland. Dort entdeckt die Schülerin eine neue Leidenschaft, verliebt sich in das Land und findet Motivation, etwas zu ändern.
Die Gedankengänge begleiten sie noch heute
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Nach dem Abitur tritt sie mit 40 Kilogramm Körpergewicht ein Auslandsjahr als Au-Pair in Irland an – und scheitert. Nach einem Monat kehrt sie zurück und geht in eine Klinik in Münster. Dort lebt sie seit März 2019 dauerhaft. „Mir war klar, dass ich einen drastischeren Schritt gehen muss, wenn nicht einmal die Erfüllung meines Irland-Traums mir hilft“, sagt die 21-Jährige.
Heute geht es ihr besser. All ihre Erfahrungen hat sie in ihrem Buch „Helle Worte an dunklen Tagen“ aufgeschrieben, das im März 2020 erschienen ist. Dabei geht sie einen anderen Weg als die meisten Buchautoren, die zu diesem Thema veröffentlichen. „In meinem Buch nenne ich keine Zahlen oder erkläre, was ich gegessen habe. Ich teile nur meine Gedanken und was mir geholfen hat. Ich möchte niemandem neue Tipps geben, der in der Krankheit steckt.“ Die problematischen Gedankengänge begleiten sie noch heute, gibt sie zu. Doch sie konzentriert sich auf die Zukunft. „Ich studiere Grundschullehramt. Und natürlich möchte ich auch wieder zurück nach Irland. Das tut meiner Seele gut.“