Oberhausen. OB-Kandidat Thorsten Berg (SPD) befragte Kaufleute und Schausteller über Folgen der Corona-Krise. Ein Stimmungsbild im Wahlkampf aus Oberhausen
Normalerweise schaut SPD-Oberbürgermeisterkandidat Thorsten Berg zur Fronleichnamskirmes auf einen fröhlich belebten Platz vor dem Technischen Rathaus. Nun steht der Filialleiter der Sparkasse am benachbarten Sterkrader Tor beim Wahlkampf-Rundgang mit den Oberhausener Schaustellern Ronny Schütze und Kristoffer Krenz zusammen – und eben auch auseinander. Es geht um Corona-Sorgen.
Eine Kirmes wird es nicht geben. Normalerweise würde schon aufgebaut. Man spürt den Rummelplatz-Blues. Gemeinsam mit dem SPD-Landtagsfraktionsvorsitzende Thomas Kutschaty möchte sich der Politiker und Bankkaufmann über die Folgen der Pandemie auf die örtliche Wirtschaft informieren. Viele Sätze dürfte der OB-Kandidat aus seinem beruflichen Alltag kennen. Es geht um Geld – eine ganze Menge.
Dauerhaft Geld verdienen – nur durch Volksfeste
„Man kommt nicht in den Schlaf“, sagt Schausteller Ronny Schütze und meint mangelnde Perspektiven und hohe Ausfälle durch brach liegende Rummelplätze. Ob im späten Herbst eine kleinere Kirmes in Sterkrade möglich ist, werde mit der Stadtverwaltung besprochen, sicher ist nichts.
Landespolitiker Kutschaty interessiert sich für die finanzielle Soforthilfe. Geisterbahn-Besitzer Schütze und Eisverkäufer Krenz haben sie beim Land NRW beantragt. Das Geld kam schnell – kann Lücken aber nur kurz schließen, sagen die Schausteller. Und Kredite? Ronny Schütze formuliert, was die Szene umtreibt: „Wir wollen uns unser Geld verdienen – aber das können wir erst wieder, wenn wieder Volksfeste möglich sind.“
Thorsten Berg – trägt Anzug, führt beim Zuhören die Hand zum Kinn: „Nicht alle haben Sparguthaben, auf die sie zurückgreifen können.“ Wie läuft die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung, möchte er wissen. Die Schausteller haben nichts zu beanstanden. Sommerstandorte für einzelne Buden sind möglich. Sie würden helfen – aber nur selektiv.
Prekäre Lage der Reisebranche
Die Reise geht weiter. Die SPD-Delegation zieht über den kleinen Markt. Familien rasten am Spielplatz, genießen die letzten Sonnenstrahlen des Tages. Im Reisebüro von Robbie Schlagböhmer hängen Angebote für die deutsche Küste, Städtetouren, Berge am südlichen Rand des Landes im Schaufenster. Fernweh muss warten.
„Aufgeben gilt nicht“, sagt Schlagböhmer, der als Touristiker und Vorsitzender der Sterkrader Interessengemeinschaft (Stig) doppelt spricht. Für die Reisebranche hat er vorher deutlich gemacht: „Wir stehen kurz vor dem Abgrund!“ Kaum Reiseziele, kaum Reiselaune. Zudem fehlen den Reisebüros nicht nur Einnahmen, sondern es müssen mitunter Provisionen für verkaufte, nun jedoch nicht stattfindende Reisen an die Anbieter zurückgezahlt werden. Doppelte Probleme.
Ja, Arbeit sei für seine Mitarbeiter vorhanden – aber hauptsächlich um Stornos abzuwickeln. Und den Kunden zu helfen. Schlagböhmer hält eine Dankeskarte in der Hand. „Doch Einnahmen fehlen.“ Eine Wahl zwischen Rückerstattung und Gutscheinen zuzulassen, wertet Schlagböhmer für die Branche als fatal. „Keiner wählt derzeit einen Gutschein!“
Kaufleute sehen Gutscheine skeptisch
Perspektiven? Ja, er deutet auf sein Schaufenster. Momentan seien es deutsche Reiseziele, bei denen es im Sommer durchaus genügend Plätze gebe. Reisebüro-Betreiber hätten zudem die Chance, deutlicher auf Vorteile gegenüber Direktbuchung aufmerksam zu machen – zum Beispiel durch die Absicherung für Reisende bei Pauschalangeboten.
Kirmes fehlt auch Sterkrader Wirten
Zögerlich läuft in der Sterkrader Gaststätte „Klumpen Moritz“ der Betrieb wieder an. Die Wirtinnen Sarah Alic und Linda Demond hoffen auf mehr Frequenz in ihrem Biergarten. Stammtische, die Proben von Chören – all das vermissen sie jedoch.
Nicht aufzuholen sei für die Betreiberinnen, dass die Fronleichnamskirmes ausfällt. An jedem Kirmestag sei es im „Klumpen“ draußen und drinnen rappelvoll. Finanzielle Soforthilfe gab es, aber es waren auch neue Investitionen, etwa für eine Glasspülmaschine, vonnöten.
Sterkrade sieht der Kaufmann für Kunden als emotionale Mitte. Doch die Kauflust sei längst nicht zurück. Auf 60 Prozent sei man gegenüber dem Normalzustand, sagen Studien. Bevor die Delegation fragen kann, spricht Schlagböhmer selbst über mehr verkaufsoffene Sonntagen – und votiert klar dagegen. Ohne Konsumlaune helfe das nicht. Schlagböhmer wünscht sich für den Einzelhandel eine auf Kosten basierende staatliche Förderung – notfalls mit Verwendungsnachweis.
Diese sieht er auch als wirkungsvoller als Gedankenspiele um Verkaufsgutscheine für jeden, um die Konjunktur anzukurbeln. „Der Amazon-Gutschein von der Tankstelle hilft dem Einzelhandel nicht weiter.“Helfen denn große Schritte – und Schnitte? OB-Kandidat Thorsten Berg wirbt für den Vorstoß von Bundesfinanzminister Olaf Scholz, überschuldeten Städten die Altschulden zu erlassen. Schlagböhmer sieht es ähnlich.