Oberhausen. Mathilde Petzinna aus Oberhausen feiert ihren 100. Geburtstag. Ihre Tochter darf sie nur kurz besuchen. Wie das Coronavirus der Familie zusetzt.
Es sollte ein ganz besonderer Geburtstag werden. „Ich hatte mir seit letztem Jahr überlegt, wie wir meiner Mutter einen schönen Tag machen können“, sagt Gisela Prüfer. Ihre Mutter, die Alt-Oberhausenerin Mathilde Petzinna, wird am Donnerstag, 21. Mai, stolze 100 Jahre alt. Doch das Coronavirus macht der geplanten Feier einen Strich durch die Rechnung.
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Mathilde Petzinna lebt seit Ende 2018 in einem Bottroper Seniorenheim. Dort sollten am Donnerstag rund 30 Menschen mit der 100-Jährigen feiern – an reich gedeckten Tischen, mit Kaffee, Kuchen und Geschenken. „Die Einladungen liegen jetzt unberührt hier, wir hatten uns so viel Mühe gegeben“, erzählt Tochter Gisela. Wegen des Coronavirus musste die Feier abgesagt werden.
Oberhausenerin wird im Seniorenheim 100 Jahre alt
Für eine Stunde darf Gisela Prüfer ihre Mutter an ihrem Geburtstag besuchen kommen. Die 76-Jährige ist traurig. „Eine Stunde, das ist doch nichts. Und wie soll ich mit meiner Mutter anstoßen oder Kuchen essen, wenn uns eine Plexiglasscheibe trennt?“ Es ist eine bittere Vorstellung. Gisela Prüfer hat ihre Mutter sonst beinahe täglich besucht – bis das Virus kam.
Erst am Muttertag hat sie Mathilde Petzinna zum ersten Mal seit acht Wochen sehen können. „Meine Mutter hat furchtbar abgebaut, das war schlimm zu sehen. Sie versteht die Situation natürlich auch nicht, hat die ganze Zeit an die Scheibe geklopft, weil sie zu mir wollte. Meine größte Angst war, dass sie mich und meine Schwester Mathilde nicht mehr erkennt. Das tut sie zum Glück noch.“
Im Krieg flieht die Mutter alleine mit zwei Kindern in den Osten
Dabei wäre eine große, bunte und lustige Feier dem Leben von Mathilde Petzinna gerecht geworden. Ihr ganzes Leben hat sie in Alstaden verbracht, ist seit vielen Jahren Teil der Gemeinde St. Peter. Schon als Mädchen hatte sie mit Herausforderungen zu kämpfen. Mathilde Petzinna arbeitete als Näherin in der damaligen Polsterei Hemmers, bis der Krieg und ihre beiden Töchter kamen.
„Mein Vater Adolf war damals bei der Marine, ich war noch ein Säugling. Als meine Mutter mit uns aus dem Bunker kam, war unser Haus an der Alleestraße komplett zerbombt“, erzählt Gisela Prüfer. Da packte die Mutter kurzerhand ihre Kinder und verschwand für einige Monate in den Osten, bevor sie wieder nach Alstaden zurückkehrte.
Mit 86 Jahren ging es noch alleine nach Mallorca
„Meine Mutter ist immer eine lebensfrohe Person gewesen“, erinnert sich die Tochter. „Schon früh ist sie alleine oder mit Bekannten verreist, wollte immer die Welt sehen.“ Wenn Mathilde Petzinna nicht mit ihren Töchtern in den Urlaub fuhr, zog sie auch gut und gerne mal alleine los: „Mit 86 ist sie noch alleine nach Mallorca geflogen, das würde ich mich nicht trauen“, schmunzelt die Tochter.
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Das Fahrrad musste der Schwiegersohn ihr irgendwann wegnehmen. Auch das hat die aktive Frau nie aufgehalten. Sogar mit dem Rollator ging es noch jeden Mittag in die Oberhausener Innenstadt, um sich die Beine zu vertreten. „In unserer Ecke kennt meine Mutter fast jeden. Auch in der Kirche war sie gern, hat Kaffee getrunken oder beim Karneval mitgefeiert.“
Schinkenbrot und klarer Schnaps
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Erst nach einem schweren Sturz muss Mathilde Petzinna kürzer treten. Gibt es ein Geheimnis für 100 gute Lebensjahre? „Meine Mutter ist eigentlich immer fit gewesen. Alkohol getrunken hat sie nur einmal im Jahr zu Karneval, klaren Schnaps. Auch geraucht hat sie nie. Aber ihr Schinkenbrot ist ihr heilig, das bringe ich ihr immer noch mit ins Heim“, lacht Gisela Prüfer. „Alles, was ich mir für meine Mutter wünsche, ist Gesundheit. In diesem Alter soll sie von keiner Krankheit mehr gequält werden.“