Oberhausen. Die Oberhausener Polizei muss zunehmend Intim-Verbrechen aufklären – die Ermittlungen sind gerade in Kinderporno-Fällen schwierig.

Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, Missbrauch von Kindern, Kinderpornografie – zunehmend beschäftigen Intim-Verbrechen die Oberhausener Polizei: Die Zahl der Anzeigen zu „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ ist im vergangenen Jahr auf den Höchststand seit 2010 gestiegen. 157 Sexualvorfälle wurden den Ordnungshütern gemeldet – 7,5 Prozent mehr als im Vorjahr.

Besonders belasten Fotos und Filme mit sexuell missbrauchten Kindern unter 14 Jahren die Fachleute des Oberhausener Polizeipräsidiums: Die Zahl der Anzeigen hat sich auf 31 fast verdoppelt. In NRW ist diese Deliktart sogar um über 67 Prozent angestiegen – von rund 1400 Fällen auf fast 2400.

Der Oberhausener Polizeipräsident Alexander Dierselhuis und der Leiter der Direktion Kriminalität, Peter Mosch, (von links).
Der Oberhausener Polizeipräsident Alexander Dierselhuis und der Leiter der Direktion Kriminalität, Peter Mosch, (von links). © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Der Oberhausener Polizeipräsident Alexander Dierselhuis geht davon aus, dass bei diesen Straftaten das Dunkelfeld besonders hoch ist. Zunehmend wird dieses aufgehellt: US-Ermittler melden Kunden von Kinderporno-Seiten deutschen Behörden, bei Straftätern wie Banden in Lügde oder Bergisch-Gladbach wird viel Beweismaterial konfisziert, auf hier vor Ort beschlagnahmten Handys und Computern befinden sich die verbotenen Kinderporno-Bilder. Ein Fall bedeutet oft sehr viele Dateien.

Zeitdruck bei Auswertung von Kinderpornos

Peter Mosch, Leiter der Direktion Kriminalität, beschreibt, dass nicht nur Menge und Abartigkeit der Fotos und Videos ein Problem darstellen, sondern auch der Zeitdruck, unter dem seine drei spezialisierten Kollegen bei der Auswertung des Beweismaterials stehen. „Wir wissen ja nicht, ob noch ein aktueller Missbrauch eines Kindes vorliegt. Je länger die Prüfung des Materials dauert, desto größer die Gefahr, dass ein Kind noch weiter leiden muss.“

USA filtern Daten nach Kinderpornografie

Seit 2012 müssen in den USA Internetprovider, E-Mail-Anbieter und Datenhoster alle grafischen Inhalte, die im Netz verschickt werden, automatisiert nach Kinderpornografie filtern. Deshalb erhalten die deutschen Behörden aus den USA seither immer mehr Hinweise auf Täter in Deutschland.

Den Plan der Landesregierung, Aufklärungen in Kinderporno-Fällen zu zentralisieren, sieht das Oberhausener Polizeipräsidium kritisch – weil dies einen Bruch bei Ermittlungen zu allen anderen „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ bedeuten würde. Polizeipräsident Alexander Dierselhuis: „Uns würde allerdings helfen, wenn die beweiskräftige Sicherung und Erstaufbereitung der Daten zentral nach einheitlichen Kriterien für uns vorbereitet werden würde.“

Als Hauptgrund für die Zunahme von Kinderpornos sehen die Oberhausener Polizeioberen die einfache und schnelle weltweite Verfügbarkeit durchs Internet. Pädokriminelle können sich zusammenschließen, Kinderporno-Produzenten stoßen auf einen weltweiten lukrativen Markt. „Früher tauschte man VHS-Kassetten oder Polaroid-Bilder persönlich, heute passen 500 Stunden VHS-Film auf einen USB-Stick, man tauscht weltweit und weitgehend anonym im Netz; es gibt sogar Missbrauch auf Bestellung“, erläutert Dierselhuis.

Hohe Aufklärungsquote bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung

Mosch beschreibt Polizeibeamte als sensibilisiert: „Wir versuchen, alle Antennen auszufahren. Hat jemand beispielsweise Kinderspielzeug in der Wohnung, aber gar keine eigenen Kinder, dann fragen wir mal nach.“ In Kinderporno-Fällen würden Polizisten besonders akribisch ermitteln, um die Täter zu überführen.

Das gelingt im Übrigen viel häufiger als die Öffentlichkeit denken mag: In 85 Prozent aller angezeigten „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ ermittelt die Polizei den Tatverdächtigen. Bei Vergewaltigungen und sexuellem Missbrauch von Kindern rückt die Aufklärungsquote sogar an 90 Prozent heran.

Vergewaltigungen sind Beziehungstaten

Woran liegt das? „Vergewaltigungen sind überwiegend Beziehungstaten: Eine Frau ist länger mit dem Mann zusammen oder sie hat den Mann in der Kneipe oder Disco kennengelernt. Wir hatten im Vorjahr keinen Fall, bei dem ein fremder Mann aus dem Gebüsch kam“, sagt Mosch. Doch gerade davor hätten viele Frauen Angst. Polizeipräsident Dierselhuis fasst die Realität so zusammen: „Das Risiko, vergewaltigt zu werden, ist größer bei dem Mann, den man kennt und kennengelernt hat, als wenn man nachts durch den Park läuft.“