Oberhausen. Abstandsgebote in Corona-Zeiten könnten Programmkinos problemlos befolgen, meint Jörg Kluge. Die Filmkunst-Theater drängen auf eine Perspektive.
In der sonst so bildungsbürgerlichen FAZ fand Jörg Kluge, als Chef des Walzenlager-Kinos derzeit in Kurzarbeit, ein ausgesprochen bissiges Zitat zu seiner eigenen Situation: Als „Amüsierbetrieb“ sei Kino in der Corona-Krise wohl irgendwo „zwischen Biergarten und Bordell“ angesiedelt. Doch der alljährlich für sein Programm ausgezeichnete Macher spricht lieber von Filmkunst – und betont die feinen Unterschiede zwischen Arthouse und Multiplex.
„Mit unseren 45 Plätzen“, so Kluge, „können wir sehr gut auf unsere Besucher und unser Personal acht geben“. Selbst wenn entsprechende Abstandsauflagen nur 15 zahlende Gäste erlaubten – „kein Problem“, sagt der Cineast. „Dann wäre wenigstens ein Betrieb möglich. Das ist besser als gar kein Betrieb.“ Kluge weiß, dass die kleineren Arthouse-Verleihfirmen „ihren“ Kinos entgegen kommen. Private Theater für Liveshows, wie Ebertbad und Niebuhrg, müssten natürlich ganz andere Erwartungen an ihre Auslastung haben.
Eine „schöne Geste“ nennt Jörg Kluge die solidarischen Streamings besonderer Filme, deren Erlöse anteilig auch dem Walzenlager-Kino zugute kommen: Das kleine Kino im Zentrum Altenberg pflegte dieses Format schon lange vor der Corona-Krise, um den Arthouse-Fans auch jene Filme anbieten zu können, die es nicht ins Jahresprogramm auf die Leinwand schaffen.
Filmkunst-Kinos hilft nur engagierte Lobbyarbeit
Aktuell sind zwei besondere Perlen wahlweise über walzenlagerkino-ob.de oder kino-on-demand.com zu sehen: „UnRuhezeiten“, Eike Weinreichs satirischen Rückblick aufs Theater Oberhausen(das im Film „Armstadt“ heißt), fand schon vor Corona ein interessiertes Publikum: Wo sonst sieht man das ganze Ensemble inklusive Intendant (Peter Carp als Pförtner) in derart packender Nahaufnahme? Und „Beautiful Boy“ ist jenes scheinbar widersprüchlich Meisterwerk, das in erlesen schönen Aufnahmen vom Abrutschen eines behüteten Sohnes in die Drogensucht erzählt: die erste Kino-Sternstunde für Timothee Chalamet in der Titelrolle.
Noch mehr Soldiaritäts-Streaming bietet der von Jörg Kluge besonders geschätzte „Grandfilm“: Der Filmverleih aus Nürnberg unterstützt diverse Filmkunstkinos mit einem eigenen „Kino on Demand“ und einer Auswahl aus zehn Filmen, erreichbar über die Walzenlager-Website oder grandfilm.de.
Ansonsten hilft den Filmkunst-Kinos derzeit wohl nur engagierte Lobbyarbeit. Die Gilde deutscher Filmkunsttheater, das Netzwerk unabhängiger Kinos, „versucht auf sich aufmerksam zu machen“, weiß Jörg Kluge. Seine eigene Situation sieht er übrigens durchaus privilegiert – als Teil der Altenberger Soziokultur: „Aber wir alle wollen ein Perspektive haben.“