Oberhausen. Eine Mutmacher-Aktion an der Lutherkirche findet rege Resonanz. Hier blühen jetzt die selbst gemalte Blüten. Und sogar Shakespeare kommt zu Wort.
Leise rascheln die Blätter der großen Bäume im Bismarckviertel im leichten Frühlingswind. Manch ein Passant kommt dieses Rascheln derzeit allerdings wie ein freundliches Flüstern vor, und das aus gutem Grund: Der Zaun der Lutherkirche an der Lipperheidstraße spricht in diesen Tagen zu den Passanten.
Zaungeflüster – diesen Titel trägt das Projekt der Luther-Kirchengemeinde. Pfarrerin Ulrike Burkardt hat es Mitte März gestartet, als plötzlich absehbar war, welch tiefen Einschnitt die Corona-Krise für das tägliche Leben der Menschen bedeutet. „Gerade hatten wir damals noch Gottesdienste gefeiert und auf einmal war das nicht mehr möglich“, erinnert sich die Pfarrerin.
Wie kann man den Kontakt zu den Gläubigen, zu den Menschen im Viertel halten? Da fiel Ulrike Burkardt prompt der schmiedeeiserne Zaun der Lutherkirche ein. Er umgibt den ebenso schönen Innenhof der Kirche; hier entfaltet das altehrwürdige evangelische Gotteshaus ein ganz besonderes Ambiente. Die Pfarrerin formulierte auf einem kleinen Info-Schild am Zaun und zudem auf der Gemeinde-Homepage sowie auf Facebook einen besonderen Appell an die Gläubigen, an die Nachbarn und Passanten: „Schreiben Sie auf einen Zettel oder eine Karte ein Gebet, einen Gedanken oder auch einen Text, der Ihnen in dieser Zeit gut tut! Kinder dürfen sich natürlich auch gerne beteiligen – vielleicht auch mit einem Bild oder anderem.“
Schnell entfaltete dieser Aufruf gleich in den ersten Tagen der Corona-Krise nachhaltige Wirkung: Viele Menschen beteiligten sich, oft ganz individuell und auf einzigartige Weise. So findet man am Zaun der Lutherkirche jetzt zum Beispiel folgende, handgeschriebene Zeilen einer Oberhausenerin: „Ich bin eine alte Frau; ich war fünf Jahre alt, als der Zweite Weltkrieg ausbrach und habe mit viel Arbeit und Kraft mein Leben gemeistert. Meine Generation hat Deutschland zum Wohlstand gebracht, bitte lasst uns jetzt wieder so anfangen.“ Nicht weit davon entfernt blickt man auf ein Mut machendes Shakespeare-Zitat, das jemand an Ulrike Burkardt geschickt hat, die es wetterfest einlaminiert und dort angebracht hat: „Fasst frischen Mut! So lang ist keine Nacht, dass endlich nicht der helle Morgen lacht.“
Eine Aktion mit viel Herz
Zu Ostern bot der Zaun an der Lutherkirche kleine Präsente für die Gläubigen und Passanten.
In den Mini-Schachteln befanden sich eine Samenmischung und ein Stückchen Schokolade.
Zu Gründonnerstag wurden symbolisch kleine Brote verteilt.
Grüße aus dem Haus Marienburg oder aus dem Familienzentrum der Markus-Kirchengemeinde schmücken den Zaun. An einer Stelle sind sogar bunte Blütenblätter aus Papier zu sehen. „Wir laden jetzt dazu ein, den Zaun ,blühen’ zu lassen“, erklärt Ulrike Burkardt. Stifte und Papier sind vor Ort parat; Passanten können spontan ihre Träume und Hoffnungen notieren und die Blüten bunt ausmalen. Jemand hat auf eine dieser Blüten geschrieben: „Wenn wir zusammenhalten, schaffen wir das!“
Zwei Mal erklang zum „Zaungeflüster“ sogar Live-Musik: Das Duo Janina & Jonathan zeigte hier sein Können mit Gitarrenklängen und Gesang. Die beiden Musiker standen im Innenhof, das Publikum lauschte von außerhalb des Geländes – also von der anderen Seite des Zaunes – und spendete reichlich Applaus. Dazu passt eigentlich wunderbar eine weitere Notiz, die nun am Zaun zu lesen ist: „Jeder Tag hat sein Licht und seine Schatten. Wichtig ist es, die kleinen Glücksmomente wahrzunehmen, die uns geschenkt werden.“
In einen eigenen Briefkasten am Zaun kann sogar Post an die Bewohnerinnen und Bewohner der nahen Senioreneinrichtungen Haus Marienburg und des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) eingeworfen werden: „Sicher freuen sie sich über einen Gruß von uns!“ Ganz bestimmt.