Oberhausen. Keine Trauerfeiern, zu wenig Schutzkleidung, Beratung hinter Plexiglas: Das Coronavirus erschwert die Arbeit der Bestatter in Oberhausen.

Wir alle spüren es jeden Tag: Die Corona-Krise macht das Leben schwieriger. Doch sie erschwert auch das dunkelste Kapitel, den Tod. Auch die Bestatter in Oberhausen leiden darunter.

Bereits seit einigen Wochen gelten spezielle Corona-Richtlinien im gesamten Oberhausener Stadtgebiet. So sind Trauerfeiern bis auf Weiteres ausgesetzt, auch der Abschied von den Verstorbenen darf nur noch am geschlossenen Sarg stattfinden. Auch für die ehrenamtlichen Sargträger gelten die Sicherheits-Richtlinien, trotzdem gibt es noch geführte Grabgänge. Außerdem dürfen nur noch maximal zehn Trauergäste an einer Beerdigung teilnehmen - und auch hier gilt der Sicherheitsabstand von zwei Metern.

Bestatter in Oberhausen müssen Kontakt zu Trauernden einschränken

Doch mit diesen Maßnahmen hört es nicht auf. Auch die Bestatter müssen sich schützen und die sonst so wichtige Trauerbegleitung reduzieren. Das ist emotional und logistisch nicht einfach: So sind sie dazu gezwungen, den Kontakt zu den Trauernden stark einzuschränken.

"Für Angehörige ist dieser Zustand eine Katastrophe", erklärt Bestatter Bernhard Flack, dessen Unternehmen sich an der Alleestraße befindet. "Auch für unsere Mitarbeiter ist es schwierig. Wir haben ja ein Gespür für Menschen und umarmen Trauernde auch gerne einmal, wenn sie es brauchen. Das ist jetzt natürlich unmöglich. Selbst der kleinste Trost, den wir gern spenden würden, ist nicht mehr machbar. Eine extreme Situation."

Plexiglasscheibe zwischen Bestatter und Angehörigen

Die Regeln während der Corona-Zeit sind klar definiert: Händeschütteln ist tabu, es finden keine Hausbesuche oder Beratungen außerhalb der Büroräume statt. Auch das Gespräch selbst ist ein einziger Ausnahmezustand: "Um meine Mitarbeiter zu schützen, haben wir eine Plexiglasscheibe zwischen Personal und Trauerndem angebracht. Eine wirkliche Trauerbegleitung ist das nicht mehr."

Nur ein einziger Angehöriger darf zum Gespräch vor Ort kommen, weitere Familienmitglieder können nur via Video-Chat zugeschaltet werden. "Eine Beerdigung ist eine schwere Entscheidung, das möchten die wenigsten ganz alleine machen", erklärt Flack. Schwer fällt ihm vor allem die "technische Abfertigung" der Beerdigungen, das Trauer-Ritual ist eingeschränkt.

Trotzdem bemühen sich die Pfarrer, der Trauer und dem Gedenken Raum zu geben. Auch wenn die Trauerhallen und Kapellen geschlossen sind: Die Trauer-Ansprache bei der Beerdigung findet davor, auf einem Platz auf dem Friedhof oder am Grab statt und auch Gebete und der Segen werden gesprochen.

Ohne Trauerarbeit drohen psychische Schäden

Dennoch ist sich der Bestatter sicher, dass "dieses Prozedere psychische Wunden hinterlassen wird", schließlich könne man keine echte Trauerarbeit leisten: "Die Angehörigen können ja danach nicht einmal mehr eine richtige Trauerfeier in einer Gaststätte abhalten." Der Wegfall dieser Rituale trifft auch die Bestatter. "Wir möchten den Trauernden eine Hilfe sein, das ist momentan kaum noch möglich."

Alle Bestatter erhielten zusätzliche Richtlinien, wie Corona-Tote zu bestatten sind: Bestimmte Desinfektionsmittel verwenden, Mund-Nasen-Schutz für den Bestatter und den Toten. So soll Aerosolen entgegengewirkt werden, die noch ausgestoßen werden könnten. Nachdem der Verstorbene einbalsamiert worden ist, muss er außerdem großflächig desinfiziert werden.

Enttäuschung bei Trauernden groß - Bestatter sind bedrückt

Auch die Beratungsgespräche beim Bestattungsunternehmen Brauckmann, das vier Filialen in Oberhausen hat, finden hinter Plexiglasscheiben statt. "Ganz ehrlich: Das macht etwas mit einem", sagt Geschäftsführer Peter Brauckmann. Mit seinem Bruder Heiner musste er in den letzten Wochen schwierige Entscheidungen treffen. "Nach und nach mussten wir immer mehr Dienstleistungen einstampfen. Diese Enttäuschung in den Gesichtern der Menschen zu sehen, sie nicht einmal in den Arm nehmen zu können, das tut wirklich weh."

Die Trauergespräche der letzten Wochen sitzen den beiden Bestattern in den Knochen. Sie erzählen von Frauen, die ihre im Sterben liegende Mutter zwei Wochen vor ihrem Tod nicht mehr besuchen durften - und denen sie dann mitteilen mussten, dass eine offene Aufbahrung nicht erlaubt ist. Der letzte Abschied fiel aus.

Fotos der verstorbenen Mutter als letzter Abschied

Alles, was das Unternehmen ihnen anbieten konnte, waren Fotos, die unter den bestmöglichen Umständen vom Bestatter gemacht wurden. "Natürlich sind wir Profis", ergänzt Heiner Brauckmann, "aber auch wir müssen momentan oft schlucken. Dieser Beruf ist nicht der Einfachste, aber unter diesen Umständen wird das alles noch viel schwerer. Man liegt manchmal abends im Bett und kann nicht einschlafen."

Und dann ist da auch noch die Angst. "Wir fürchten uns nicht vor der Krankheit", betont Brauckmann. "Wir arbeiten seit Jahrzehnten mit HIV oder MRSA. Uns geht es darum, dass viele Menschen nicht nur an Corona, sondern auch mit Corona sterben - und das unbemerkt. Wir wissen momentan nie, welche Gefahr noch von den Verstorbenen ausgeht."

Bestattern fehlt Schutzausrüstung - "nicht systemrelevant"

Doch auch der nüchterne Teil der Arbeit gestaltet sich schwieriger als sonst. "Bestatter haben keinen guten Ruf, das wissen wir ja schon lange", meint Peter Brauckmann. "Aber jetzt an der Wursttheke bei Edeka Sprüche zu hören wie 'Corona ist die Konjunktur der Bestatter' - da fehlen mir die Worte." Dieser Mangel an Wertschätzung spiegelt sich nicht nur im Alltag wieder. "Während andere Bundesländer jetzt relativ fix sind, hat NRW unseren Beruf noch immer nicht als systemrelevant eingestuft. Das macht es nur noch schwieriger, Materialien zu beschaffen." Denn die so wichtigen Arbeitswerkzeuge wie Schutzanzüge, Desinfektionsmittel, Schutzbrillen oder Atemmasken sind kaum zu bekommen - auch für Menschen, die mit dem Tod arbeiten.

Bestatter werden kreativ: "Portable Miniorgel am Grab"

Dieses Problem kennt auch Daniel Kabuth. Er führt das Bestattungsinstitut Rademacher. Auch Kabuth setzt die Schutzmaßnahmen um, gearbeitet wird im Schichtdienst, Team-Absprachen gibt es nur noch per Video-Chat. Wie andere Bestatter ist man um alternative Lösungen bemüht: "Wir haben gemerkt, dass es für jede zwangsweise Veränderung auch eine gute Lösung gibt. Trauer ist im Hier und im Jetzt und fängt nicht erst auf Knopfdruck nach den Sommerferien wieder an."

So sind die Bestatter kreativ, um einen einigermaßen würdigen Abschied gewährleisten zu können. "Ein Foto, individuelle Deko und auch Stühle mit dem nötigen Abstand können am Grab stehen", meint Kabuth. "Das ist nicht beschränkt auf eine Halle. Unser Organist wurde sofort umfunktioniert. Wahlweise spielt er nun Musikwünsche vom Band ein, aber auch eine portable Miniorgel ist da möglich." Auch im Tod ist das Coronavirus eine Ausnahmesituation, die es zu bewältigen gilt.