Oberhausen. Lichtkünstlerin Simone Kamm startet einen „Engelbotenservice“ vor allem für vereinsamte und verängstigte Menschen in Seniorenheimen.
Lichtkunst ist ihr Metier. Skulpturen aus selbstgeschöpftem Papier lässt Simone Kamm strahlen – vielleicht am beeindruckendsten in jenem großen Gemeinschaftswerk, das seit zweieinhalb Jahren vor dem Ratssaal im Treppenhaus schwebt: „Freiheit leuchtet“, der imposante Engel mit vielen Inschriften von Kinderhand, wurde jetzt zum Vorbild für viele kleinere Kreationen, die in diesen Wochen der Corona-Krise den Bedürftigsten die Angst nehmen sollen.
Während der Arbeit an der Gemeinschaftsskulptur „Freiheit leuchtet“ hatte die 52-jährige Künstlerin zahlreiche Kontakte zu sozialen Einrichtungen ihrer Stadt geknüpft – und weiß daher genau, dass die Pflicht zum „Social Distancing“ für alte Menschen, ganz besonders, wenn sie an Demenz erkrankt sind, „ganz schrecklich“ ist: „Man muss zusehen, wie sie abbauen.“ Simone Kamm sagte sich: Wenn schon keine Besuche erlaubt sind, könnte man zumindest kleine Liebes- und Trostgaben verschicken.
„Auweia, da rollt ‘was auf uns zu!“
So entstand ihr „Engelbotenservice“ – und zwar mit weiter Voraussicht. Acht verschiedene Skulpturen zu entwickeln, sich mit Material einzudecken und einen Online-Shop für die neuen Kreationen aufzubauen – das brauchte mehr als einen Monat Vorlauf. Simone Kamm wurde schon früh im Jahr deutlich, als sie die Nachrichten-Bilder aus China sah: „Auweia, da rollt ‘was auf uns zu!“ Für sie selbst als Künstlerin werde die erzwungene Isolation problematisch – aber viel mehr noch für Ältere, die sich die Situation nicht mehr erklären können.
Die Tröster und Beschützer aus dem vermeintlich „unedlen“ Material Spargelschalen – Simone Kamms bevorzugter Rohstoff fürs selbstgeschöpfte Papier – stattet sie mit Halbedelsteinen aus. Türkis und Turmalin, Achat und Karneol sind ja in vielen Kulturen seit alten Zeiten mit besonderer Bedeutung aufgeladen. Und so trägt Kamms „Engel der Gelassenheit“ stets Amethyst und Citrin, ihr „Engel der Wertschätzung“ Goldfluss und Mondstein.
Jeder Engel ist ein Unikat von Künstlerinnenhand
Jeder handgearbeitete Engel aus dem Atelier von Simone Kamm kostet 29 Euro. Auf ihrer Homepage simone-kamm.de sind der „Engelbotenservice“ und die acht Designs samt ihrer „energetisierten“ Ausstattung mit Halbedelsteinen in Text und Bildern beschrieben.
Ihr Atelier in Sterkrade „wäre groß genug für Mithelfer“, meint Simone Kamm. Doch sie hat an diese Arbeiten den Anspruch, Unikate aus Künstlerinnenhand abzugeben. Hier Papier zu schöpfen und schöpferisch zu arbeiten, nennt sie „Luxus“.
Die geflügelte Engelsgestalt versteht Simone Kamm ausdrücklich nicht als allein christliches Symbol: „Er ist in allen Religionen die Verbindung zum Guten.“ Auch darum war der drei Meter mächtige Engel von „Freiheit leuchtet“ für die beteiligten muslimischen Kinder sofort ein akzeptiertes, kraftvolles Zeichen.
Die eigentliche Atelier-Arbeit an dessen kleinen Gegenstücken hat gerade erst begonnen – und schon ist ein ganzer Schwung Bestellungen in der Sterkrader Engelwerkstatt eingetroffen. „Es kann losgehen“, sagt Simone Kamm. „Für mich ist es ein Luxus, hier etwas tun zu können – von mir aus von morgens bis abends“.
Bestellung mit einer persönlichen Botschaft begleiten
Nein, das empfinde sie keineswegs als Fließbandarbeit – selbst wenn die Bestellungen weiter in Fülle kommen sollten. Zwar habe sie „nur“ acht Designs aufgelegt, erklärt die Künstlerin, „aber jeder Engel ist ein Unikat, entstanden in Handarbeit, und immer einen Tacken unterschiedlich“. Das Gleiche gelte für die von der Natur geschaffenen Edelsteine. Von ihren Kunden wünscht sich Simone Kamm, dass sie ihre Bestellung jeweils mit einer persönlichen Botschaft begleiten – auch für jene alten Menschen, die ohne nahe Angehörige diese Wochen in Einsamkeit erleben müssen.