Oberhausen. Oft sind es Inszenierungen auf kleinen Bühnen, die der Zuschauer hautnah erleben kann. So war es auch bei einer Aufführung im Theater Oberhausen.
Oft sind es Inszenierungen auf sehr kleinen Bühnen, die Theaterkunst hautnah präsentieren und dadurch umso mehr bewegen und in Erinnerung bleiben. „Die Geschichte eines Hundes“, eine Kurzgeschichte von Mark Twain, die die Schauspielerin Lucia Peraza Rios in ihrer Solo-Darbietung höchst eindrucksvoll zum Leben erweckt, ist ein Beispiel dafür. Als Gastspiel des Oberhausener Theaters in der Kategorie „Späti“ im „Pool“ aufgeführt, zog die Vorstellung ein leider nur kleines Publikum in ihren Bann.
Das kurze und doch sehr bewegte „Hundeleben“ dient in Twains Geschichte als Anklage gegen Ausbeutung und Unterdrückung von Menschen, die ihre Chancenlosigkeit selbst als unveränderbares Schicksal hinnehmen aus dem es kein Entrinnen gibt. Diese Einstellung wird von Generation zu Generation weitergegeben, in der Geschichte von Mutter Hündin an die Tochter.
Ohne Anklage und Wertung
Mangelnde Bildung verhindert ein Aufbegehren, zumal kleine Zugeständnisse der Herrschenden an die von ihnen Gebeutelten dankbar angenommen werden und das „Hundeleben“ scheinbar erträglich machen. Eine Thematik, die heute noch ebenso aktuell ist wie zu Twains Lebzeiten.
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Vor Augen führt die Inszenierung des Solo-Stücks, die Regisseur Rosario Tedesco speziell für und mit Lucia Peraza Rios erschuf, das Thema ebenso eindringlich wie Twains Geschichte – und allein durch die nüchterne Schilderung durch die Hündin ohne Anklage und Wertung. Die vollzieht der Zuschauer selbst.
Gekonnte Gestik und Mimik
Die Akteurin bleibt optisch Mensch, schwarz gekleidet betritt sie aus dem Zuschauerraum heraus die in Schwarz gehaltene Bühne und stellt sich vor als Tochter eines Bernhardiners und eines Collies. Sofort gelingt es ihr durch enorme Bühnenpräsenz, durch gekonnte Gestik und Mimik, Variationen der Stimmlage und Spiel-Intensität, die Zuschauer mit in den ersten Akt ihres Lebens hineinzuziehen. Dieser schildert humorvoll die Beziehung zu ihrer Mutter, deren Masche sie ein bisschen durchschaut, jedoch weniger ablehnt als bewundert und die ihr im weiteren Leben als Vorbild dienen wird, das mit der Trennung von ihr beginnt.
Twain kritisiert alltäglichen Rassismus
Mark Twain (1835-1910) ist vor allem als Autor der Bücher über die Abenteuer von Tom Sawyer und Huckleberry Finn bekannt. Er war ein Vertreter des Literatur-Genres „amerikanischer Realismus“ und ist besonders wegen seiner von genauen Beobachtungen des sozialen Verhaltens geprägten Erzählungen sowie aufgrund seiner scharfzüngigen Kritik an der amerikanischen Gesellschaft berühmt.
In seinen Werken kritisiert er den alltäglichen Rassismus, Heuchelei und Verlogenheit der herrschenden Klasse.
Die Hündin Aileen ist nun Haushund und Eigentum einer wohlhabenden Familie. Es beginnt eine zunächst angenehme Episode im Hundeleben. Optisch untermalt wird die Veränderung durch ein schwarzes Tuch, das zunächst zum Umhang und später, als Aileen selbst Mutter eines Welpen ist, zum Kleid mutiert.
Welpe stirbt im Versuchslabor
So wie sie die schönen Momente ihres Lebens geradezu schwärmerisch zu verkörpern versteht, so ist Lucia Peraza Rios als Hündin Aileen im folgenden Teil des Geschehens in der Lage, Angst, Leiden und Schrecken zu verkörpern. Sie kann echte Tränen hervorbringen und im nächsten Moment, als alles wieder gut zu sein scheint, den Nasen-Schnodder beiseite wischen und zufrieden strahlen.
Am Ende wird ihr Welpe im Versuchslabor des Hausherren getötet und nur der Diener versteht das unendliche Leid der Hündin. Der Zuschauer auch. Er hat nicht nur mit der Hündin gelitten, sondern auch geliebt und gelebt, kleine Freuden mit ihr geteilt und ihren Wortwitz genossen, weshalb sich die Geschichte letztlich doch gut verdauen lässt. Viel Beifall.