Oberhausen. Für den Vergleich im Streit um zu hohe Stickoxidwerte auf der Mülheimer Straße hat Oberhausen ein dickes Maßnahmenpaket für Autofahrer geschnürt.
Fahrer der einst so beliebten Dieselautos können aufatmen: Sie können auch künftig ungehindert durch Oberhausen fahren. Durch einen vor dem Oberverwaltungsgericht Münster am Freitag geschlossenen Vergleich mit der Deutschen Umwelthilfe sind die angedrohten Fahrverbote verhindert worden. Doch dafür kommen nach Darstellung der Stadt Oberhausen andere Maßnahmen für den fließenden Verkehr zum Zuge, die die Luft an der Mülheimer Straße sauberer machen sollen.
Stickoxid-Wert nur noch leicht überschritten
Seit vielen Jahren überschreitet Oberhausen an der Messstation des Landesumweltamtes an der Mülheimer Straße den EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickoxide pro Kubikmeter: 2019 ist er immerhin auf nur noch 43 Mikrogramm gesunken. 2018 lag er noch bei 46 Mikrogramm, 2017 bei 49 Mikrogramm. Vor 2016 lagen die Jahresmittelwerte der Stickstoffdioxid-Konzentration noch ständig bei über 50 μg/m³.
Nun besteht die Deutsche Umwelthilfe weiterhin darauf, dass der Wert im Laufe dieses Jahres sinkt: Die Stadt Oberhausen hat in dem zur Mittagszeit am Freitag öffentlich verkündeten Vergleich versprochen, den Stickoxid-Wert bis September 2020 auf den Grenzwert von 40 Mikrogramm abzusenken. Das soll nach Berechnung der Stadt bis Herbst mit Maßnahmen erreicht werden, die für normale Autofahrer keine wesentlichen Einschnitte bedeuten würden. Das sieht allerdings anders aus, wenn der Zielwert im Herbst verfehlt werden würde.
„Wir sind ganz zufrieden mit dem erzielten Kompromiss, wir freuen uns, dass wir Fahrverbote vermeiden konnten – und auch andere Maßnahmen wie Umweltspuren oder Tempo 30, die der Bevölkerung schwer zu vermitteln gewesen wären“, sagte Oberbürgermeister Daniel Schranz der Redaktion.
Nach Darstellung der zuständigen Umweltdezernentin Sabine Lauxen soll vor allem das Lkw-Durchfahrverbot auf der Mülheimer Straße, das seit 1. Januar 2020 Rund-um-die-Uhr gilt, für das kleine Wunder geringerer und damit gesetzlich erlaubter Luftverschmutzung sorgen. „Alleine mit dem Lkw-Durchfahrverbot erwarten wir, dass der Stickstoffdioxid-Wert um einen bis 1,5 Mikrogramm reduziert wird.“
Mehr Kontrollen von Lastwagen
Dazu wird die Stadt die Kontrollen des Laster-Durchfahrverbots intensivieren: Mit dem Kauf eines zweiten semi-stationären Blitzers können zeitgleich beide Fahrtrichtungen überwacht werden. Immerhin wurden schon 2019 gegen fast 1000 Lkw-Fahrer Verfahren eingeleitet, weil sie das damals geltende stundenweise Durchfahrtverbot nicht beachtet hatten. Von 1. Januar bis Mitte Februar 2020 sind durch verstärkte Kontrollen bereits 240 neue Verfahren angestoßen worden. Die Umwelthilfe erhält halbjährlich die aktuellen Kontrollzahlen – als Nachweis, dass die Stadt hier wirklich handelt.
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Der Vergleich sieht außerdem vor, dass die Stadt durch neue digitale Hinweisschilder rund ums Centro Alternativen zur Mülheimer Straße empfiehlt und alle Feuerwehr-Autos digitalisiert ausrüstet.
Stadtspitze erleichtert über Umwelthilfe-Kompromiss
Die Oberhausener Stadtspitze zeigt sich mit dem nun vereinbarten Vergleich zwischen Land, Umwelthilfe und Kommune äußerst zufrieden, da aus Sicht der Autofahrer stark einschränkende Maßnahmen für den Verkehr zunächst vermieden werden konnten.
Umweltdezernentin Sabine Lauxen lobt die Verhandlungsgespräche mit der Umwelthilfe: „Die Umwelthilfe agiert sehr professionell, gar nicht agitatorisch und provozierend.“ Ihr Fazit: „Wir haben eine gute Lösung erzielt und werden die vereinbarten Maßnahmen konsequent umsetzen. Wir sind überzeugt, dass wir damit den Grenzwert von 40 Mikrogramm erreichen werden.“
Ein Vorschlag der Umwelthilfe, die Parkgebühren noch einmal in der Innenstadt zu erhöhen, konnte mit dem Hinweis auf die Verdoppelung der alten Parktarife noch einmal abgewendet werden. Derzeit stehen auf der Mülheimer Straße den Autofahrern keine kostenlosen Parkplätze mehr zur Verfügung.
Die ständigen Rotphasen auf der Mülheimer Straße, ausgelöst durch die von der Brücktorstraße herausfahrenden Feuerwehr- und Kranken-Einsatzwagen, sollen durch das neue Digital-Verfahren drastisch verkürzt werden. Dabei schalten nicht mehr die Feuerwehrkräfte in der Hauptwache die Ampeln auf Rot oder Grün, sondern die Wagen selbst, so dass diese nach der Durchfahrt sofort die Lichtzeichenanlagen auf Grün schalten. Weniger Stau auf der Mülheimer bedeutet weniger Luftverschmutzung.
Drittens haben die Stadttöchter Stoag, die Wirtschaftsbetriebe Oberhausen (WBO) und die Energieversorgung Oberhausen (EVO) versprochen, auch ihre älteren Diesel-Omnibusse, -Müllfahrzeuge und Laster nachzurüsten, die noch nicht die Euro-6-Norm erfüllen. Das soll durch Fördermittel von bis zu 95 Prozent aus Steuergeldern des Landes und des Bundes bezahlt werden.
Mehr Fahrradwege auf Straßen
Viertens hat die Stadt zugesagt, mehr Fahrradwege auf Straßen einzurichten wie auf der Teutoburger Straße, um den Verkehrsraum für Autos zu reduzieren: Vorteile für Radler, Nachteile für diejenigen, die das luftbelastende Auto benutzen.
Stadtoberhaupt Daniel Schranz, Umweltdezernentin Sabine Lauxen und das Landesumweltamt sind überzeugt davon, mit diesen Maßnahmen den erforderlichen Stickoxid-Wert einhalten zu können. Sollte dies im Herbst 2020 nach Messungen allerdings nicht der Fall sein, so ist in dem Vergleich schon vereinbart, dass Oberhausen härtere Geschütze auffahren muss.
Umweltspur oder Tempo 30 auf der Mülheimer könnte doch noch kommen
Beschlossen ist demnach, dass die Stadt für die Mülheimer Straße in diesem unerwarteten Fall ab 1. November 2020 eine Variante von vier möglichen auswählen muss: Entweder Tempo 30 auf der ganzen Strecke, die Fahrspuren von vier auf drei reduzieren, zwei Umweltspuren auf der Mülheimer einführen nur für Busse, Taxen und Radfahrer oder aber mit Pförtnerampeln im Norden und im Süden so viel Verkehr zurückhalten, dass zehn Prozent weniger Autos auf der Mülheimer Straße entlang fahren als bisher. Damit ist klar: Im Wahlkampf für die Kommunalwahl am 13. September 2020 wird die Diskussion über zu starke oder schwache Regularien gegenüber Autofahrern fortgesetzt.