Oberhausen. Alle Kliniken hatten sich abgemeldet: Die Fahrt mit dem Rettungswagen dauerte eine Stunde. Wir haken nach: Wie steht es um den Rettungsdienst?

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen als Notfall mit einem Schlaganfall im Rettungswagen und der steuert das nächstgelegene Krankenhaus an. Doch unterwegs heißt es plötzlich: „Belegt. Wir müssen zur nächsten Klinik.“ Leider meldet sich auch die wenig später ab.

Erst nach einer Stunde wurde die Oberhausenerin, die anonym bleiben will, behandelt. Sie hatte einen (kleinen) Schlaganfall. Trotz der langen Anfahrtszeit ist sie ohne bleibende Schäden davon gekommen. Passiert ist dieser Vorfall aber nicht in Oberhausen, sondern bei einem Besuch bei Freunden „auf dem Land“. Für uns dennoch Grund genug, uns zu erkundigen: „Könnte so etwas in unserer Stadt passieren?“

Die Anfahrtszeiten für Notfälle haben sich vor allem in den Randbezirken verlängert

Fakt ist: Die Oberhausener Feuerwehr meldete einmal mehr für 2019 gestiegene Einsatzzahlen: 21.917-mal fuhr der Rettungswagen raus, 2018 waren es noch 21.416 Einsatzfahrten. Auch die Oberhausener werden halt immer älter. Dazu kommen: Mehr Verkehr, Stau, zugeparkte Straßen, Baustellen.

Die Anfahrtszeiten für Notfälle haben sich vor allem in den Randbezirken der Stadt deutlich verlängert. Dazu kommt: Immer wieder schließen Kliniken aus Kapazitätsmangel die Türen. So berichtete die WAZ erst Anfang Januar, dass in Bottrop Notfälle genau aus diesem Grund oft in die Nachbarstädte gebracht werden mussten.

Bis zu 100 Notfall-Patienten täglich im St.-Clemens-Hospital

Die Zentrale Notaufnahme am St.-Clemens-Hospital wird vom Rettungsdienst aus Oberhausen, aber auch aus den umliegenden Städten angefahren.
Die Zentrale Notaufnahme am St.-Clemens-Hospital wird vom Rettungsdienst aus Oberhausen, aber auch aus den umliegenden Städten angefahren. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Besonders hoch ist der Andrang in der Notfallversorgung des Katholischen Klinikums Oberhausen. „In den Jahren 2018 und 2019 wurden bei uns insgesamt rund 80.000 Notfallpatienten behandelt“, sagt KKO-Sprecherin Annette Kary. Die Zentrale Notaufnahme am St.-Clemens-Hospital werde vom Rettungsdienst aus Oberhausen, aber auch aus den umliegenden Städten angefahren.

Bis zu 100 Patienten mit akuten Verletzungen oder Erkrankungen würden täglich behandelt. „Abgewiesen wird niemand“, versichert Kary. Ab und an aber sei krankheitsbedingt eine Weiterverlegung in Partnerkrankenhäuser notwendig.

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Durch den Umzug der Klinik für Neurologie mit Stroke Unit vom Standort St.-Josef-Hospital in das St.-Clemens-Hospital sei in Sterkrade der Bedarf noch einmal gestiegen. „Das können wir aber gut abdecken, da die Mitarbeiter der jeweiligen Stationen ebenfalls ins St. Clemens wechselten.“

Meldungen laufen für alle gut sichtbar über das Onlineportal IG NRW

In der Zentralen Notaufnahme der Helios St.-Elisabeth-Klinik Oberhausen wurden 2018 rund 20.000 Patienten behandelt, 2019 waren es bereits 21.500. „Zwei Drittel davon kommen aus Oberhausen“, erläutert Helios-Sprecherin Christina Fuhrmann. Häufig würden aber auch Notfallpatienten aus Mülheim mitbehandelt, einige wenige kämen auch aus Duisburg oder Essen.

„Der Großteil sucht die Ambulanz mit Erkrankungen der Atemwege, Herzproblemen oder unfallbedingten Verletzungen auf.“ Seien die Kapazitäten der Helios-Klinik vorübergehend ausgelastet, werde dies sofort an die Leitstellen weitergegeben. „So machen das alle anderen Krankenhäuser vor Ort auch.“

Jeder Notfallpatient wird versorgt

Im Evangelischen Krankenhaus Oberhausen wurden im Jahr 2018 genau 7580 Notfälle behandelt, die stationär aufgenommen wurden. Im Jahr 2019 waren es 8883.

Auch EKO-Sprecherin Julia Mannheim betont: „In unserer Notaufnahme findet immer eine Erstversorgung der Patienten statt.“ Verlegungen erfolgten aus medizinischen Gründen, etwa „weil das EKO eine Fachdisziplin nicht vorhält“. Statistiken darüber, wie viele Notfälle mit dem Rettungswagen kamen, führt keines der Krankenhäuser in Oberhausen.

Gerade in den Randbezirken der Stadt konnte die Feuerwehr den landesweiten Richtwert von zwölf Minuten bis zum Einsatzort nicht immer einhalten (innerorts: acht Minuten).

Aber dieses Problem ist erkannt. Gegenmaßnahmen laufen auf Hochtouren.

Nach einem erfolgreichen Test im Jahr 2018 steht fest: Sowohl in Alstaden als auch in Holten werden zwei zusätzliche Rettungsstationen aufgebaut.

Der Standort in Alstaden soll möglichst zentral liegen. Das passende Grundstück fehlt aber noch. „In Holten dagegen ist sogar die Baugenehmigung schon erteilt worden“, sagt Jörg Preußner, Sprecher der Oberhausener Feuerwehr. Der Standort: „An der Schmachtendorfer Straße, in der Nähe des Holtener Bahnhofes.“

In Oberhausen nutzen alle Einrichtungen das Onlineportal IG NRW. Darauf haben auch die Leitstellen des Rettungsdienstes Zugriff. „Krankenhäuser, die sich darüber abmelden, werden von uns gar nicht mehr angefahren“, bestätigt Jörg Preußner, Sprecher der Oberhausener Feuerwehr. Allein deshalb könne es in unserer Stadt erst gar nicht zu einer solch fatalen Irrfahrt kommen.

Der Notarzt entscheidet, ob das nächste Krankenhaus angefahren wird

Der Notarzt oder Notfallsanitäter vor Ort entscheidet nach Angaben des Feuerwehr-Sprechers, ob eine Erstbehandlung im nächstgelegenen Krankenhaus (trotz mangelnder Kapazität) erforderlich ist. „Bei Lebensgefahr geht es deshalb auch immer sofort zur nächsten Klinik, das ist doch klar“, sagt Preußner. Dort werde dann die Erstbehandlung durchgeführt, bevor der Weitertransport organisiert werde.

Fazit: Wenn es um Leben und Tod geht, steht jedes Krankenhaus in Oberhausen bereit. In allen anderen Fällen greifen sich die Kliniken bei Behandlungsengpässen gegenseitig unter die Arme und Patienten müssen auch einmal längere Anfahrtswege in Kauf nehmen. Kann ein Schwerstverletzter nur in einer Fachklinik in einer der Nachbarstädte behandelt werden, fordert die Leitstelle der Feuerwehr einen Rettungshubschrauber für den Transport an.