Oberhausen. 1996 feierte die Straßenbahn in Oberhausen ihr Comeback. Ein Jahr später wurde damit begonnen, den einzigen Oldtimer zu restaurieren.
Vor fast genau 20 Jahren, am 31. Dezember 1999, erlebte er seine zweite Jungfernfahrt, der Triebwagen 25 der Stadtwerke Oberhausen GmbH (Stoag) aus dem Jahr 1900. Über zwei Jahre lang und mit einem enormen Aufwand wurde er von 1997 an instandgesetzt. Daran erinnern sich jetzt zwei Männer, die das Projekt an maßgeblicher Stelle begleitet haben: Hagen Hoffmann (49) und Martin Wiesel (54).
Was da auf einem Tieflader aus Nordhausen in Thüringen am 10. September 1997 auf den Stoag-Betriebshof an der Max-Eyth-Straße gebracht wurde, konnte man nur noch als schrottreif bezeichnen. In Thüringen hatte sich die Aufarbeitung des Fahrzeugs zerschlagen. In Oberhausen aber hatte die Straßenbahn 1996 mit der Eröffnung des Centros ein Comeback erfahren. In der Werkstatt der Stoag, mit Arbeitskräften des Zentrums für Ausbildung und Qualifikation (ZAQ) und der Sparkassen-Bürgerstiftung als Financier hatte sich ein Trio gefunden, um den Wiederaufbau zu schultern.
Luftangriff von 1943 überstanden
So unansehnlich das Restaurationsobjekt anfangs war, es ist mit der Geschichte der Straßenbahn in Oberhausen auf einzigartige Weise verbunden: Kein anderes historisches Fahrzeug hatte die Zeit bis zur Stilllegung der Straßenbahn in der Stadt überlebt. Triebwagen 25 blieb wie durch ein Wunder unversehrt, als ein Luftangriff während des Zweiten Weltkriegs, am 23. Juni 1943, den Betriebshof an der Ecke Mülheimer Straße/Danziger Straße in Schutt und Asche legte. Zu diesem Zeitpunkt diente er nur noch als Arbeitswagen.
Für die letzte Fahrt aufgepäppelt
Für eine einzige Fahrt, die letzte einer Oberhausener Straßenbahn am 13. Oktober 1968, wurde er wieder ansehnlich gemacht. Die Fenster wurden wieder freigelegt und ein elfenbeinfarbener Anstrich aufgetragen. Im Jahr darauf wurde er an das Straßenbahnmuseum in Hannover abgegeben, das ihn später an das Museum in Nordhausen weitergab.
In der Omnibus-Werkstatt an der Max-Eyth-Straße übernahm Werkstattmeister Manfred Witt, inzwischen im Ruhestand, die Aufsicht. Junge Leute, die über das ZAQ den Einstieg in den Arbeitsmarkt schaffen wollten, sollten den Großteil der Arbeiten übernehmen. „Witt zog mich für die mechanischen Arbeiten hinzu, die die ZAQ-Leute nicht allein bewältigen konnten“, berichtet Martin Wiesel. Er ist Mechaniker bei der Stoag.
Faible für Historisches
Für die Organisation des Ganzen war bald Hagen Hoffmann gefunden, eigentlich Energieanlagenelektroniker bei der Stoag, aber mit einem Faible für Historisches. Als er dem damaligen Technischen Vorstand Dierk Hans Hoefs seine Recherchen zu dem Fahrzeug vortrug, erklärte der: „Wenn Sie sich doch so gut auskennen, dann haben wir ja gleich jemanden für das Projekt.“
Mehrere tausend Arbeitsstunden standen bevor. Das stählerne Chassis musste auch an schwer zugänglichen Stellen komplett entrostet und korrosionsbeständig lackiert werden. Die tragenden Balken und Sparren des hölzernen Aufbaus mussten wiederhergestellt und angepasst werden. Triebwagen 25 war erst nachträglich in den 1920er Jahren mit einem geschlossenen Führerhaus versehen worden. Nun war die Verbindung zwischen Fahrgastraum und Fahrstand zu erneuern.
Das zweiachsige Fahrgestell wurde bei der Bremer Straßenbahn-AG überholt. „Der Rahmen blieb ebenso wie die beiden Fahrmotoren erhalten, wurde aber von innen verstärkt“, erinnert sich Hagen Hoffmann. Als Notbremse wurde eine Magnetschienenbremse nachgerüstet. Bei der Verkehrshistorischen Arbeitsgemeinschaft in Essen fanden sich Experten für die Elektroverkabelung. Für die Sicherheit im praktischen Fahrbetrieb mussten Kompromisse gemacht werden. So wurde der alte Fahrstand durch eine brandsichere Ausführung aus den 1950er Jahren ersetzt, ebenso der Stromabnehmer auf dem Dach.
Messinggießerei in Rumänien
Den Innenausbau übernahm der Omnibushersteller Ludewig in Essen. Dabei bereiteten fehlende Einzelteile noch viel Kopfzerbrechen. „Die inneren Haltestangen haben wir teilweise auf der Messe ,Boot’ in Düsseldorf besorgt“, sagt Martin Wiesel. Die Haltegriffe außen und der Scheibenwischer stammen aus dem Museum in Hannover, mussten aber erst einmal aufgearbeitet werden. Was noch an Teilen fehlte, ließ Hagen Hoffmann in einer Messinggießerei in Rumänien anfertigen. „Ich war im zweiten Jahr für das Projekt freigestellt“, erinnert er sich. Schließlich erhielt das Fahrzeug seinen Originalanstrich in grün-elfenbein.
Straßenbahnbetrieb in eigener Regie
Die Geschichte der Straßenbahn in Oberhausen begann 1897 mit der Linie von der Grenzstraße zum GHH-Werksgasthaus an der Essener Straße. Das Liniennetz wurde fortan zügig erweitert. Oberhausen war übrigens die erste Stadt in Deutschland, die ihren Straßenbahnbetrieb in eigener Regie übernahm.
Aus einer zweiten, 16 Wagen umfassenden Serie, die 1899 bei den Herstellern Herbrand in Köln (Wagenkasten) und Weyer in Düsseldorf (Fahrgestell) in Auftrag gegeben wurde, stammt Triebwagen 25. Er hat eine Länge von knapp acht Metern, wiegt 9,6 Tonnen, bietet 18 Sitz- und 17 Stehplätze und erreicht mit seinen zwei 30-PS-Motoren eine Spitze von 25 km/h. Damit konnte er auch einen Anhänger ziehen. Vor allem war er dank zweier Fahrstände im Solobetrieb problemlos in beiden Richtungen einsetzbar.
Nur sonntags einsetzbar
Zur Zeit ist Triebwagen 25 stillgelegt, steht auf dem Betriebshof in Mülheim an der Ruhr. Eines der Blattfedern-Pakete muss erneuert werden. Ohnehin kann das Fahrzeug wegen seiner geringen Geschwindigkeit nur sonntags, beim ausgedünnten Fahrplan-Takt, für Sonderfahrten eingesetzt werden. Dafür sind einige Fahrer speziell ausgebildet.
Zwei Einsätze sind aber bereits sicher: 2021 aus Anlass des 25-jährigen Jubiläums der Wiederaufnahme des Straßenbahnbetriebs in Oberhausen und ein Jahr später zum 125-jährigen Jubiläum des ersten Straßenbahnbetriebs in der Stadt.