Oberhausen. Die Ludwiggalerie hat einen „Überblicksschatz“ aus dem Oeuvre des Grafikers erworben und zeigt bis zum 19. Januar eine Kabinetts-Ausstellung.
„Der wichtigste deutsche Grafiker“, so nennt ihn Christine Vogt, die Direktorin der Ludwiggalerie, arbeitet mit geplätteten Tetrapaks und mit Blattgold, mit Furnierplatten aus dem Baumarkt und natürlich klassisch mit Stichel und Konturenmesser. In 40 Arbeiten in Formaten von klein bis imposant beeindruckt Walter Dohmens Kunst im kleinen Kabinett neben dem Museumsshop mit der Experimentierfreude eines 78-Jährigen. Und fürs Suermondt-Ludwig-Museum, eins der größeren Pendants der Oberhausener Ludwiggalerie, ließ sich der Meister einst sogar in genialischer Künstlertracht à la Dürer einkleiden.
„Meine Blätter werden erworben und wandern in Schubladen“, sagt der Dürener, klingt dabei allerdings kein bisschen melancholisch. Tatsächlich darf ja empfindliche Druckgrafik immer nur für eine gewisse Zeit ans Tageslicht, wenn sie keinen Schaden nehmen soll. Die Ludwiggalerie erwarb aus Dohmens Oeuvre einen „Überblicksschatz“, wie Christine Vogt sagt, dank des Lions Club Glückauf, der alljährlich ein Benefizkonzert in der Panoramagalerie ausrichtet. Und der Künstler selbst gab noch Schenkungen dazu.
Der Lehrbuch-Autor sieht sich als Lernenden
Walter Dohmens bereits in den 1980ern bei Dumont erschienenen Standardwerke „Die Lithographie“ und „Der Tiefdruck“ sind bis heute als Lehrbücher geschätzt. Sympathischerweise stellt der schwungvolle Erzähler sich zunächst selbst als Lernenden vor: Vor den mächtigsten Formaten der Kabinettsschau, drei farbigen Variationen eines Holzschnittes von ganz und gar malerischer Anmutung, verweist Dohmen auf die Inspiration einer norwegischen Kollegin: Nach ihrem Vorbild färbte er eine nur sechs Millimeter starke Furnierplatte auf der Rückseite ein – und erzielte so diese Wirkung wie aus der Sprühdose.
In „Dürer-Kluft“ leistete Walter Dohmen vor 15 Jahren seine Beiträge zur großen Aachener Ausstellung, die dem ersten Künstlergenie der Renaissance in Deutschland gewidmet war: „Das Suermondt-Ludwig-Museum hatte ihm eine tolle Druckwerkstatt eingerichtet“, erinnert sich Christine Vogt, die Aachenerin. So entstanden reizvolle „Paraphrasen“, wie Dohmens Variation des berühmten „Melencolia“-Stichs: Das Papier für diesen Druck hatte der Künstler eigens aus geschredderten DM-Beständen geschöpft. Einzigartig und gar nicht „Dürer“ ist die schwungvolle Linienführung: Man könnte meinen, Walter Dohmen erschaffe seine Figuren auf den Druckplatten, ohne sein Werkzeug ein einziges Mal abzusetzen. So erhalten auch Dürers „Grazien“ sowie „Adam und Eva“ neue, fließende Konturen.
Feinste japanische Papiere und Tetrapak mit brutaler Wirkung
Selbst dem Tod steht dieser Look gut: Der virtuose Grafiker variiert Max Klingers Gruselblatt „Der Pflasterer“, das den Schnitter nicht mit Sichel, sondern mit Presslufthammer zeigt. Und er setzt eine Pointe auch mal in den Bildtitel – nämlich jener vier einander überaus ähnlichen Skelette, benannt „Künstler, Kunsthistoriker, Priester, Mediziner“.
Und das Tetrapak? Dem ist der Künstler und langjährige Kunstpädagoge mit wissenschaftlicher Akribie nachgegangen, um mal „eine nontoxische Technik“ kennenzulernen, die ohne Säuren auskommt: Sechs Schichtungen sind in den üblichen Getränkepackungen verbunden, für Walter Dohmen das Ausgangsmaterial seines nachgerade brutal wirkenden Blattes „Lust zeigen“: Denn in dieser Silhouette eines Hauptes mit hochgetürmten Haaren scheinen die groben Nähte der Packungen ein schönes Gesicht zu entstellen.
Im Kleinen Schloss ist der Eintritt frei
Die Ausstellung mit dem unnötig spröden Titel „Walter Dohmen – Linien und Flächen“ ist bis zum 19. Januar 2020 im Kabinett neben dem Museumsshop zu sehen. Die Vernissage beginnt am Sonntag, 17. November, um 11 Uhr. Im Kleinen Schloss der Ludwiggalerie ist der Eintritt frei.
Einen Vortrag zu dem umfassenden Thema „Was macht eigentlich eine Museumsdirektorin und wie entsteht eine Ausstellung?“ hält Christine Vogt am Sonntag, 24. November um 16 Uhr.
Dabei geht der 78-Jährige meist ungleich nuancierter zu Werke, nutzt feinstes japanisches Papier aus Fasern des Maulbeerbaums (der auch die Seidenraupen ernährt), um das klassische Motiv der „Frau mit Reisig“ auf verschiedensten Blattstrukturen und Farben zu deklinieren. „Das ist eine Renaissance geworden“, sagt Walter Dohmen zur Beliebtheit der Japanpapiere. Ihm dürfte kein Trend der grafischen Künste entgehen.