Oberhausen. Das Fraunhofer Institut Umsicht in Oberhausen verlagert seinen Schwerpunkt fast unbemerkt auf die nützliche Anwendung des Klimakillers CO2.
Das in Umweltfragen so rührige Oberhausener Fraunhofer-Forschungsinstitut Umsicht entwickelt sich zunehmend zum Intensivlabor, das mit seinen Wissenschaftlern entscheidende Lösungen im Kampf gegen den Klima-Killer Kohlendioxid (CO2) erarbeitet. Die Umwandlung von CO2 in verwertbare Basis-Stoffe ist nach eigenen Angaben mittlerweile ein Forschungs-Schwerpunkt der hiesigen Fraunhofer-Einrichtung. „Die Zahl der CO2-Projekte hat nicht nur bei uns, sondern die Forschungsaktivitäten haben weltweit in diesem Bereich klar zugenommen“, sagt Diplom-Chemieingenieur Heiko Lohmann, Gruppenleiter für Katalytische Verfahren.
Dieser Trend zeigt also durchaus: Der öffentliche Druck, das Klima nicht nur durch Reduzierung des CO2-Ausstoßes besser zu schützen, ist mittlerweile für Politik, Wirtschaft und Wissenschaft enorm gestiegen.
Bund fördert Projekt mit 60 Millionen Euro
So investierten Bund und Thyssen-Krupp in den vergangenen Jahren rund 60 Millionen Euro, um beim Großprojekt „Carbon2Chem“ Hüttengase mit hohem CO2-Gehalt in Methanol und Ammoniak zu verwandeln – wichtige Basisstoffe für die Chemieindustrie.
Als ein Projektpartner liefert Umsicht Forschungsergebnisse aus dem neuen 500 Quadratmeter großen Labor, das erst im Frühjahr an der Osterfelder Straße 3 offiziell eröffnet wurde. Seit Juni betreibt Fraunhofer in Oberhausen an diesem Labor eine Pilotanlage zur Methanol-Produktion. Das Ziel: 20 Millionen Tonnen CO2-Emissionen der deutschen Stahlindustrie sollen wirtschaftlich nutzbar gemacht werden. Der Bund fördert das Projekt „Carbon2Chem“ mit 63 Millionen Euro.
Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen will auch das neue drei Jahre laufende Umsicht-Forschungsprojekt unter dem Namen „ElkaSyn“. Zusammen mit Siemens, Mitsubishi und den Universitäten Bochum wie Stuttgart wollen die Oberhausener einen Weg finden, aus CO2 und Wasser Alkohole zu zaubern.
Alkohole als Basis-Stoff für die Chemieindustrie
Methanol, Ethanol, Propanol und Butanol sind natürlich nicht zum Trinken, sondern dienen der Chemieindustrie als Rohstoff für stark nachgefragte Substanzen. Ethen und Propen sind Ausgangsstoffe für Kunststoffe wie Polyethylen. Methanol wird sogar als synthetischer Kraftstoff für Verbrennungsmotoren verwendet.
Über 500 Mitarbeiter beschäftigt
Das Fraunhofer Umsicht wurde im Juni 1990 mit Unterstützung der Stadt Oberhausen und der Industrie als gemeinnützige technisch-wissenschaftliche Einrichtung gegründet. Der Institutskomplex am Standort Oberhausen umfasst fünf Gebäude mit Büroflächen, Rechenzentrum, Bibliothek und einem Veranstaltungsraum. Werkstätten und Technika (3100 m²) sowie Laboratorien (1400 m²) bilden die technische Infrastruktur.
Seit 2012 hat Fraunhofer Umsicht einen Institutsteil in Sulzbach-Rosenberg nahe Nürnberg mit 100 Beschäftigten. 2018 gehörten über 500 Mitarbeiter zur Belegschaft beider Standorte - mit meist natur- und ingenieurwissenschaftlicher Ausbildung. Im Jahr 2018 erwirtschaftete das Institut einen Umsatz von mehr als 42,2 Millionen Euro.
Bisher werden diese Alkohole auf Basis von Produkten aus Kohle, Erdöl oder Erdgas hergestellt. Könnte man in einer industriellen Produktion wirtschaftlich CO2 aus der Luft oder als Industrieabgase zu Alkoholen umwandeln, dann würde man also sowohl einen klimaschädlichen Stoff beseitigen als auch fossile Rohstoffe sparen.
Doch bisher muss man bei diesem elektrochemischen Verfahren aufwändig und teuer ein zweistufiges Verfahren anwenden – erst Wasserstoff mit Ökostrom herstellen, dann den Wasserstoff mit CO2 zu den Alkoholen umwandeln. Der Nachteil: Bei der Herstellung des Zwischenprodukts Wasserstoff muss man bisher hohe Energieverluste in Kauf nehmen – und es muss anschließend erst einmal gespeichert werden.
Die Oberhausener Chemieingenieure haben nun eine Idee, wie man den Prozess abkürzen kann – sie wollen direkt in einem einzigen Verfahren mit Hilfe von Ökostrom aus Wasser und Kohlenstoffdioxid die Alkohole erzeugen. Das würde eine drastische Senkung der System- und Energiekosten bedeuten. „Wir wollen erreichen, dass wir am Ende des Projekts soweit sind, dass wir in einem Technikum dieses Verfahren praktisch anwenden und demonstrieren können“, erläutert Lohmann. Danach könnte man diese CO2-Technik real in einer Fabrik ausprobieren. Wann das jedoch praktisch Realität werden kann, ist sehr schwer abzuschätzen – Forschung halt.