Oberhausen. Bisher ist es nur wenigen Fachleuten im Oberhausener Rathaus bekannt: Amazon nutzt die Dienste des französischen Logistikers Geodis im Norden.
Von außen ist auf der schmucklosen, riesig wirkenden neuen Halle auf dem früheren Thysssen-Krupp-Gelände östlich der Autobahn A3 nichts zu sehen, auf dem Mitarbeiter-Parkplatz draußen stehen nur ein paar Autos. Nichts deutet daraufhin, dass die vom britischen Industrie-Immobilienkonzern Segro gekaufte Fläche nördlich von Lekkerland im Industriegebiet „Im Waldteich“ zum Teil für den US-Giganten Amazon benutzt wird.
Nur wenige Fachleute der Stadtverwaltung und einzelne Lokalpolitiker wissen derzeit, dass der bekannte Online-Versandhändler die Dienstleistung des französischen Logistikanbieters Geodis in Anspruch nimmt, um Waren für seine Kunden abzuwickeln. Geodis hat die notwendigen Flächen, insgesamt 40.000 Quadratmeter, von Hallenbauer Segro gemietet – Amazon ist einer von mehreren Kunden. Der Online-Händler hat nach Informationen der Redaktion allerdings aus unbekannten Gründen vertraglich Geodis verboten, mit dem Namen Amazon an die Öffentlichkeit zu gehen. Amazon selbst zeigt sich auch bei direkter Nachfrage, das Rätsel zu lösen, äußerst zurückhaltend: „Amazon ist nicht Besitzer und Betreiber der von Ihnen angefragten Logistikfläche. Wie viele andere Firmen haben wir Dienstleistungsvereinbarungen mit anderen Unternehmen. Zu den Vertragsinhalten können wir keine Angaben machen.“
Nun sorgt der Logistik-Service für Amazon allerdings für Unruhe in der Lokalpolitik. Als erster nahm im öffentlichen politischen Raum Offen-für-Bürger-Ratsherr Werner Nowak das Wort „Amazon“ in den Mund – nämlich in der Bezirksvertretung Sterkrade. Er befürchtet durch viele Amazon- oder Geodis-Transporter eine hohe Belastung der Anwohner.
„Drei neue Lagerhallen westlich der A 3 und nördlich vom Lekkerland-Logistikzentrum, davon die Hälfte durch Amazon belegt, 100 zusätzliche Kleintransporter, die womöglich nach Feierabend in der Nachbarschaft geparkt werden. Ist das schon einmal geschätzt bzw. erfasst worden?“, wollte Nowak deshalb wissen. Bei seinen Befürchtungen berief er sich auf Berichte der WAZ Duisburg, wonach eine große Anzahl von Kleintransportern, die tagsüber für Amazon unterwegs seien, in der Nähe des Duisburger Hafens alle öffentlichen Parkplätze belegen würden, weil für Fahrzeuge von Amazon-Subunternehmen im Hafen selbst kein Platz sei. Ob die Stadtverwaltung mit Amazon über solche Probleme schon gesprochen habe, wollten Nowak und seine Kollegin Carola Cremer wissen.
Ihre andere Sorge galt der Frage, ob die künftige Umgehungsstraße für Weißenstein- und Erlenstraße nicht gleich wieder an ihre Kapazitätsgrenze komme, wenn neben dem Verkehr von und zum künftigen Edeka-Zentrallager auch noch zusätzlicher Lieferverkehr aus dem benachbarten Gewerbegebiet auf der anderen Seite der Autobahn hinzukomme. Sie hatten deshalb einen Bericht zur Verkehrssituation vom Rathaus angefordert.
Die Stadtverwaltung verwies die beiden aber auf bereits veröffentlichte Verkehrsgutachten zu den Bebauungsplänen. „Das Verkehrsgutachten hat alle potenziellen Nutzungen berücksichtigt. Die neue Umgehungsstraße ab Weißensteinstraße ist für alle Verkehre ausgelegt“, erklärte Verkehrsplanerin Sabine Janclas. Ihr Kollege Thomas Perian erinnerte daran, die Gutachten seien alle öffentlich zugänglich. Auf die Frage nach Kontakten zu Amazon gingen beide nicht ein.
Rund 550.000 Quadratmeter Gewerbeflächen
Nach den vom Rat beschlossenen Bebauungsplänen handelt es sich bei dem Gelände direkt an der Weißensteinstraße, auf dem bereits Lekkerland mit seinem Logistikzentrum angesiedelt ist, um ein 79.000 Quadratmeter großes allgemeines Gewerbegebiet. Das Gelände dahinter, nördlich davon, ist 200.000 Quadratmeter groß. Davon sind 40.000 Quadratmeter als allgemeines Gewerbegebiet ausgewiesen und 160.000 Quadratmeter als Logistikfläche. Zum Vergleich: Beim Areal für das neue Edeka-Zentrallager handelt es sich um 260.000 Quadratmeter reine Logistikfläche.
Für das Lekkerland-Areal ging der beauftragte Gutachter seinerzeit von 337 Pkw-Fahrten sowie 198 Lkw-Fahrten in 24 Stunden aus, für das dahinter liegende kleinere allgemeine Gewerbegebiet von 223 Pkw-Fahrten und 24 Lkw-Fahrten. Das größere, jetzt von Amazon mitgenutzte Logistikareal, wurde auf 589 Pkw- und 1313 Lkw-Fahrten geschätzt. Beim Edeka-Zentrallager sind es 1205 Pkw-Fahrten und 1690 Lkw-Fahrten in 24 Stunden, zusammen 2895 zusätzliche Autofahrten. Insgesamt beträgt das zusätzliche Verkehrsaufkommen aus diesen vier Arealen zusammen 3225 Lkw-Fahrten und 2354 Pkw-Fahrten.
Für die neue Umgehungsstraße wurden insgesamt 9000 Fahrten berechnet, darunter 3200 Lkw-Fahrten. Dadurch ergeben sich für die östliche Weißensteinstraße und die Erlenstraße deutlich rückläufige Verkehrszahlen. Die Anschlussstelle „Holten“ der Autobahn A 3 kann den zusätzlichen Verkehr aber nur bewältigen, wenn ihre Zufahrten ausgebaut werden.