Oberhausen. Oberhausen hofft darauf, dass Bund und Land endlich eine Lösung für die Altschulden finden. Nur wenige Bürger diskutierten den Haushalt 2020.

Es sind vielleicht die trockenen Zahlen, es ist vielleicht die nüchterne Atmosphäre im größten Raum im dritten Stock der Volkshochschule, es ist vielleicht der Termin am Abend des ersten Wochenarbeitstages – nur ein Dutzend ganz normale Bürger fanden den Weg zur zweistündigen Informationsveranstaltung über den Haushaltsplan des nächsten Jahres, auf der immerhin fast alle Beigeordneten für konkrete Fragen bereitstanden.

Selbst das Aufregerthema der vergangenen Monate, die Extra-Einnahmen durch höhere Parkgebühren, lockte kaum jemanden von seinem Sofa-Sitz, um den Vorträgen von Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU) und Stadtkämmerer Apostolos Tsalastras zu lauschen – und in die Diskussion einzugreifen. Dabei ist der über 600-seitige Haushaltsplan ein offenes, allerdings schwer lesbares Buch über die Beschlüsse des Rates und ihre konkreten Folgen für Oberhausener.

Alle Taten der Stadt in einem einzigen Buch

Denn letztendlich gibt es nur wenige Handlungen der Stadtverwaltung und der Politik, die sich nicht am Ende in Ziffern im Etatbuch manifestieren. So könnte es durchaus manch heftiger Diskussion in den sozialen Internetmedien und in den Leserbriefspalten dienlich sein, wenn die Autoren – zumindest als Basis für ihre Meinung – die Fakten und Ansichten der Stadtspitze hören würden.

Oberbürgermeister Daniel Schranz sieht eine historisch einzigartige Chance, die Kommunen mit hoher Schuldenlast aufgrund des Strukturwandels deutlich zu entlasten – wenn Bund und Land die Altschulden übernehmen würden.
Oberbürgermeister Daniel Schranz sieht eine historisch einzigartige Chance, die Kommunen mit hoher Schuldenlast aufgrund des Strukturwandels deutlich zu entlasten – wenn Bund und Land die Altschulden übernehmen würden. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Trotz aller Freude über anhaltend gute Wirtschaftskonjunktur und stark gesunkene Arbeitslosenzahlen (Quote unter zehn Prozent) bleiben die Daten für Oberhausen im Vergleich zu anderen Regionen äußerst schwierig: Geringere Wirtschaftskraft (27.800 Euro BIP/Kopf, bundesweit 38.200 BIP/Kopf), geringere Kaufkraft (20.541 Euro pro Kopf, bundesweit 23.322 Euro/Kopf), höhere Unterbeschäftigung (13,5 Prozent Mülheim/Essen/Oberhausen, 5,2 Prozent in Münsterland).

Die höchsten Sozialkosten im Ruhrgebiet

„In ganz Deutschland hat das Ruhrgebiet neben einigen Orten in Ostdeutschland die höchsten Kosten für Arbeitslose und Geringverdiener. Jedes Jahr benötigen wir mehr Geld für den Sozialhaushalt, das ist eine extreme Belastung“, gibt der städtische Finanzchef an. Fast die Hälfte der städtischen Ausgaben von 820 Millionen Euro gehen also für Arme, Arbeitslose, Behinderte, Familien und Jugendliche drauf.

Rekordinvestition in Schulen, Kitas, Straßen

Trotz aller schwierigen Rahmenbedingungen will Oberhausen mit dem Haushaltsentwurf 2020 im nächsten Jahr die Rekordsumme von 110 Millionen Euro investieren – in Kitas (12,2 Millionen), in Schulen (37 Millionen) und in Straßen (14,6 Millionen).

„Da ist kein Luxus dabei, sondern wir investieren nur in das Notwendigste“, erläuterte der Oberhausener Kämmerer Apostolos Tsalastras auf der Infoveranstaltung zum Haushalt. „Wir könnten aus eigener Kraft nicht so viel investieren. Das schaffen wir nur mit Hilfe der Förderprogramme des Landes und des Bundes.“

Die Folgen liegen auf der Hand: Es steht weniger Geld für Infrastruktur und besondere Leistungen bereit, die Oberhausen als Wohnort attraktiv machen: Nur 4,4 Prozent kann der Kämmerer für Kultur und Sport ausgeben. Das sind freiwillige Ausgaben, die die Stadt in ihrem jahrzehntelangen Sparkurs schon stark eingedampft hat. Schlimmer noch: Durch den Sparkurs ist Oberhausen gezwungen, die höchsten Gewerbesteuersätze in Deutschland zu nehmen (23 Prozent über den Bundesschnitt) und einen Grundsteuer-Hebesatz, der den Bundesschnitt um 47 Prozent übersteigt.

Mit Sorge blickt die Stadtspitze auf die weltweit schwächer werdende Konjunktur – brechen hier vor Ort Steuereinnahmen weg, gehen gar die Zinsen nach oben, dann droht eine wenig erbauliche Abwärtsspirale aus Sparkurs und notgedrungen steigenden Steuersätzen.

Die eingeplanten Einnahmen im Haushaltsentwurf 2020.
Die eingeplanten Einnahmen im Haushaltsentwurf 2020. © funkegrafik nrw | Miriam Fischer

Tsalastras und Schranz appellierten an dem Abend nochmals an Bund und Land, die „einzigartige Gelegenheit zu nutzen, die Städte mit hohen Altschulden zu entlasten“. Denn die Chance komme nie mehr wieder. Derzeit verdiene der Bund bei Aufnahme von Krediten per 30-jähriger Bundesanleihe durch Negativzinsen sogar noch Geld. „Wir wären bei der Übernahme unserer Schulden immer noch nicht reich, aber wir stünden dann nicht ständig am Abgrund und hätten mehr Handlungsspielräume“, sagt Tsalastras.

Bringt die Neue Mitte Einnahmen?

Kritische Fragen gab es von den wenigen Zuhörern am Ende aber auch. Bringt die Neue Mitte überhaupt Einnahmen, weil ja durch sie die Alte Mitte geschwächt wurde? „Die Alte Mitte leidet unter der Neuen Mitte, aber unter dem Strich ist die Neue Mitte für die Gesamtstadt ein Gewinn – an Kaufkraftzuwachs von außen, an Arbeitsplätzen, an Touristen, an Steuereinnahmen“, meinen Schranz und Tsalastras. Bewegt die hohe Gewerbesteuer Betriebe nicht, hier abzuwandern? „Ja, die Gefahr ist bekannt, deshalb planen wir ein Signal, spätestens ab 2022 Gewerbe- und Grundsteuer zu senken – als Licht am Ende des Tunnels.“ Kosten die neuen Parkautomaten in Alt-Oberhausener Wohnstraßen nicht mehr als sie einbringen? Tsalastras schmunzelt ein wenig: „Seien Sie sicher, wir machen damit Gewinn.“