Oberhausen. Schlagersängerin Kerstin Ott rüstet sich für eigene Konzerte. Im Interview verrät sie, wo sie auf der Bühne schon tausend Tode gestorben ist.

Die eine, die immer lacht. Den großen Hit von Kerstin Ott kennen und lieben ihre Fans. Die Schlagersängerin aus Berlin wird bei ihrer ersten großen Tour die Düsseldorfer Mitsubishi Electric Halle (22. November) und Dortmunder Westfalenhalle (28. Dezember) ansteuern und zuvor in der Oberhausener König-Pilsener-Arena bei der „Schlagernacht des Jahres“ (Samstag, 2. November, 18 Uhr) auftreten. In unserem Interview spricht die 37-Jährige über eine Bühnensituation, bei der ihr das Lachen vergangen ist – und einen besonderen musikalischen Moment mit Kollegin Helene Fischer.

Ihr Album trägt den wunderbaren Titel „Mut zur Katastrophe“, wann haben Sie das selbst zuletzt beherzigt?

Kerstin Ott: Als ich bei „Let‘s Dance“ mitgemacht habe! Ich wusste im Vorfeld, dass mir Tanzen nicht leicht fallen wird. Ich bin aber davon ausgegangen, dass ich es mir erarbeiten kann. Wobei sich herausgestellt hat, dass es nicht so nicht. Ich wollte einfach ausprobieren, ob man aus mir einen Tanzbären machen kann.

Was war besonders schwierig?

Schwieriges Terrain: Schlagersängerin Kerstin Ott im April zusammen mit Profitänzerin Regina Luca in der RTL-Show „Let’s Dance“.
Schwieriges Terrain: Schlagersängerin Kerstin Ott im April zusammen mit Profitänzerin Regina Luca in der RTL-Show „Let’s Dance“. © dpa | Rolf Vennenbernd

Wenn man sich bei einem Tanz leidenschaftlich zeigen soll, aber gerade keine Leidenschaft fühlt, ist das nicht einfach. Das jeweilige Gefühl, das gerade gefordert wurde, konnte ich nicht abrufen.

Achtet man stärker auf die Reaktionen in einem TV-Studio, wenn man unsicher ist?

Nein, ich war in einer totalen Tunnelsituation. Ich habe mir selbst viel Druck gemacht und gar nicht mitbekommen, ob das Publikum klatscht. Die Show habe ich aus der Ferne erlebt. Nun gut, ein Tanz-Projekt würde ich mir nicht noch einmal aussuchen, sonst bin aber offen für Neues.

Was erwarten sie selbst von ihrer ersten Tournee?

Musik ist bei mir eine Bauchentscheidung, so war es schon immer. Ich bin selbst gespannt, wie sich eine eigene Tour anfühlt. Es gibt ja nun eine Band an meiner Seite und einige Gäste – ich bin sehr gespannt und freue mich riesig.

Sie haben in Ihrem Song „Liebeskummer lohnt sich doch“ einem bekannten Schlager von früher widersprochen. War das Absicht?

Nein, das ist keine Stichelei zur Aussage von früher, sondern eher aus dem eigenen Leben gegriffen. Es geht um ein eigenes Gefühl und was dahintersteckt.

Sie haben auch mit Helene Fischer ein Duett gesungen – wie kam es dazu?

Ich wurde zur Show von Helene eingeladen. An diesem Abend hat sie ja mit mehreren Künstlern ein Duett gesungen. Ich hatte das große Glück, dass sie den Song „Regenbogenfarben“ persönlich gut fand und auch die Botschaft, die dahinter steckt. Also haben wir den Song später als Single herausgebracht. Darüber bin ich sehr froh. Das hat hohe Wellen geschlagen – und es hat wirklich viel Spaß gemacht.

Wie haben Sie die Zusammenarbeit erlebt?

Helene ist super nett und sehr freundlich. Sie macht ihren Job mit einer Präzision, von der sich einige eine Scheibe abschneiden können. Ich finde es toll, dass sie alles, was sie macht, auch so gut erledigen möchte. Wenn sie Urlaub macht, macht sie Urlaub. Wenn sie arbeitet, dann arbeitet sie – das finde ich bemerkenswert.

Perfektion oder Gelassenheit, wo stehen Sie?

Ich möchte meine Sache gut machen, aber ich kann auch locker lassen – und ich nehme es mir selber nicht krumm, wenn es mal nicht läuft. Viele Wege führen nach Rom, sage ich mir dann. Wenn man mal den Text vergisst, dann ist das menschlich.

Sie kann auf der Bühne also nichts erschüttern?

Die Gitarre ist ihr Markenzeichen: Kerstin Ott sorgte dem Song „Die immer lacht“ schon bei vielen Fans für einen Ohrwurm.
Die Gitarre ist ihr Markenzeichen: Kerstin Ott sorgte dem Song „Die immer lacht“ schon bei vielen Fans für einen Ohrwurm. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Einmal war es anders, da war ich falsch gebucht und landete in einer österreichischen R‘n‘B-Diskothek. Das kam dann semi-gut an. Da standen lauter 16-Jährige vor mir, die sich umgedreht haben. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich selbst noch keine große Bühnen-Erfahrung. Als ich geschnallt hatte, dass es um Hip-Hop geht und ich gleich mit meiner Gitarre raus sollte – das war keine so tolle Situation. Denn 20 Minuten können schon seeehr lange werden. Heute kann ich darüber lachen. Abgebrochen hätte ich den Auftritt aber nur, wenn ein Barhocker geflogen wäre.

Tut es der deutschsprachigen Musik gut, dass es mittlerweile so viele unterschiedliche Stilrichtungen im Schlagergenre gibt?

Auf jeden Fall, die Genre verschwimmen ja immer mehr. Viele Schlagerkünstler funktionieren auch im Pop-Genre. Früher hat man als Teenie an die Kastelruther Spatzen gedacht und ist schreiend aus dem Haus gerannt. Heute kann man sich trauen, über Schlager zu sprechen, ohne belächelt zu werden.

Sie haben Erfahrung als Djane, was legen Sie auf?

Dafür habe ich heute kaum noch Zeit. Früher war es AC/DC, Rammstein – und viel tanzbare Musik. Ich mag auch House. Musik muss bei mir immer stark melodisch sein.

Nicht jeder kennt die Geschichte hinter „Die immer lacht“ – Ihrem bisher größten Hit...

Ich hätte es mir nicht träumen lassen, dass dieses Lied mal ein Party-Song wird. Er ist aus einer Ballade entstanden und hat ja einen ernsten Hintergrund. Es geht darin um meine Freundin, die eine schlechte Zeit durchlebt hat und diese mit niemanden geteilt hat – nur mit sich selbst. Sie hat im Freundeskreis für gute Laune gesorgt, obwohl es ihr selbst gar nicht gut ging. Das ist ein gesellschaftlich wichtiges Thema. Bei Instagram hat jeder das perfekte Leben – mit dem perfekten Urlaub und noch perfekterem Wetter. Was wirklich hinter den Fotos steckt, wissen oft wenige. Der Song ist aktueller denn je.

Stört es Sie da nicht, dass der Song nun eine Party-Hymne ist?

Ach, für mich ist das okay. Ich denke, dass die Leute sich mit der Zeit mit dem Text und der Aussage trotzdem beschäftigen. Und wenn ihnen der Song beim Feiern gefällt – warum denn nicht?