Oberhausen. Auf dem ehemaligen Babcock-Gelände in Oberhausen tut sich was. Es mausert sich zum modernen Gewerbepark. Erstmals hatten Bürger jetzt Zutritt.
„Das war ja hier lange wie eine verbotene Stadt“, sagt Phillip Mersmann, Geschäftsführer der Henley 360 Deutschland GmbH, am Samstagmittag zu jener Besuchergruppe, die zur 13-Uhr-Führung über das ehemalige Babcock-Zentralgelände an der Duisburger Straße gekommen ist. Vor vier Jahren erwarb der luxemburgisch-britische Projektentwickler dort 100.000 Quadratmeter mit allen Gebäuden und gestaltet sie seitdem erfolgreich zum Gewerbepark „Quartier 231“ um. Der Name spielt auf die Postanschrift Duisburger Straße 231 an. Erstmals präsentierte sich der neue Gewerbepark mit einem Sommerfest der Öffentlichkeit.
Babcock-Betriebsfeuerwehr in Aktion
Und dabei durfte Kinderbelustigung nicht fehlen, von Bungee-Jumping über eine Hüpfburg bis zum Wasserspritzen bei der Babcock-Betriebsfeuerwehr oder dem Mitfahren in deren Löschfahrzeug mit Blaulicht und Martinshorn. Auf der großen Wiese in der Mitte des Geländes, früher Standort des Casinos der Babcock-Konzernleitung, gab es für die Besucher Speisen, Getränke und Livemusik.
Vor allem für ehemalige Babcock-Mitarbeiter wie Herbert Müller (65) war das Fest ein willkommener Anlass, die alte Wirkungsstätte noch einmal zu sehen und Ex-Kollegen zu treffen. „Babcock war meine Heimat“, erklärte er bei der Führung. Maschinenschlosser hat er gelernt. „Ich bin direkt am Werk, an der Luisenstraße, aufgewachsen.“ Auf Schritt und Tritt war der Samstag bei ihm mit Erinnerungen verbunden. Etwa als die Besuchergruppe auf die große Brachfläche zusteuerte, auf der früher das „Hochhaus 2“ gestanden hat, in Höhe Würpembergstraße. „Das war einmal das Wahrzeichen Oberhausens“, sagte er. Henley 360 will dort bis Ende des Jahres einen repräsentativen Eingangsbereich für den Gewerbepark anlegen.
Einige Hallen noch immer in Betrieb
Die noch industriell genutzten Bereiche des Geländes waren am Samstag nicht zugänglich, die Hallen nach Norden hin, zur evangelischen Pauluskirche. „Hier werden ja bis heute große Anlagenteile von Kraftwerken gebaut“, sagte Herbert Müller. Er selbst hat die Babcock-Insolvenz gut überstanden und genau in diesem Bereich weitergearbeitet, als Maschinenbautechniker.
Aus der Babcock-Geschichte
Der US-amerikanische Dampfkesselbauer Babcock & Wilcox war 1891 nach London expandiert und von dort 1898 nach Deutschland. An der Duisburger Straße wurde die Schäfersche Dampfkesselfabrik mit 60 Beschäftigten übernommen und ausgebaut. Am Vorabend des Ersten Weltkriegs lieferte Babcock mit damals rund 1200 Mitarbeitern über ein Drittel aller in Deutschland hergestellten Wasserrohrkessel.
Spezialität waren später automatisch befeuerte, wartungsarme Dampfkesselanlagen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Babcock Deutschland zum Technologiekonzern im Maschinen- und Anlagenbau erweitert. Die Rohrfabrikation wurde 1952 nach Voerde ausgelagert. Die Belegschaft stieg weltweit bis Anfang der 1980er Jahre auf 26.000 Personen an. Dann gab es mehrere schlechte Geschäfte im Nahen Osten, von denen sich der Konzern nicht mehr richtig erholte, obwohl er noch weiter expandierte und 1991 über 35.000 Menschen beschäftigte.
2002 kam für damals noch etwa 22.000 Beschäftigte die Insolvenz. Der Konzern wurde danach zerschlagen. Die Herstellung von Kraftwerksanlagen blieb in Oberhausen, wird aber heute unter der Regie des japanischen Hitachi-Konzerns von Duisburg aus gelenkt.
Für die freie Halle B 2 hat Henley ein großes Fitnessstudio als Mieter gefunden. Im Gebäude K betreibt heute unter anderem der TÜV Weiterbildung. „Wir haben das Gebäude komplett saniert und dafür einen Mieter gefunden, der kleinteilige Einheiten darin gewerblich untervermietet“, erläuterte Phillip Mersmann. Zu Babcock-Zeiten waren darin Personalabteilung, Einkauf und Verkauf untergebracht.
Schon zu 60 Prozent belegt
„Glaspalast“ nennt Herbert Müller den letzten Neubau unter Babcock-Regie, das Gebäude C mit seinem markanten Rundbau. Damals saßen darin die Pensionskasse, Tochterfirmen und die Geschäftsfelder Heizung/Klima/Lüftung. „Das Gebäude ist voll ausgelastet“, erklärte Phillip Mersmann. Überhaupt sei der gesamte Gewerbepark schon zu 60 Prozent belegt. Angestrebt würden 85 Prozent. 15 Prozent der Gebäudeflächen seien nicht mehr nutzbar. Einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag wendet Henley für die erforderlichen Umbauten auf.
Der Rundgang führte in eine 6000 Quadratmeter große Halle, die ehemalige Kesselschmiede. Ihre Zukunft ist noch ungeklärt. Sie ist im Süden des Geländes das einzige Übrigbleibsel der Metallverarbeitung. Denn die benachbarte Gießerei ist einer Fläche für Parkplätze der Polizei gewichen, die sich im Quartier 231 eingemietet hat.
Erinnerung an rosige Babcock-Zeiten
„Hier war früher auch die Licht-Pauserei untergebracht“, erzählte Herbert Müller über Hochhaus 1. Marmor und Buntglas zeugen von den rosigen Babcock-Zeiten, als der Konzern stark expandieren konnte. Phillip Mersmann plant hier, jede der 900 Quadratmeter großen Etagen in zwei Bereiche zu unterteilen, für die noch Mieter gesucht werden. Manche Besucher sprachen ihn direkt auf entsprechendes Interesse an.
Noch nicht gelöst ist die endgültige Aufteilung der Etagen im S-Gebäude, direkt an der Duisburger Straße. Die ehemalige Kantine im ersten Obergeschoss präsentiert sich noch im Originalzustand. „Wir wollen hier im Erdgeschoss kleinteilige Lagerflächen einrichten“, sagte Mersmann. Die große Kantinenfläche selbst könnte unterteilt. Typische Ansiedlungen wären ein Foto- oder ein Yogastudio. Darüber sind Büros geplant. Der Manager ist zuversichtlich, alles in 18 Monaten umgebaut und belegt zu haben.