Oberhausen. Am Katholischen Klinikum in Oberhausen hilft ein junger Italiener Frauen bei der Geburt. Kolleginnen und Patienten schätzen sein Können.

Angelo Raffaele Correnti ist etwas in Hektik. Er muss noch schnell bei einer Geburt helfen, sagt’s und verschwindet irgendwo in den Fluren der gynäkologischen Station auf der vierten Etage des St.-Clemens-Hospitals in Sterkrade. Klingt nach einem eleganten Abgang eines Arztes, doch der 27-jährige Italiener ist Entbindungspfleger am Katholischen Klinikum. Andere sagen „männliche Hebamme“ oder „der“ Hebamme. Und so kurios das klingt, so normal ist es für den jungen Geburtshelfer.

Doch für den Reporter heißt es erst einmal, wie für viele Schwangere auch: warten bis er kommt. Kaum eine Viertelstunde später ist der junge Mann (Bart, Nerd-Brille, blauer Schlupfkasack) auch schon mit einem strahlenden Lächeln zurück. Und? Gerade ein junges Leben zur Welt gebracht? „Nein, sorry, wir mussten noch eine Mikroblutuntersuchung durchführen“, versichert Correnti und erzählt von einem filigranen Routine-Eingriff am Fötus im Mutterleib, bei dem die Sauerstoffsättigung im Blut gemessen wird. Ein Eingriff, der bei schlechten Werten durchaus zur Einleitung der Geburt führen kann. Das ist aber an diesem Nachmittag nicht notwendig.

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Ein Mann unter 18 Kolleginnen

Seit Herbst 2018 ist Angelo Raffaele Correnti am KKO tätig und unter seinen 18 Kolleginnen, nur noch was die Geschlechterbilanz angeht ein Exot. In Deutschland gibt es etwas mehr als ein Dutzend Entbindungspfleger – davon eine Handvoll in NRW. Nur sechs zählt der Deutsche Hebammenverband bundesweit unter seinen registrierten Mitgliedern. Geburtshilfe ist ein Beruf, der nach wie vor von Frauen dominiert ist. „Am Anfang waren alle neugierig, dann aber positiv überrascht“, sagt seine Chefin, die leitende Hebamme Bianca Lindermann. Das Team hat sich mittlerweile eingespielt. Viele loben Angelos Art. Er selbst bezeichnet sich als entspannten Typen, den so schnell nichts aus der Ruhe bringen kann. „Die Kolleginnen arbeiten gern mit mir zusammen.“

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Erst kürzlich, erzählt er – immer noch voller Unglauben über das Erlebte –, habe er einen Nachtdienst absolviert, der so stressig war wie lange nicht. „Alle drei Kreißsäle waren ständig belegt. Wir haben die ganze Nacht über Babys zur Welt gebracht.“ Da braucht man schon Nerven. Über die Zwillingsgeburt, die in nur drei Stunden, statt der üblichen acht bis zwölf, über die Bühne ging, gerät er ins Schwärmen. Es war ein kleines Highlight seiner bisherigen Zeit am Katholischen Klinikum. Die Empathie und Leidenschaft mit der er von seinem Job erzählt, bezeichnet er dann gleich auch als notwendige Voraussetzung für einen Geburtshelfer – egal ob männlich oder weiblich. „Einen Geschlechterunterschied gibt es in dem Beruf eigentlich nicht“, fügt er hinzu, „die Arbeit ist die gleiche.“

Drei Jahre in Italien studiert

Doch sehen das auch die Patienten so? Von den Frauen und Familien werde er in der Regel ohne Umstände akzeptiert. Vorbehalte hätten des Öfteren aber Menschen aus dem muslimischen Kulturkreis, die eine Behandlung durch ihn ablehnten. „Das sind aber meist die Männer und weniger die Frauen, die das nicht wollen“, meint Angelo Correnti. „Grundsätzlich arbeiten wir aber immer zu zweit.“

Neues Hebammengesetz ab 2020

Eine separate Ausbildung zum Entbindungspfleger gibt es eigentlich nicht. Es handelt sich um die Ausbildung zur Hebamme/Entbindungspfleger, die in der jetzigen Form mit der dreijährigen Fachschulausbildung in Deutschland seit Mitte der 80er Jahre besteht und zur Zeit der Gleichstellungsbemühungen aufkam.

Mit dem neuen Hebammengesetz lautet die Berufsbezeichnung am 2020 „Hebamme (m/w/d)“. Männer, die die Hebammenausbildung vor 2020 abgeschlossen haben, dürfen sich dann nach Angaben des Landesverbandes der Hebammen in NRW von „Entbindungspfleger“ in „Hebamme“ umbenennen lassen.

Seine Ausbildung hat der gebürtige Sizilianer in Norditalien gemacht. Drei Jahre lang hat er dort studiert. Die Entscheidung für das Studienfach fiel eher zufällig. „Ich habe nicht darauf hingearbeitet oder vorher Praktika gemacht, wie das in Deutschland üblich ist. Aber mir war klar, dass ich auf jeden Fall einen Beruf im Gesundheits- und Pflegebereich ergreifen will.“

Nachdem er das Examen in der Tasche hatte, ging es aber erst einmal nach Spanien, wo er deutsch lernte. Nach einem Jahr in einer Klinik in Freudenstadt im Schwarzwald, wechselte er im vergangenen Jahr dann ans Katholische Klinikum und zog mit seiner Freundin nach Oberhausen. Er ist der erste Entbindungspfleger im katholischen Klinikverbund.

Insgesamt geht der Trend zu mehr männlichen Hebammen bundesweit nach oben, viele kommen aus dem europäischen Ausland. Die Fachkräfte haben hin und wieder Probleme mit der Anerkennung der Abschlüsse oder der Sprache. Angelo Correnti spricht aber mittlerweile fließend deutsch auf B2-Niveau.

Bei eigener Geburt von männlicher Hebamme betreut

Und bevor Angelo schon wieder abgerufen wird, fällt ihm dann noch eine Anekdote ein: „Ich bin auch fast durch einen männliche Hebamme auf die Welt gekommen“, erzählt er. „Naja, nicht ganz, am Ende war ein Kaiserschnitt notwendig“, sagt’s, muss sich verabschieden und schon wieder los – Leben auf die Welt holen.