Oberhausen. Bei der Gutehoffnungshütte lernte Michael Krisang sein Handwerk. Im Oberhausener Kabuff jonglierte er mit Platten. Eine DJ-Legende blickt zurück.
Spekulationen über seinen Namen als Discjockey sind Käse! Nur wer ihn kennt, der weiß, warum Michael Krisang als DJ Cheesy einen so bleibenden Eindruck hinterlassen konnte.
„Das fing schon in der fünften Schulklasse an“, sagt der Mann, der seit 35 Jahren aus dem Nachtleben in Oberhausen nicht mehr wegzudenken ist. „Sitznachbarn haben angefangen mit meinem Namen zu jonglieren. Es gab damals das Shampoo Crisan. Krisang, Krischi – irgendwann war ich Cheesy!“
Plausch mit dem DJ im Old Daddy – der Ur-Knall
Dass er sich einige Jahre später an die Wortwitzeleien auf den hölzernen Bänken der Gesamtschule Osterfeld erinnert, ist für den 54 Jahre alten Platten-Profi aus Rothebusch ein Glücksfall. Zur Goldenen Zeit der Tanzflächen kramt er in Plattenkisten und experimentiert mit Tonbändern (und kennt noch den Bandsalat).
Heute hat er selbst seine CD-Sammlung eingemottet und vertraut auf die gespeicherte Zeitreise im Laptop. „Praktischer“, murmelt er und lächelt verschmitzt. Zeiten und Medien ändern sich eben. Die Hits bleiben sowieso!
Mitte der 80er-Jahre eröffnet er auf der Bergstraße in Osterfeld gegenüber der heutigen Gewo-Wohnsiedlung mit seinem DJ-Kollegen Emil den Plattenladen 28 Kubikmeter. „Das war der Rauminhalt von dem Laden!“ Zwei Jahre hielt die Vinyl-Freude, danach musste Cheesy zum Zivildienst.
„Für Musik habe ich mich eben immer interessiert“, sagt er. Bauhaus, Einstürzende Neubauten. Bevor er die Plattenteller füllt, lernt er was Anständiges, wie sie früher unkten. Stahlbauschlosser bei der Gutehoffnungshütte (GHH). Die Wege des jungen Cheesy führen mittwochs als Gast ins Old Daddy an der Sterkrader Finanzstraße, wo heute das Lito-Theater steht.
Cheesy quatscht mit dem damaligen DJ Carsten. „Er hat mir etwas gezeigt – ich durfte machen!“ Abend für Abend etwas mehr. „Dann musste er zur Bundeswehr. Und ich bekam meine Chance!“
Als Paradiesvogel an die Plattenteller in Haltern
Es ist der Ur-Knall und das Zusammentreffen mit dem späteren Turbinenhallen-Patriarchen Edgar Engel und seinen aufkommenden Diskotheken. Engel schickt ihn in seinen neuen Laden nach Haltern. Blonde Haare, durchsichtige Hemden, Schottenrock. „Ich bin im beschaulichen Haltern damals richtig aufgefallen!“ Ein Paradiesvogel hinter dem Plattenteller.
Anfang der 2000er ist in der Turbinenhalle unvermittelt Schluss: Eines morgens findet Cheesy nach einer Schicht einen Wischzettel mit seiner Kündigung auf dem Tisch. In der Schilderhalle macht er sich selbstständig und startet eigene Partys. Sieben lange Jahre. Dazu kommen Anarcho-Partys im Dinslakener Musikclub Kuka und Schichten im Delta Musikzelt. Erst spät geht es noch einmal zurück zum Lipperfeld.
DJ Cheesy kehrt mit „Tempel of Love“ zurück
DJ Cheesy legt am Freitag, 19. Juli, ab 22 Uhr im Kulttempel an der Mülheimer Straße auf. Dort startet das Warm-up für die neue Party-Reihe „Tempel of Love“. Der Name Tempel ist bewusst in deutscher Sprache geschrieben – dieses Wortspiel zielt auf die Feierlokalität. Eintritt: 3 Euro.
Künftig soll die Party am ersten und dritten Mittwoch im Monat um 20 Uhr zurückkehren. Cheesy legt Club-Klassiker aus New Wave, Electro, Post-Punk und Pop auf.
Cheesy pflegt sein zweites Hobby – Musikplakate! Seit dem ersten Konzert bei den deutschen Kraut-Rockern Novalis. „Ich habe die Plakate teilweise von den Konzertwänden abgeknibbelt!“ Die Poster helfen ihm nach der Entlassung aber auch über ein hartes Jahr – als die Kohle bedrohlich knapp wird. Cheesy trennt sich schweren Herzens von Raritäten. Unikate von Jimi Hendrix sind dabei. Damit zahlt er seine Miete.
In Bochum übernimmt er schließlich den kleinen Plakatladen Luisposter, den er heute noch als Onlinehandel weiterbetreibt. Mehrere 10.000 Poster, alles Originale, lagern unweit seiner Osterfelder Wohnung. Cheesy verschickt die Raritäten in aller Welt.
2000er-Jahre waren musikalische Resteverwertung
„Die 80er-Jahre waren innovativ, die 90er-Jahre Routine und die 2000er-Jahre Resteverwertung“, sagt Cheesy. Er spielt lieber hörbare Erinnerungen von 1977 bis 1997. Auch Hits, die bei Indie-Partys oft verpönt sind. „Tainted Love wollen die Leute einfach hören. Eine 80er-Jahre-Party ohne Depeche Mode geht auch nicht!“ Kürzlich legte er beim Revival des T-Club in der Turbinenhalle auf, kehrte zu seinen Wurzeln zurück. „Ein Knaller, irgendwie!“
Wenn kein Blatt mehr auf die Tanzfläche passt, wie bei den Old-Daddy-Partys im Kulttempel, ist der 54-Jährige in seinem Element. Auf die heutigen Popstars unter den DJs wie David Guetta blickt er nicht mit Neid. Früher war eben alles anders: Sie waren die Avantgarde!