OBERHAUSEN. . Marita Lorenz, einst Castros Geliebte mit Mordauftrag, zieht nach Oberhausen. Hier entsteht das Doku-Drama „Alles ist wahr“. Premiere im Oktober.

Nein, der Vergleich mit dem so beliebten wie etwas schlicht gestrickten Filmheroen „Forrest Gump“ sollte sicher nicht despektierlich gemeint sein. Für Babett Grube, die Hausregisseurin des Theaters Oberhausen, drängt sich dieser Vergleich mit Marita Lorenz auf, weil auch die bald 80-Jährige in ihrem Lebensweg eine schier unglaubliche Fülle welthistorischer Ereignisse kreuzte. Doch, so sagt’s schon der Titel der für den 11. Oktober angekündigten Premiere im Großen Haus: „Alles ist wahr“.

Doch das ist schnell hingeschrieben – vor allem, wenn eine Biografie derart mit den brisantesten Kapiteln der CIA-Historie verwoben ist wie jene von Marita Lorenz, der 1939 in Bremen geborenen Tochter eines deutsch-amerikanischen Ehepaares. Der Hang zu Geheimdiensten könnte ererbt sein, denn schon ihre Mutter, die Schauspielerin und Tänzerin mit dem Künstlernamen Jane Paget, wurde im Bremen der Weltkriegsjahre mehrfach wegen Spionage-Verdachts verhaftet. Weil sie bei der Befreiung von Zwangsarbeitern geholfen haben soll, kam Alice June Lorenz (so ihr eigentlicher Name) mit ihren Kindern ins Konzentrationslager Bergen-Belsen.

Als Castros Geliebte ins Havanna Hilton

In ihrer Nachkriegs-Jugend begleitete Marita Lorenz gerne die Törns ihres Vaters, der als Kapitän zur See inzwischen transatlantische Linien- und Kreuzfahrtschiffe kommandierte. So kam es 1959 an Bord der „Berlin“ im Hafen von Havanna zur Begegnung mit Fidel Castro: Der damals 33-jährige Revolutionsheld hatte gerade den Diktator Battista aus Kuba vertrieben – und ließ seine 19-jährige Geliebte ins Havanna Hilton holen, frisch requiriert als Hauptquartier der neuen Regierung.

 Marita Lorenz als 19-jährige mit ihrem 33-jährigen Geliebten Fidel Castro. Aus der TV-Doku „Lieber Fidel“.  
 Marita Lorenz als 19-jährige mit ihrem 33-jährigen Geliebten Fidel Castro. Aus der TV-Doku „Lieber Fidel“.   © SUR Films / WDR

Erst nach mehreren Monaten, einer Schwangerschaft und der erzwungenen Abtreibung im siebten Monat verließ die Deutsch-Amerikanerin ihren Geliebten. In Florida überzeugten CIA-Agenten sie zurückzukehren, um Castro zu vergiften – ein derart melodramatischer Moment, dass kein Robert Zemeckis gewagt hätte, ihn in „Forrest Gump“ unterzubringen.

Marita Lorenz’ Verbindungen zu den Exil-Kubanern brachten sie auch vor jenen von 1976 bis ‘78 tagenden Untersuchungsausschuss des US-Repräsentantenhauses, der den Ermittlungsfehlern nach den Morden an John F. Kennedy und Martin Luther King nachforschte. Laut Lorenz’ Aussage hatte Lee Harvey Oswald, der Kennedy-Mörder, zusammen mit Exil-Kubanern die Waffen an den Tatort gebracht.

„Schutzheilige aller Verschwörungstheoretiker“

Den Abgrund einander widersprechender Zeugenaussagen und Dokumente bündelte – weitere anderthalb Jahrzehnte später – die Zeitschrift „Vanity Fair“ in der Schlagzeile, Marita Lorenz sei „die Schutzheilige aller Verschwörungstheoretiker“. Damals, 1993, hatte sie, in New York lebend, ihre erste Autobiografie vorgelegt. Die Literaturzeitschrift „Kirkus Review“ nannte das Werk „die nahezu unglaublichen Abenteuer einer neuen Jane Bond“.

Der Schweizer Bühnenautor Dominik Busch jedenfalls, beauftragt mit der Arbeit an „Alles ist wahr“, darf die Heldin seines Dramas ganz in seiner Nähe wissen: Denn Marita Lorenz bereitet ihren Umzug nach Oberhausen vor. „Die Container sind gefüllt“, wie Theatersprecherin Monika Madert sagt.

Spionage im Müll ihrer Nachbarn

Als Vorgeschmack auf den wohl unwahrscheinlichsten aller Doku-Dramenstoffe – den Babett Grube „mit viel Liebe und großer Verdichtung“ inszenieren will – schreibt Dominik Busch im Programm des Theaters ausgerechnet über die scheinbar unspektakulärsten Jahre dieses Agentinnenlebens: Als Mieterin in einem Apartment-Hochhaus unweit der New Yorker UN-Zentrale klaubte Marita Lorenz nachlässig zerrissene und angesengte Papiere aus dem Müll ihrer Nachbarn vom diplomatischen Corps: Spionage ist auch kleinstteilige Puzzlearbeit.

>>> DEM DOKU-DRAMA FOLGT DER HOLLYWOOD-FILM

Von Dominik Busch läuft bereits in dieser Spielzeit ein „lateinamerikanisches“ Werk im Theater: „Das Recht des Stärkeren“, kreist um die Ausbeutung von Bergarbeitern in Kolumbien – und um die Skrupel eines Zeugen, an die Öffentlichkeit zu gehen und seine Familie zu gefährden. Für diese dichte Erzählung erntete Florian Fiedler beste Kritiken. Die nächste Aufführung ist übrigens am Sonntag, 12. Mai, um 18 Uhr im Saal 2.

Mit „Alles ist wahr – die neun Leben der Marita Lorenz“ könnte das Theater Hollywood knapp zuvorkommen. Bereits seit drei Jahren ist das Biopic „Marita“ angekündigt – mit Jennifer Lawrence in der Hauptrolle. Die 28-Jährige ist die höchstbezahlte Schauspielerin ihrer Generation.