Oberhausen. . Oberhausen profitiert vom Aufschwung der Baubranche. Doch Händler wie der „Baustoff-Mann“ liefern immer seltener in die eigene Stadt.
Sie recken ihre langen Hälse in die Luft und sind beweglich, fast grazil. Nachts aber stehen sie still und starr: Kräne beherrschen seit dem Aufschwung der Baubranche das Stadtbild Oberhausens. Allerorten wird gehämmert, gesägt und geschraubt. Doch wie gut geht es den Unternehmen wirklich und sind die Baustellen überhaupt in heimischer Hand? Wer liefert Schrauben, Nägel und Steine fürs Haus oder das renovierungsbedürftige Gebäude?
„Die Kirchturm-Politik wie in den Neunzigern gibt es so nicht mehr. Große Projekte werden europaweit ausgeschrieben und den Zuschlag bekommt meistens das Unternehmen, das am günstigsten baut“, sagt Frank Schneider, Geschäftsführer des Baustoff-Manns an der Bottroper Straße. In Oberhausen sind das häufig auswärtige Tischler, Maler, Hoch- oder Tiefbauer. „Wer auf die Schilder an den Baustellen achtet, sollte das mitbekommen.“
32 Millionen Euro Umsatz
Auf dem Hof des Baustoff-Manns wird es allmählich eng: Langsam rollt ein weißer Lkw unters Dach der Halle, doch ein paar Trockenbauer stehen ihm im Weg. Für den Transport heißt das vorerst „Stopp“. Zu zweit laden die beiden Handwerker zügig Gipskartonplatten in ihren Bulli. Frank Schneider grüßt einen Mitarbeiter auf dem Stapler, als er in den Eingang des Verkaufsgebäudes geht und erzählt ausführlich über Bauboom, Firmenpolitik und Vertrauensfragen.
Viele Handwerker von außerhalb bedeuten für seine Firma, dass Händler aus anderen Städten oder gar Ländern die Materialien nach Oberhausen verkaufen, die auch der Baustoff-Mann auf zwei Fußballfeldern Lagerfläche anbietet. „Wirklich Teil haben wir an diesen Aufträgen also nicht — höchstens mal, wenn eine Palette Kalksandstein beim Mauern fehlt“, erzählt er.
Um den Umsatz seiner Firma macht sich Frank Schneider trotzdem keine Sorgen. Denn vergangenes Jahr hat der zur Hagebau gehörende Baustoffhändler 32 Millionen Euro umgesetzt. „Unsere heimischen Handwerker kaufen bei uns, aber ihre Baustellen sind auch außerhalb.“ Eine dieser Baustellen ist derzeit die Luxuspromenade schlechthin in Düsseldorf: „Wir liefern heute Nacht das erste Mal in die Königsallee. Start ist 22 Uhr bis nachts circa 3 Uhr — das ist für uns eine Premiere.“
Sechs Lkw fahren im Winter mit dem Baustoff-Mann-Logo ihre Touren durchs Ruhrgebiet und teilweise darüber hinaus. Im Sommer kommen vier Lkw einer Spedition dazu. Das sei laut Frank Schneider an so manchem Tag nicht genug, um die Auftragsspitzen abzufangen.
Großbaustellen sind allerdings längst reines Streckengeschäft. Wo unzählige Tonnen Beton und palettenweise Steine benötigt werden, fährt der Lkw vom Werk ohne Umweg direkt zum Kunden. Außer dem Papierkram bleibt den Händlern somit zwar nur wenig Arbeit, aber der Gewinn ist meist mickrig.
Baustoffhändler: Viel läuft über Vertrauen
Das wirklich knifflige an der Baubranche sei die Zahlungsmoral. „Das hängt oft nicht mit unserem Kunden zusammen, sondern mit dem Auftraggeber, der nicht zahlt. So bauen sich Schulden auf, wobei wir immer versuchen, dafür gemeinsame Lösungen zu finden.“
Gegen Kreditausfälle versichert ist der Baustoff-Mann selbstredend, aber Pleiten und Verluste sind für jedes Geschäftsjahr mit eingeplant, denn Kundenkredite sind in der Baubranche seit jeher unerlässlich. Schnell sind pro Tag 40.000 Euro Kosten für Baumaterial angehäuft. Ob die Rechnung bezahlt wird, wisse Schneider oft nicht. „Viel läuft über Vertrauen in den Kunden und bei den meisten ist das berechtigt — bei anderen leider nicht. Garantien gibt es keine.“
>>> Info: Rund 100 Mitarbeiter an drei Standorten
Bereits 1950 ließ Gründer Karl Wätzig beim Amtsgericht den „Baustoff-Mann“ eintragen. Zehn Jahre später erwarb der ehemalige Lehrling Theodor Schneider, Vater des heutigen Chefs, Anteile am Unternehmen und baute den Baustoff-Mann zum Familienimperium aus.
Diese Tradition kann fortgesetzt werden: Die Töchter Christina (30, Vertrieb) und Lisa (28, Finanzen) sitzen in der Geschäftsführung. Das Unternehmen beschäftigt an den drei Standorten in Oberhausen, Gladbeck und Kirchhellen rund 100 Mitarbeiter, darunter acht Azubis.