. Das Aus für Herzstücke des Osterfelder Gesundheitsstandorts beunruhigt. Jetzt standen Entscheider des Katholischen Klinikums Rede und Antwort.

Herr Boos, Herr Dr. Ernst, keine Chirurgie im Marienhospital mehr, keine Orthopädie, kein Darmzentrum, kein neues Reha-Zentrum – wickeln Sie gerade den Gesundheitsstandort Osterfeld ab?

Boos: Nein, natürlich nicht. Wir müssen uns spezialisieren, um eine bestmögliche medizinische Versorgung der Oberhausener Bevölkerung sicherzustellen. Wir schaffen im St. Marien-Hospital ein hochwertiges Angebot mit Innerer Medizin einschließlich Intensivmedizin, Geriatrie, Pneumologie und Schmerztherapie. Damit ist der Standort zukunftsfähig ausgerichtet. Wir haben in den letzten sechs Jahren in Osterfeld immerhin sechs Millionen Euro investiert – wir haben dort hochmoderne Stationen und Zimmer. Wir schaffen dort ein Ambulantes OP-Zentrum und werden alle ambulanten Operationen an diesen Standort verlagern.

Wenn aber ein Krankenhaus mit der Chirurgie das Herzstück verliert, ist das überhaupt noch ein richtiges Krankenhaus? Ist das Osterfelder Hospital irgendwann Geschichte?

Boos:Nein, davon gehe ich nicht aus, die geplante Ausrichtung ist zukunftsfähig. Die Chirurgie müssen wir am St. Clemens-Hospital konzentrieren, weil zwei Standorte mit OP-Betrieb angesichts des Trends zu ambulanten Operationen nicht auslastbar sind. Historisch war das St. Marien-Hospital ein wahnsinnig starker orthopädischer Behandlungsort mit vielen Operationen.

Umso bedauerlicher ist Ihre Entscheidung …

Boos: Ja, aber die alte Stärke des Standortes war nicht wiederzuerlangen, weil sich in den letzten 20 Jahren das Leistungsangebot in der Region sehr verändert hat.

Warum ist das so?

Ernst: Heute kann man viele Patienten, die früher stationär operiert worden sind, ambulant operieren. Zudem können heute orthopädische Operationen, die früher von Spezialisten gemacht wurden, an vielen Orten durchgeführt werden. Es gibt ein viel größeres medizinisches Angebot in Oberhausen.

Das St. Marien-Hospital soll ja zum Krankenhaus mit geriatrischem Schwerpunkt in Oberhausen werden. Was wird dort dann geleistet?

Ernst: Man will gerade bei älteren Menschen schon heute im Krankenhaus Situationen schaffen, wo ihre Fähigkeiten zur Bewältigung ihres normalen Alltags in ihrem Zuhause trainiert werden. Die Patienten sollen nicht im Bett liegen, sondern ihre Alltagskompetenz zurückerlangen. Ein Schwerpunkt liegt in der rehabilitativen Geriatrie, die darauf ausgerichtet ist, die Selbstständigkeit der älteren Menschen zu erhalten. Zwei Stationen haben wir bereits komplett umgebaut und eine Tagesklinik eröffnet.

Boos:Unsere Investitionen von vier Millionen Euro dort sind noch nicht abgeschlossen. In den Umbau werden wir weiter investieren.

Warum haben Sie die Öffentlichkeit über das Aus für die Chirurgie in Osterfeld erst wenige Tage vor dem Umzug nach Sterkrade informiert? Hatten Sie ein schlechtes Gewissen?

Boos: Hier handelt es sich nicht um eine Gewissensfrage. Es ging uns vor allem darum, den Standort Osterfeld möglichst lange für die Patientenversorgung zu nutzen und hochwertig weiterlaufen zu lassen. Wir befürchteten, dass bei einer Information schon im Januar eine vorzeitige Umlenkung von Patienten hätte erfolgen können, an den anderen Standorten zu diesem Zeitpunkt aber die nötigen Kapazitäten noch nicht aufgebaut gewesen wären. Wir wollten also Zeit gewinnen.

Politik und Stadtspitze waren aber auch völlig überrascht. Warum haben Sie nicht wenigstens die Verantwortlichen der Stadt eingebunden?

Boos: Wir hatten die Sorge, dass sich eine emotional geführte Diskussion entwickelt – mit dem Versuch, dort noch die Chirurgie zu erhalten. Aber ich räume ein, dass man wichtige Personen an der Stadtspitze hätte vorher informieren müssen, wofür ich mich bereits bei Frau Lauxen entschuldigt habe.

Enttäuscht waren viele auch von Ihrer Entscheidung, in Osterfeld kein Reha-Zentrum zu bauen. Die Stadt hat Ihnen dort extra ein Filet-Grundstück frei gehalten.

Boos: Neben der Bebauung mit dem Reha-Zentrum war ja immer auch eine Wohnbebauung geplant. Es ist also nicht nur für uns das Grundstück frei gehalten worden, sondern für eine städtebauliche Weiterentwicklung des Standortes des alten Hallenbades, in die wir uns selbstverständlich weiter einbringen wollen. Ja, wir wollten dort ein orthopädisches Reha-Zentrum bauen, weil wir nach der Fusion 2013 erwartet hatten, am St. Marien-Hospital wieder ähnlich hohe Fallzahlen wie früher erreichen zu können. Diese Vision ist nicht realisiert worden. Für die Entscheidung, kein Reha-Zentrum dort zu bauen, haben wir allerdings sehr lange benötigt.

Ernst: Wir haben zudem in der Reha den Trend einer großen Leistungserweiterung. Wir bieten am derzeitigen Standort des Reha-Zentrums bereits Maßnahmen in verschiedenen Bereichen an und erwarten über neu abgeschlossene Rahmenverträge mit den Rentenversicherern, dass sich die Patientenzahlen weiter deutlich erhöhen werden.

Dann lohnt sich doch erst recht ein Reha-Zentrum in Osterfeld.

Ernst: Leider haben wir dort das Problem, dass für ein großes Reha-Zentrum die Fläche zu klein gewesen wäre. Wir hätten dann keine Ausbaumöglichkeit gehabt. Für kardiologische Reha-Patienten benötigen wir auch Spezialflächen, ebenso bei weiteren Indikationsausweitungen wie der neurologischen oder psychosomatischen Reha. Und wir haben dort für Reha-Patienten nur ein sehr kleines Schwimmbad.

Deshalb gehen Sie nun nach Duisburg und investieren dort am Revierpark Mattlerbusch an der Stadtgrenze gemeinsam mit dem Evangelischen Klinikum Niederrhein?

Ernst: Ja, das hat mehrere Gründe: Wir haben bereits in unserem Reha-Zentrum in Sterkrade viele Patienten aus Duisburg. Zudem ist das Grundstück ideal: Wir können hier die Niederrhein-Therme nutzen und den Park. Das Reha-Zentrum soll bis zu 400 Patienten versorgen.

Boos: Der Bau wird einige Millionen kosten. Die Lage dort ist aber für ein Reha-Zentrum wie gemalt.

Es gibt bei Bürgern auch Spekulationen, dass das Aus fürs Reha-Zentrum auch daran liegt, dass es dem KKO finanziell nicht gut geht und die Geschäfte schlecht laufen?

Boos: In der Reha-Versorgung laufen die Geschäfte alles andere als schlecht, aber im Klinikbereich kämpfen wir eisern, die Kosten für einen hohen medizinischen Standard über entsprechende Erlöse gegenzufinanzieren.

Ist der Konkurrenzkampf der Kliniken zu hart geworden im Ruhrgebiet? Werden Krankenhäuser sterben müssen?

Boos: Eine Glaskugel haben wir nicht. Aber man wird sich darauf einstellen müssen, dass es in Zukunft deutlich weniger Klinikstandorte geben wird. Von der Bundes- wie Landespolitik ist es gewollt, dass es weniger, dafür größere Krankenhausstandorte geben soll. Wir erleben überall einen Prozess der Konzentrierung und Spezialisierung.

Was bedeutet das für unsere Stadt Oberhausen?

Ernst: Wir haben hier in einer Stadt mit 210.000 Bürgern sechs Krankenhäuser. Das ist historisch bedingt und war früher berechtigt, weil die Patienten weniger mobil waren. Andere Städte ähnlicher Größe kommen mit ein oder zwei Krankenhäusern aus. Wir werden in Zukunft nicht umhin kommen, das Leistungsangebot vor Ort anzupassen. Wahrscheinlich werden nicht mehr so viele Klinik-Kapazitäten benötigt. Früher lagen Kinder mit einer Gehirnerschütterung eine Woche im Krankenhaus, Patienten mit Magengeschwüren drei Wochen, ein an der Gallenblase operierter Mensch sieben Tage – heute wird das fast alles weitgehend ambulant behandelt oder auf einen einzigen Tag reduziert.

2013 haben Sie eine vom Ruhrbistum gefeierte Fusion von drei Oberhausener Krankenhäusern St. Clemens, St. Marien und St. Josef zum Katholischen Klinikum KKO vollzogen. War das ein Fehler? Haben Sie sich übernommen?

Boos: Nein, aber einige Vorgänge hätten schneller erfolgen können. Um die Chirurgie vom St. Marien-Hospital zum St. Clemens zu bringen, mussten wir hier erst einmal über längere Zeit die Intensivstation ertüchtigen, Personal aufstocken und Kapazitäten schaffen.

Ernst: Damals bei der Fusion waren wir einer der größten Krankenhausträger im Bistum, mittlerweile haben uns viele in der Größe überholt. Daran sieht man: Viele schließen sich zusammen, die Versorgung in Krankenhäusern funktioniert nur noch im Verbund. Deshalb war die Fusion absolut notwendig und alternativlos.

>>> Jährlich behandelt das KKO über 50.000 Patienten

Das Katholische Klinikum ist nach eigenen Angaben der größte Gesundheitsversorger in Oberhausen. 2200 Mitarbeiter arbeiten an mehreren Standorten in drei Krankenhäusern mit rund 720 Betten, 17 Fachkliniken und elf medizinischen Zentren, Senioren- und Pflegezentren, ambulanten Pflegediensten, einem Reha-Zentrum sowie einem stationären Hospiz und zwei ambulanten Hospizen.

Jährlich behandelt das KKO über 50.000 ambulante und stationäre Patienten.