Oberhausen. . Im Literaturhaus eröffnete Prof. Roland Günter die neue Reihe „Oberhausen schreibt“. Der Autor von 60 Sachbüchern diskutierte mit Begeisterung.
Er ist bis heute ein Querdenker geblieben. Im Literaturhaus, Markstraße 146, sollte Professor Roland Günter, mittlerweile 82 Jahre alt, eigentlich aus seinen Memoiren lesen. Aber der umtriebige Gast plauderte stattdessen mit Moderator Rainer Piecha locker aus seinem Leben, Kritik an gesellschaftlichen Zuständen inklusive.
Nach Oberhausen ist er 1974 gezogen, um die Arbeitersiedlung Eisenheim zu erhalten. Es sollte der Zündfunke für eine ruhrgebietsweite Bürgerbewegung für den Erhalt der alten Industriekultur werden. „Eisenheim gehört eigentlich zum Weltkulturerbe“, erklärte Günter.
25.000 Bücher im Blauen Haus
Seine Memoiren, die er auf 3000 Seiten bezifferte, seien nicht zum Verkauf gedacht. Er verstehe es als persönliche Bereicherung, das eigene Leben noch einmal Revue passieren zu lassen. „Mein Leben läuft über Bücher und über Projekte“, bekannte er. Die Liebe zum gedruckten Wort habe er von Mutter und Großeltern geerbt. Er selbst hat rund 60 Titel geschrieben mit Schwerpunkt Stadtkultur.
Vom Vater, einem Manager, mit auskömmlichem Unterhalt als Student versehen, habe er schon in den 1950er Jahren 20 Mark Büchergeld im Monat erhalten. Und da ein Taschenbuch damals nur 1,60 Mark gekostet habe, entstand eine beträchtliche Sammlung. Für diese 25.000 Bücher hat das Ehepaar Günter in Eisenheim das Blaue Haus bauen lassen. Gedanken über die Zukunft dieser vielleicht größten Privatbibliothek in der Stadt hat er sich noch nicht gemacht.
Schulen als „mentale Gefängnisse“
Denn noch lebt Roland Günter ganz im Hier und Jetzt. „Alles was ich schreibe, hat was zu tun mit mir selber, mit Wünschen, Träumen, Utopien. Ich bewältige meinen Frust darüber“, gestand er den rund 30 Zuhörern. Aber er kann ihn auch aussprechen.
Menschen in Führungspositionen steht er bis heute kritisch gegenüber. „Christoph Zöpel, der frühere NRW-Bauminister, ist der einzige Minister, dem ich die Hand geben würde“, sagte er. „Sie glauben nicht, wie vielen Idioten ich begegnet bin, vor allem in höheren Etagen.“
Für Roland Günter liegt das mit daran, dass zwar alle Menschen lesen könnten, aber nur wenige es täten. Schon in der Schule habe er mit seiner Art, fantasievoll zu schreiben, Probleme gehabt. „Fantasie war auf dem humanistischen Gymnasium nicht angesagt.“ Schulen bezeichnete er als „mentale Gefängnisse.“
Stadt könnte mehr für ihr Image tun
Nicht besser steht es nach seiner Ansicht auch um die Wissenschaft. „Sie gilt heute als langweilig und unverständlich, ist zum Zwangsapparat geworden. Wenn man das umwandelt in Geschichten, kann man viel daraus lernen.“
Er selbst habe viel vom Theaterbesuch profitiert. „Wissen ist ein unbezahlbarer Wert und Bücher sind so preiswert“, sagte der Professor. Natürlich gehe es nicht um Quiz-Wissen. Ein bisschen mehr Anstrengung müsse man schon investieren. „Bei Goethe steckt hinter jedem Satz eine Idee.“
In Oberhausen erteilte er dem Stadtarchiv gute Noten. Aber die Imagewerbung der Stadt lasse die bunte Kulturszene viel zu sehr aus. Dem LVR-Industriemuseum riet Günter, mehr zur Stadtgeschichte beizutragen. Auch aus Eisenheim könnte man mehr machen.
>>> Den Geburtstag teilte er lieber mit Max Weber
Widerstand zu leisten „das begann bei mir schon im Mutterleib“, erzählte Roland Günter am Freitag. Seine Geburt sei für den 20. April 1936 ausgerechnet worden, den Geburtstag Hitlers. Er kam aber erst am 21. April zur Welt, am Geburtstag Max Webers, des großen Geisteswissenschaftlers.
Roland Günter hat in München Kunstgeschichte studiert und über frühchristliche Architektur 1965 seine Doktorarbeit geschrieben. Seit 1971 war er Professor für Kunst- und Kulturtheorie an der Fachhochschule Bielefeld. Seit 1999 lebt er im Ruhestand.