Oberhausen. . Das Handwerk klagt: „Wir überaltern und brauchen dringend Nachwuchs.“ Flüchtlinge in Ausbildung benötigten daher gute Bleibeperspektiven.
Vom ersten Sprachkurs zur Ausbildung im Betrieb: Die wichtigsten Bausteine für erfolgreiche Integration von Flüchtlingen liefert das Hans-Sachs-Berufskolleg. „Eine Handwerkerschule“, wie Rektor Marc Bücker es ausdrückt. An Engagement und gutem Willen von Azubis und Betrieben mangelt es nicht, doch es fehlen Perspektiven durch verlässliche Regelungen, die die Politik dringend und vor allem zügig liefern muss. „Wir brauchen eine Garantie, dass wir ausbilden und beschäftigen dürfen“, fordert Jürgen Bunk, Geschäftsführer der Bunk Bau GmbH.
Handwerk überaltert
Schulleiter Bücker hatte Handwerkermeister und zugewanderte Auszubildende zu einem Treffen mit Edmund Heller (CDU), Staatssekretär für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW, eingeladen. Trotz des knapp bemessenen Zeitrahmens kamen dabei einige Frustrationspunkte des Handwerks zur Sprache. „Wir überaltern und brauchen dringend Nachwuchs“, klagte Jürgen Bunk.
Die Konsequenz: Ob im Baugewerbe, bei den Bäckern, Malern oder im Elektrobetrieb – Oberhausens Handwerk ist längst in Sachen Ausbildung von Flüchtlingen engagiert und bescheinigt seinen Zuwanderer-Azubis durchweg gute Motivation und hohe soziale Kompetenz. Dass die Integration für den Betrieb nicht einfach ist, verschweigen sie nicht, sehen ihren Einsatz jedoch als notwendig und alternativlos an.
„Mitten in der Ausbildung mussten sie zurück“
„Wenn es in 15 Jahren keine Maurer und Elektriker mehr gibt, dann funktioniert hier gar nichts mehr“, warnte Tobias Koppen, Geschäftsführer der Elektro Koppen GmbH. Er erinnerte an ein Szenario, das er nicht noch einmal erleben möchte: „Vor 20 Jahren haben wir Zuwanderer aus Kroatien beschäftigt. Mitten in der Ausbildung mussten sie zurück.“ Koppen fordert Garantien für Betriebe und Azubis, „egal, ob sie geduldet oder anerkannt sind“.
Einer der jungen Männer, denen er eine Chance gibt, ist Alex Apeel, der aus dem Irak kommt und seit zweieinhalb Jahren in Deutschland ist. Er klagt über „Probleme mit der Aufenthaltserlaubnis“, komme aber ansonsten klar, auch durch Nachhilfe, die das Zentrum für Ausbildung und Qualifikation ihm ermögliche. Sein Deutsch versuche er mit Hilfe des Lernprogramms OLS, Online Linguistic Support, zu perfektionieren, mit dem die Berufsschüler im Selbstlernzentrum des Kollegs auf allen Niveaustufen trainieren können.
Entscheidung auf Bundesebene
Das Programm hatte Ruben Penaloza, Lehrer für Deutsch als Fremdsprache, zu Beginn des Treffens vorgestellt. Es ist vollkommen aufs Berufsleben abgestimmt, „von der Arbeitssuche bis zum Bewerbungsgespräch“. Das Lernen mit OLS erfordere allerdings eine gute Internetverbindung. Und die ist am Hans-Sachs-Berufskolleg auch durchaus noch ausbaufähig.
„Was ich gehört habe, nehme ich mit“, versprach Staatsminister Heller Ende des Treffens. Allerdings seien, was die Anerkennungen der Flüchtlinge betreffe, die Möglichkeiten „seines“ Landesministers Karl Josef Laumann begrenzt. Entschieden werde auf Bundesebene.
>>> Aller Anfang ist schwer
Vom Ministerium auf die Schulbank: Einen Eindruck vom Sprachunterricht für Einsteiger ermöglichte die Internationale Förderklasse Staatssekretär Edmund Heller zu Beginn seines Besuchs am Hans-Sachs-Berufskolleg.
Zehn Schüler, vier junge Frauen und sechs junge Männer, die verschiedene Muttersprachen sprechen, ließen sich beim Lernen zuschauen. Dass sie sich nach einem halben Jahr Unterricht schon beachtlich gut ausdrücken können, verdanken sie der kleinen Lerngruppe, der angenehmen Lern-Atmosphäre und dem Team-Teaching von Lehrerin Leslie Burgsmüller und Ruben Penaloza.
Im Irak gibt’s keine Fahrradwege
Zunächst ging es darum, Begriffe Gegenständen zuzuordnen, die auf den Tischen lagen: Bohrmaschine, Ohrenschützer, Arbeitsschuhe, Besen… - Werkzeuge aus der Tischlerei. Nun ging’s darum, Sätze zu bilden: „Wir brauchen den Besen, um den Boden der Werkstatt zu kehren.“ Grammatikalisch gar nicht so einfach, Sätze mit „um zu“ zu formulieren und dabei auch noch das Komma nicht zu vergessen. Der, die oder das? Deutsch zu lernen hat seine Tücken.
Das wurde auch Oberbürgermeister Daniel Schranz und Sozialdezernentin Elke Münich mal wieder deutlich, die den Staatssekretär begleiteten. Umso stärker ihr Applaus für die Leistung der Schüler, als sie sich mit selbst geschriebenen Texten vorstellten und dabei durchaus Wissenswertes erzählte: Waheid K. aus Afghanistan wunderte sich als er nach Deutschland kam, dass hier Frauen im Supermarkt arbeiten und Auto fahren dürfen. Im Irak ist freitags schulfrei, samstags und sonntags hingegen Unterricht. In Bosnien ist die Bestnote eine Fünf und im Irak gibt’s keine Fahrradwege.