Oberhausen. . 300 Jugendliche aus aller Welt sind zu Gast bei der „Multi“ in Oberhausen. Peruaner, Chinesen und Deutsche bauen gemeinsam einen Ort, der bleibt.
„Lima könnte sich ruhig Oberhausen als Vorbild nehmen“, sagt Ruby Pérez aus Peru. In ihrer Heimat gebe es nicht so viele Parks und Radwege wie im Ruhrgebiet. All die Wälder, beeindruckend! „Und die Menschen hier sind so offen zu uns, die wir hier zu Gast sind. Das geht richtig ans Herz.“ Herz, das Wort benutzt die peruanische Deutschlehrerin häufig, um die „Multi“ zu beschreiben, Deutschlands größten städtischen Jugendaustausch.
Rubys Schüler sind unter den 300 Jugendlichen, die zwei Wochen lang Oberhausen kennenlernen oder auch die singende Dampflok Rusty in Bochum. Sie leben in Gastfamilien, die erwachsenen Begleiter in Hotels.
Die 13- bis 18-Jährigen können auch drei Tage lang zum Beispiel Basketball spielen, Keyboard lernen oder eben einen Garten gestalten. Warum hat Roman Badamshin aus Baschkortostan, Russland, sich für diesen Workshop entschieden? „Fußball und Basketball kann ich auch in meinem Land spielen“, sagt der 18-Jährige. „Aber einen Garten zu schaffen, ist schon etwas Außergewöhnliches. Etwas, das bleibt.“
Der Kies muss auf die Wege
Während die anderen sich im Oberhausener Heide-Park eine Auszeit mit Apfel und Butterbrot gönnen, schüppt Roman mit den zwei begleitenden Profi-Gärtnern weiter. Der grobe Kies muss auf die Wege zwischen den Beeten. Die anderen schauen schon schräg, Roman arbeitet weiter. „Zuhause“, sagt Roman, „haben wir einen Garten und da helfe ich manchmal meiner Mutter.“
„Ich habe so viel über das Gärtnern gelernt“, sagt die 40-jährige Ruby aus Peru. „Der Projektleiter hat uns erklärt, wie wir mit Pflanzen malen können, um ein schönes Beetbild zu schaffen.“ Der Leiter von „One World – One Garden“ ist der Oberhausener Tim Suthoff. Der angehende Landschaftsarchitekt schreibt gerade seine Masterarbeit über den Gartenbau mit Jugendlichen. „Ich hätte auch ein fiktives Konzept erstellen können, aber ich wollte meine Ideen umsetzen.“ Wie viele andere Helfer ist Tim Suthoff Wiederholungstäter: Vor vier Jahren hat er schon mit Jugendlichen einen Windgarten im Stadtteil Sterkrade angelegt. Der Landschaftsbaubetrieb seiner Familie sponsert sogar die Materialien für den aktuellen Weltgarten.
Kontinente mit Kanten
„Wenn man von oben auf den Garten schaut, sieht er wie eine Weltkarte aus“, sagt die 16-jährige Katharina Völlmer, eine Gastgeberin, deren Familie seit Jahrzehnten mit der „Multi“ verwurzelt ist. Wirklich, eine Weltkarte? Katharina zeigt auf einen Biertisch mit einem Styropormodell. Die Kontinente sind eckig, Afrika ist eine Holzliege, Neuseeland sucht man vergeblich – aber ja, es ist ein Garten wie die Welt. Symbolisch, wie alles hier.
Der Garten muss natürlich gepflegt werden, wer wäre besser geeignet als die künftigen Multi-Botschafter? „Diese Aufgabe übernehmen die Kleinen aus dem Kindergarten“, erklärt Tim Suthoff. Da stürmen sie auch schon heran mit Schüppchen und Gießkannen, die Kinder aus der integrativen „Schatzkiste“ der Lebenshilfe. Sie matschen, sie schaufeln, sie lachen – ein spielerisches Chaos. Tim hat extra einen pflegeleichten Garten mit Gräsern und Stauden geplant.
Youzhen Wu ist wie Ruby Pérez Teamleiter bei der „Multi“. Der 40-Jährige aus Quanzhou in China steht auf dem Kieslader, es staubt ihm jedes Mal bis an die Knie, wenn er eine Schaufel Steine in die Schubkarre krachen lässt – umso mehr, je tiefer er sich in den Kieshaufen gräbt. Wu hätte auch gerne den Tanz-Workshop besucht. „Aber das kann ich schon. Dies hier ist eine größere Herausforderung. Wir Chinesen wohnen meist in Hochhäusern und haben keinen Garten.“
>> INFO: JUGENDAUSTAUSCH „MULTI“
300 Jugendliche und 100 Helfer aus 16 Ländern sind zurzeit in Oberhausen. 2019 werden die Oberhausener dann in den Partnerländern begrüßt.
Die „Multi“ gibt es offiziell seit 1992, in loser Form aber schon seit Anfang der Achtziger.
Der Austausch wird koordiniert durch das Büro für Interkultur, unterstützt durch ehrenamtliche Helfer und Sponsoren.
Die Anreisekosten übernimmt der Gast. Ab Landung in Deutschland übernimmt die Stadt Oberhausen die Kosten. Für die Unterbringung kommt die Gastfamilie auf.