Oberhausen. . 1100 Besucher feiern Hermann II. bei seiner Kürung in der Stadthalle. Nach fünf Stunden merkt der Narr: Dieser Regent macht einiges anders.
- In der ausverkauften Stadthalle feierten die hiesigen Narren den neuen Regenten von Groß-Oberhausen
- Hermann Buschmann zeigte einen modernen Karneval - und fand auch die richtigen Worte für Tolleranz
- Erst nach fünf Stunden Programm ist Feierabend - Jörg Bausch beendetet den jecken Reigen mit Schlager
Die Sensation kommt im Nadelstreifen-Jackett und mit locker aufgeknöpftem Hemd: Ein schlanker Mann, so Ende 50, stellt sich als Hajo Sommers vor. Er wolle in der ausverkauften Luise-Albertz-Halle als Conférencier durch die Kürung von Prinz Hermann II. führen.
Gibt es neben Helene-Fischer-Double nun auch schon Menschen, die als Doppelgänger des rührigen Kulturschaffenden ihr Geld verdienen, möchte man fragen? Doch der Mann, der sonst eher den Ruf eines Karnevalsmuffels pflegt, steht vor 1100 Narren. Dieser Sommers ist echt.
Ein Freundschaftsdienst. Es ist schon eine verrückte Welt, die Prinz Hermann II. auf der großen Videoanimation in seinen Händen hält. Die einzige Überraschung des fünfstündigen Samstagabends soll es nicht bleiben.
Gesellschaften im Glitzerregen
Der Chef der Alstadener Bären beginnt pompös, marschiert nach den 19 aus Oberhausen stammenden Gesellschaften im Glitzerregen zischender Konfetti-Kanonen in die Stadthalle. Sein Prinzenornat ist sportlich geschnitten, der Umhang fehlt.
Dieser hätte bei seinem Prinzenlied auch gestört, der Regent singt frei nach Udo Lindenberg „Ich mach mein Ding!“ Und das trifft den Kern. Dafür hat er sich den Rock-Sänger Nockes an seine Seite geholt. Stadtprinz Rock’n’Roll lässt das Trömmelche stehen und haut woanders auf die Pauke. Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz!
Niedergewalzt wird das Brauchtum davon trotzdem nicht. Das Protokoll bleibt bestehen. Und abseits vom Halligalli verliest der Regent Worte, die eine tolerante Narretei abseits von Rassismus, Terror und Hass positioniert. „Die bunte Vielfalt dieser Welt, der Bärenprinz in Händen hält!“
Samba aus Alstaden
Dass dies bei den Alstadener Bären übrigens keine leeren Worte sind, zeigt die seit Jahren aufgebaute Inklusionstanzgarde mit Tänzern mit und ohne Behinderung. Als Prinzengarde schaut diese nicht von oben zu, sondern stößt als tanzende Marsmännchen-Kolonne zum feierfreudigen Prinzen hinzu.
Das Programm der Kürung. Auch anders. Kölner Schunkelgruppen gibt es kaum. Dafür erschallt Samba aus Alstaden. Südamerikanischer Tanz durchzieht die Halle. Fiesta Brasil. Das kommt an.
Comedienne Daphne de Luxe scherzte selbstironisch als Appetithäppchen. „Dabei fragen Sie sich, warum sieht sie aus wie ein Büfett für 50 Personen?“ Ihre Erklärung: „Ich bin von der Veranlagung schlank, lebe es aber nicht aus.“
Riesenapplaus für den Gemeinschaftstanz aller Garden
Inhaltlich war das genauso gut wie die Kabarettistin Frau Kühne. Schade, dass nicht immer alle zuhörten. Dass die Biertheke im Foyer geschlossen blieb, führte übrigens bis zum finalen Gesang von Schlager-Star Jörg Bausch („Dieser Flug“) zu einem gut gefüllten Saal und weniger „Pendelverkehr“.
Alles gut? Fast! Hätte sich Sänger Josef Hassing auf seine Stimmungslieder konzentriert, wären vielen Besuchern Hustenanfälle erspart geblieben. Dieser holte überwiegend verstaubte Zoten aus der Mottenkiste. Kostprobe? Besser nicht! Was hängen bleibt, ist der Gemeinschaftstanz aller Garden. Riesenapplaus! Da durfte auch Hajo Sommers loben und zugleich scharfzüngig sein: „Das ist jung und bewegt sich! Vielleicht liegt es ja nicht an der Jugend, sondern an Leuten in meinem Alter!“