Oberhausen. . Nach 32 Jahren geht Bärbel Höhn in den politischen Ruhestand. Im Interview erklärt sie, warum es die Grünen in ihrer Heimatstadt so schwer haben.

  • Die Oberhausener Grünen-Politikerin Bärbel Höhn kandidiert nicht noch einmal für den Bundestag
  • Nach mehr als 30 Jahren in der Politik freut sie sich auf mehr Zeit mit ihrer Familie
  • Ehrenamtlich engagiert sie sich weiter, internationale Projekte liegen ihr mehr als Kommunales

Sie ist eine Galionsfigur der Grünen in Nordrhein-Westfalen. Sie war dabei, als die Partei 1990 zwar mit Ach und Krach, dann aber mit Pauken und Trompeten in den Düsseldorfer Landtag eingezogen ist. Ihre politische Karriere begann vor 32 Jahren, als Bärbel Höhn Mitglied des Oberhausener Stadtrates wurde. Sie hat das Bild und die Arbeit der Grünen geprägt, nicht nur in Oberhausen, auch in Land und Bund. Seit 2005 sitzt sie im Bundestag, doch nach dieser Legislaturperiode ist Schluss. Im Interview erzählt die 65-Jährige, was sie im Ruhestand plant, und erklärt, warum es ihre Partei in Oberhausen derzeit so schwer hat.

Frau Höhn, Sie treten zur Bundestagswahl nicht noch einmal an. Sind Sie ab Oktober Rentnerin?

Bärbel Höhn: Ja, de facto schon, ich habe ja dann keinen hauptamtlichen Beruf mehr. Ich werde mich aber ehrenamtlich weiter engagiert. Aber noch ist es nicht soweit, bis Weihnachten habe ich mit vielen Projekten noch einiges zu tun.

Werden Sie im Ruhestand in Oberhausen bleiben?

Höhn: Ich werde mehr als bisher in Oberhausen sein. Wir haben aber auch eine Wohnung in Berlin und in der Hauptstadt gibt es noch sehr viel, das wir uns anschauen wollen.

Bärbel Blümchen Höhn
31. Mai 1990: Bärbel Höhn (vorne rechts) erstmals im NRW-Landtag. © dpa/Michael Jung

Engagieren Sie sich hier auch politisch? Die Oberhausener Grünen könnten Ihre Hilfe gut gebrauchen.

Höhn: Die kommen auch gut ohne mich klar. Bestimmt gibt es das eine oder andere Projekt, das ich unterstützen kann. Das werde ich auch tun. In Zukunft will ich aber mehr schauen, wie der Ausbau der Erneuerbaren Energien international weiter voran gebracht werden kann.

Aber Sie werden sich einmischen, wenn Sie das für nötig halten?

Höhn: Das habe ich ja auch in der Vergangenheit gemacht. Ich habe unsere Umweltdezernentin Sabine Lauxen damals nach Oberhausen vermittelt und ich habe bei der Wahl zum Oberbürgermeister mitdiskutiert.

Warum glauben Sie haben es die Grünen in Oberhausen im Moment so schwer? Bei der Landtagswahl stimmten hier nur knapp über 4 Prozent für Ihre Partei.

Höhn: Es ist immer schwieriger, wenn man mitgestaltet – und das haben die Grünen auf Landesebene getan. Oft ist es einfacher, in der Opposition Sachen nach vorne zu bringen, da muss man weniger Kompromisse schließen. Zudem ist eine Stadt wie Oberhausen auch kein Pflaster für grüne Politik.

Warum nicht?

Höhn: Oberhausen kämpft immer noch mit dem Strukturwandel. Ich bin bundesweit zum Thema Energiewende unterwegs. Nirgendwo anders habe ich es damit so schwer wie im Ruhrgebiet. Zu sehr wird immer noch für die Kohle entschieden. Nehmen wir zum Beispiel den Kampf gegen das geplante Windkraftrad im Ruhrtal: Wo sollen denn die neuen Arbeitsplätze herkommen, wenn wir die erneuerbaren Energien bekämpfen? Wir sind das Energiezentrum Europas. Aber wir verlieren es zunehmend.

1995: Mit rund zehn Prozent haben die Grünen bei der Landtagswahl ihre Stimmen der Vorwahl verdoppelt. Hier sitzt Bärbel Höhen neben ihrem Parteikollegen Michael Vesper, im Hintergrund zu sehen: Johannes Rau und Wolfgang Clement.
1995: Mit rund zehn Prozent haben die Grünen bei der Landtagswahl ihre Stimmen der Vorwahl verdoppelt. Hier sitzt Bärbel Höhen neben ihrem Parteikollegen Michael Vesper, im Hintergrund zu sehen: Johannes Rau und Wolfgang Clement. © Heinz Jürgen Kart

Können wir denn nichts dagegen tun?

Höhn: Doch: sich endlich der Verantwortung und der Realität stellen. Die Kohlekraftwerke werden schließen, Arbeitsplätze werden weiter wegfallen. Und die Leute werden feststellen, dass die Energie plötzlich woanders produziert wird. Auch die Arbeitsplätze werden dann woanders sein. In den vergangenen Jahren wurde wenig getan, um die erneuerbaren Energien hier bei uns im Ruhrgebiet aufzubauen. Das wird sich ganz bitter rächen.

Unternehmen wie beispielsweise Bilfinger in Oberhausen bauen Arbeitsplätze ab – und sehen den Grund dafür in der Energiewende.

Höhn: Wir haben mit der Energiewende rund 400 .000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Das Problem: Sie sind nicht hier im Ruhrgebiet, nicht in Oberhausen entstanden. Einige Unternehmen schieben gerne der Energiewende die Schuld in die Schuhe, dabei liegen die Ursachen woanders. Die Energiewende bietet viele Chancen, leider haben in der Vergangenheit andere diese Chancen genutzt. Warum hat man in Oberhausen zum Beispiel die Bürger nicht in Sachen Photovoltaik beraten als es einen riesigen Boom gab, als die Förderung noch erheblicher war. Photovoltaik auf Oberhausener Hausdächern: Die Menschen hätten investiert, der hiesige Handwerker hätte die Anlage montiert, das wäre eine Wertschöpfung für die ganze Stadt gewesen.

Sie sagten neulich, dass grüne Politik gerade in armen Städten besonders wichtig ist. Dreck, Lärm, viel zu wenig Grün: Mit diesen Problemen haben hauptsächlich ärmere Menschen zu kämpfen.

Höhn: Ja, Soziales und Umwelt hängen ganz eng zusammen. Schauen wir uns die Mülheimer Straße an: Da gibt es vergleichsweise günstige Mieten, dafür aber auch viel Lärm, Abgase und Feinstaub. Auf die Dauer geht das auf die Gesundheit, das senkt die Lebenserwartung.

2009: Bärbel Höhn im Bundestag. Hier im Gespräch mit Parteikollegin Renate Künast.
2009: Bärbel Höhn im Bundestag. Hier im Gespräch mit Parteikollegin Renate Künast. © Rainer Jensen

Liegt im Kampf gegen diese Ungerechtigkeit die Zukunft der Grünen in Oberhausen?

Höhn: Ja, das ist ein wichtiger Aspekt. Umweltschutz ist Lebensqualität. Grüne Politik ist aber auch eine große Herausforderung: Wenn man am Ende des Monats den Euro umdrehen muss, kümmert man sich weniger um die Umwelt. Umweltschutz wird meist erst dann ein Thema, wenn man seine Gesundheit verloren hat, wenn es also zu spät ist. Ich verstehe das: Der Erste des Monats ist aktuell und kurzfristig. Wir müssen aber dafür sorgen, dass die Menschen trotz aller Sorgen langfristiger denken.

Freiheit statt 100-Stunden-Woche

Was werden Sie vermissen?

Höhn: Die vielen Informationen, die man im Bundestag wie in einem Brennglas gebündelt bekommt. Die Erkenntnisse, die Fachgespräche, die Diskussionen, den Austausch mit den Abgeordneten.

Und worauf freuen Sie sich?

Höhn: Auf mehr Zeit, mehr Freiheit und mehr Flexibilität. Es gab Zeiten, in denen ich bis zu 100 Stunden in der Woche gearbeitet habe. Ich freue mich, nach den vielen Jahren mehr Zeit für die Familie zu haben, für meinen Mann und meine vier Enkelkinder. Und ich werde auch was für mich tun, mehr Sport zum Beispiel. Ich plane für die nächsten 40 Jahre, denn ich möchte gerne 104 Jahre alt werden.

Warum ausgerechnet 104?

Höhn: Mein Vater ist 94 geworden, meine Mutter hat vor kurzem ihren 95. Geburtstag gefeiert. Ich habe also gute Voraussetzungen alt zu werden und weil so viele 100 werden wollen, peile ich 104 an.

Engagieren Sie sich auch im Ruhestand weiter?

Höhn: Ja. Ich bin zum Beispiel Schirmfrau der Nabu-Stiftung. Ich habe auch einen Verein gegründet, der Projekte in Uganda unterstützt. Wir haben dort für Familien sogenannte Effizienzöfen gebaut, die mit weniger Holz auskommen als übliche Öfen.

Kritiker würden jetzt fragen: Warum Afrika? Deutschland hat genug eigene Probleme.

Höhn: In Afrika herrschen in einigen Regionen Temperaturen von 55 Grad und mehr. Seen trocknen aus, die Wirtschaft bricht zusammen, Menschen verlieren ihre Existenzgrundlage. Und was machen diese Menschen? Wenn sie Geld haben, kommen sie nach Europa. Wenn sie kein Geld haben, bleiben sie in Afrika, die Lage verschärft sich, Bürgerkriege brechen aus. Dann schicken wir unsere Soldaten ins Land, die mitunter ihr Leben verlieren. Es macht viel mehr Sinn, mit kleinen Projekten dafür zu sorgen, dass die Menschen dort weiter leben können. Wir müssen uns über Flüchtlinge aus Afrika nicht wundern, wenn wir mit unserem CO2-Ausstoß dafür sorgen, dass die Menschen in ihrer Heimat nicht mehr leben können.

>>> Politische Laufbahn begann im Jahr 1985

Bärbel Höhn wurde am 4. Mai 1952 in Flensburg geboren und lebt seit 1978 mit ihrer Familie in Oberhausen. Ihr Engagement begann 1981 im „Stadtelternrat Oberhausener Kindergärten“.

Seit 1985 ist Höhn Mitglied der Grünen, von 1985 bis 1989 saß sie im Stadtrat, 1990 zog sie in den Landtag ein, von 1995 bis 2000 war sie NRW-Umweltministerin, 2005 ging sie als Abgeordnete nach Berlin.