Oberhausen. In der Süddeutschen Zeitung (SZ) gab es ein ausführliches Stadtportrait über Oberhausen. Nun verteidigen viele Oberhausener entschlossen ihre Stadt.

  • Drei Seiten widmete die Süddeutsche Zeitung (SZ) einem Oberhausener Stadtporträt
  • Tenor: Die Stadt sei erschöpft und die Region wisse nicht mehr, wozu sie da sei
  • In zahlreichen Reaktionen verteidigen die Leser nun ihre Heimatstadt

„Wat willste?“ – Das jüngste, dreiseitige Stadtporträt der Süddeutschen Zeitung (SZ) über Oberhausen mit dieser Überschrift hat viel Wirbel und Protest ausgelöst.

Jede Menge Oberhausener fühlen sich brüskiert und sehen ihre Heimatstadt verzerrt dargestellt. Wir haben den SZ-Artikel bereits ausführlich thematisiert; hier nun erste Reaktion von Leserinnen und Lesern. Tobias Szczepanski aus Schmachtendorf ist ein besonders treffendes Beispiel für die Oberhausener Antwort auf den SZ-Bericht:

„Der Oberhausener ist also ein Abenteurer. So kommt es zumindest Bernd Dörries, dem Kölner Redakteur der Süddeutschen Zeitung, vor. Er beschränkt Oberhausen in seiner Reportage auf den Hauptbahnhof und die Marktstraße. Das ist so, als würde man in einer ähnlichen Reportage Köln auf Porz beschränken. Wer das Positive sehen will, sieht das Positive. Wer das Negative sehen will, sieht das Negative. Und wer Klischees bedienen will, besucht nur die Marktstraße und spart die anderen Stadtteile Oberhausens aus.

Oberhausen ist alles andere als ein erschöpfter Ort. Gerade zum Geburtstag des Landes NRW müsste Oberhausen doch im Mittelpunkt stehen. Oberhausen ist die einzig wahre Schnittstelle in NRW. Denn Oberhausen ist Rheinland und Westfalen. Die Bezirke Sterkrade und Alt-Oberhausen im Rheinland, der Bezirk Osterfeld in Westfalen. Es ist nicht nur Wiege der Ruhrindustrie, sondern auch Herz unseres Landes. Dem Centro attestiert Dörries dabei völlig zu Recht internationale Anziehungskraft. Das Centro hat Oberhausen national und international bekannt gemacht, wie Köln einst der Dom und heute … Aber lassen wir das, Silvester ist ja schließlich auch vorbei.

„Alles mitten im Grünen“

Die Stadtteile, die Dörries nicht besucht hat, offenbaren eine andere Schnittstelle. Wäre der Autor nach Schmachtendorf gekommen, er hätte die Schnittstelle zwischen Industrie und Landwirtschaft erleben können. Er hätte ein Dorf in einer industrialisierten Umgebung erleben können. Er hätte auf dem Kornfeld am Steinacker stehen und hinter den Bäumen den Kirchturm der Schmachtendorfer Kirche erblicken können, deren Erhalt die Schmachtendorfer mit ihrem Herzblut erkämpft haben, und auf der anderen Seite die Autobahn. Das alles mitten im Grünen, auch ohne Gartenschau.

Wäre er nach Borbeck gekommen und hätte im kleinen Supermarkt an der Einbleckstraße eingekauft, er hätte eine ungekannte Herzlichkeit erlebt, die mehr als positiv aus der Massenabfertigung in Filialen großer Lebensmittelketten hervorsticht. Er hätte erlebt, wie der Kunde eben doch noch König sein kann und nicht nur Kalfaktor.

Aber das alles wollte er nicht. Er wollte seine Vorurteile bestätigt sehen. Er wollte aus Köln auf Oberhausen herabschauen, ohne Oberhausen erlebt zu haben und erleben zu wollen. Er wollte einen ,erschöpften Ort, verlassen vom Rest des Landes’ erleben. Das ist ihm nicht einmal auf der Marktstraße gelungen, nicht alles kann er schlecht reden.

Ich lebe gern in Oberhausen. Mein Herz schlägt in Oberhausen und für Oberhausen. Oberhausener kann man nicht verpflanzen. Wer im Herzen des Kohlenpotts mit Ruhrwasser getauft wurde, benötigt keinen Weltstadtcharme. Im Gegenteil, verfrachtet man ihn nach Köln, wird er auf die von Dörries gestellte Frage ,Wat willste?’ antworten: ,Nach Hause!’“

Reaktion von Christian Buschmann: „Etwas Wahres dran“ 

Christian Buschmann aus Köln („In Oberhausen groß geworden“) hat sich ebenfalls zum Thema SZ-Bericht gemeldet. Er attestiert dem Artikel zutreffende Feststellungen: „Es ist etwas Wahres dran. Oberhausen wirkt erschöpft und verschwindet immer mehr aus dem Bewusstsein der Menschen. Gehört die Stadt auch heute noch zu den 40 größten Städten in Deutschland, so ist sie aus dem allgemeinen Bewusstsein immer mehr verdrängt worden.“

Die Stadt sei nach dem Ende von Kohle und Stahl im Stich gelassen worden, „getreu dem Motto ,Macht mal’ und das Centro reicht allemal“. Bund und Land hätten versagt. Während andere Ruhrgebietsstädte gefördert worden seien, stehe Oberhausen in Sachen Industrie, Bildung und Forschung „ziemlich leer da“. Nicht einmal für eine Fachhochschule habe es gereicht. Christian Buschmann ergänzt mit Blick auf den rege geförderten Osten der Republik: „Stattdessen zahlt Oberhausen unverändert in die blühenden Landschaften ein und krepiert selber am eigenen Leibe.“

Die Probleme seien oft hausgemacht. Missmanagement der Stadt sei verantwortlich, oft auch äußere Einflüsse. So schränkten die Leistungen der Stadt für den Sozialbereich die Handlungsfähigkeit immer mehr ein: Oberhausen drohe, zum Armen-Ghetto zu werden. „Sollte das so kommen, werden auch die gehen, die noch da sind: Jugendliche, junge Familien, Menschen mit besserer Ausbildung.“

Reaktion von Ernst Käbisch: „Eine tolle Stadt“ 

„Ich finde, Oberhausen ist überhaupt keine erschöpfte Stadt. Es gibt andere Städte im Ruhrgebiet, die viel mehr den Eindruck vermitteln, unter dem Strukturwandel zu leiden.“ Das schreibt Ernst Käbisch und verbindet das mit einem entschlossenen Plädoyer für die Stadt: „Und überhaupt, das muss so jemand aus München erst mal nachvollziehen, wie das ist, wenn zigtausend Bergleute innerhalb kurzer Zeit arbeitslos werden, die Gutehoffnungshütte abgewickelt und damit die größten Arbeitgeber der Stadt ersetzt werden müssen.“

Er fahre immer gerne nach Oberhausen, so Käbisch, der in Ratingen wohnt. „Gelegenheiten bieten sich viele, weil ich immer gerne alte Bergwerke fotografiere und Relikte, die davon in Oberhausen reichlich übrig geblieben sind“.

In kaum einer anderen Stat gebe es solche Relikte der Montanindustrie. „Allen voran ist das Gasometer ein großartiger Ort; das ist die spannendste Ausstellungshalle, die ich kenne mit immer sehenswerten Ausstellungen“, lobt der Ratinger.

„Das neue Einkaufszentrum vom Centro ist zwar nicht so mein Fall, aber immerhin sind hier weitere gute Veranstaltungsorte zentral und gut erreichbar und die Kneipenmeile wird ja ganz offensichtlich gut angenommen. Und wer das Centro nicht mag, hat ja auch in Alt-Oberhausen gute Einkaufsmöglichkeiten. Klasse finde ich das Industriemuseum, wo man sich mit großem Vergnügen umgucken kann.“ Fazit: „Eine tolle Stadt“.