Oberhausen. Wie sehen heute Minister, Handelskammern und Vertreter der Nachbarstädte von Oberhausen die Entwicklung des Oberhausener Einkaufszentrums Centro?

Über 200 Geschäfte mit rund 100 .000 Quadratmetern Verkaufsfläche, dazu Gastronomie, Freizeitangebote und kostenlose Parkplätze – die Nachbarstädte waren nicht gerade begeistert, als in der Stadt der Schwerindustrie ein riesiger Handelsmagnet entstand.

Wie blicken etwa Bottrop und Mülheim heute auf das Centro? Welche Herausforderungen sieht die Industrie- und Handelskammer? Was meint der Landesbauminister, damals SPD-Fraktionsvorsitzender im Rat der Stadt Oberhausen, zur Neuen Mitte? Und wie fällt das Urteil des Immobiliendienstleisters für Gewerbeflächen, Jones Lang LaSalle, aus? Wir baten sie um eine Stellungnahme.

Guido Zakrzewski, stv. IHK-Geschäftsführer „Handel“: Das Centro feiert seinen 20. Geburtstag und wir gratulieren recht herzlich! Die IHK zu Essen hat den Bau des Shopping-, Freizeit- und Entertainmentcenters von Beginn an unterstützt und gefördert. Das Centro war und ist durch seine Einzigartigkeit, seinen Zuschnitt und den Mix an Angeboten mit anderen Standorten nicht zu vergleichen. Daher war es richtig, bei der wirtschaftlichen und planerischen Beurteilung des Investitionsvorhabens vor 20 Jahren andere Maßstäbe anzusetzen.

Es gab im Vorfeld negative Stimmen und Bedenken aus zahlreichen Lagern, letztlich stimmte die regionale Wirtschaft dem damals konzeptionell einmaligen Vorhaben doch zu. Zum Glück! Denn in den letzten Jahren hat sich der Standort sehr erfolgreich entwickelt und ist aus der Handelslandschaft der MEO-Region nicht mehr wegzudenken. Und heute – 20 Jahre später – ist das Centro ein beliebter Anziehungspunkt mit Freizeit- und Erlebnischarakter, der zum Aufschwung, zur Imagebildung und zum Bekanntheitsgrad der Stadt Oberhausen als Tourismusstandort beigetragen hat.

Der stv. IHK-Geschäftsführer
Der stv. IHK-Geschäftsführer "Handel" Guido Zakrzewski © WAZ

Einkaufstourismus in NRW

Mit seinem vielseitigen Sortimentmix und interessanten Events belebt es die Region und beflügelt den Einkaufstourismus in NRW. Natürlich gibt es noch Verbesserungspotenzial: Etwa wie man das Centro besser mit der Stadt Oberhausen verknüpfen und Besucher auch in andere Stadtteile oder gar Nachbarstädte anlocken könnte.

Die einzige Sorge, die uns umtreibt, ist die Nutzung umliegender Areale – wie etwa die der ehemaligen Stahlwerksfläche. Hier besteht die Gefahr, dass das Centro an Strahlkraft einbüßt. Nutzungsvielfalt und -qualität dieser Flächen sollten im Fokus stehen. Wichtig wird es sein, das Qualitätsniveau des Standortes zu halten oder sogar auszubauen, den Vorsprung nicht einzubüßen und die Marktführerschaft in einigen Bereichen zu halten. Nur wenn es immer wieder neue und attraktive Angebote gibt, gelingt es, neue Kunden – auch außerhalb der Region – anzulocken und existierende zu halten.

Denn die Nachbarstädte rüsten im Wettbewerb mit Verkaufsflächen auf. Zudem entstehen neue, großflächige Betriebsformen wie etwa das Factory Outlet Center. Es wird darauf ankommen, dass sich das Centro immer wieder neu erfindet und weiter mit der richtigen Mischung Trends in Handel und Gastronomie für neue Zielgruppen setzt.

Das Centro muss und wird weiter investieren und mit der Zeit gehen – das bringt Beschäftigungs- und Einkommenseffekte und davon profitieren auch die lokale Wirtschaft und Oberhausen. Für die Zukunft wünschen wir dem Centro, dass es innovativ und vielfältig bleibt, damit es trotz ständig neuer Konkurrenz und dem Wachstum des Online-Handels einer der Top-Standorte im deutschen Handel bleibt.

Michael Groschek, NRW-Minister für Stadtentwicklung: Die Marktstraße ist kein Centro-Opfer. Die Fußgängerzone hatte schon lange zuvor mit dem Bero-Zentrum Konkurrenz bekommen. Deshalb gab es ja Pläne, die Innenstadt per Seilbahn mit dem Bero zu verbinden. Die Zeitung berichtete seinerzeit mit einer spektakulären Fotomontage. Erst das Centro hat dazu geführt, dass ein gemeinsames City-Management zustande gekommen ist. Und die Aufwertung der Marktstraße war – ähnlich wie in Sterkrade-Mitte – Teil der Centro-Begleitinvestitionen. Das Centro ist mehr als eine Verkaufsmaschine. Es ist das Herz der neuen Mitte und hat die Weltstar-Arena und die Erlebniswelt rund um die Marina möglich gemacht. Jahr für Jahr zieht es Millionen von Besuchern aus Deutschland und den Nachbarländern zu diesem Ort geballter Attraktionen. Die überregionale Strahlkraft ist also enorm.

 NRW-Bauminister Michael Groschek
NRW-Bauminister Michael Groschek © FUNKE Foto Services

Man muss solche Shopping- und Eventinszenierungen natürlich nicht mögen. Bis heute ist aber absolut unverzeihlich, dass die Rüttgers-Regierung sofort nach Amtsantritt den Ausbau der Neuen Mitte – Teil II gestoppt hat. SPD-Wirtschaftsminister Harald Schartau hatte schon 82 Millionen Euro an Förderung reserviert. Die CDU auf Landesebene, für die das Projekt ein rotes Tuch war, war der Totengräber der weiteren städtebaulichen Aufwertung. So kam, was kommen musste: Das Gelände wurde „notverkauft“. Die Salami-Ansiedlung, die daraufhin stattfand, ist heute zu besichtigen – die Vergeudung eines Filet-Grundstücks.

Ulrich Scholten, Oberbürgermeister der Stadt Mülheim-Ruhr: Natürlich haben wir als unmittelbarer Nachbar vor über 20 Jahren genau hingeschaut, was sich da in Oberhausen entwickelt. Einerseits freute man sich über die Aufbruchstimmung im Revier, andererseits blieb eine kritische Distanz im Hinblick auf die Entwicklung des Einzelhandels in der eigenen Innenstadt.

Oberbürgermeister Ulrich Scholten.
Oberbürgermeister Ulrich Scholten. © Walter Schernstein WAZ

Das Centro hat sich in den vergangenen 20 Jahren etabliert; das Projekt hat an „Strahlkraft“ nichts verloren – einst ein europaweit vorzeigbares „Schaut-mal-was-wir-zu-leisten-in-der-Lage-sind-Projekt“, mittlerweile ein touristisches Highlight im Revier. Oberhausen hat durch das Centro an Profil gewonnen und hat mit ihm auch für die Region Werbung gemacht. „Wir sind mehr als nur Kohle und Stahl – Qualm und Dreck – wir sind innovativ, attraktiv, vielfältig, kulturell, sehenswert“. Und das gilt ja mittlerweile für alle Revierstädte. Das Kulturhauptstadtjahr 2010 hat gezeigt: Gemeinsam sind wir stark, gemeinsam attraktiv. Für Gäste aus dem In-und Ausland gibt es keine Stadtgrenzen. Sie sind an den Highlights der Region interessiert, egal ob in Oberhausen, Mülheim, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen.

„Leben und leben lassen“ ist die Devise, nach der wir Städte im Revier agieren müssen, um zu überleben. Das eigene Profil schärfen, aber mit der Attraktivität der Region werben. So wird es für alle eine Erfolgsstory. Glückwunsch zum 20. Geburtstag.

Marcel Abel, Geschäftsführer des Immobiliendienstleisters JLL Düsseldorf: Das Centro hat neue Maßstäbe gesetzt. Erstmals wurde die aus Großbritannien bekannte Kombination aus Einkaufen, Unterhaltung und Naherholung auch hier baulich umgesetzt. Die Dimensionen der vielen Quadratmeter Verkaufsfläche waren so gigantisch, dass es von Beginn an weit über die Region hinaus strahlte und selbst Kunden aus den Niederlanden und Belgien anlockte.

Marcel Abel Geschäftsführer und Niederlassungsleiter Jones Lang LaSalle (JLL) Düsseldorf
Marcel Abel Geschäftsführer und Niederlassungsleiter Jones Lang LaSalle (JLL) Düsseldorf © WAZ

Vor allem aber ist das Centro ein gutes Beispiel für die Konversion ehemaliger Industrieflächen und den Wandel des Ruhrgebiets. Es beweist, dass die Region viel Potenzial hat, wenn der Mut zur Veränderung besteht.

Sicherlich gibt es Dinge, die man heute – mit 20 Jahren Erfahrung – anders machen würde. So ist das Verkehrsleitsystem an verkaufsstarken Tagen zeitweise überlastet. Gerade die Größe des Centro-Komplexes verlangt zudem eine ständige Anpassung und Modernisierung. Kunden setzen das bei einem Vorreiter ins Sachen Kauferlebnis voraus. Konkret: Der Angebotsmix muss stimmen und die Vorteile der Digitalisierung müssen den Kunden auch beim Einkauf im Centro geboten werden. Schließlich ersetzt das Internet den stationären Handel nicht – es ergänzt ihn. Diese Herausforderungen muss das Centro meistern, damit es seine Strahlkraft behält.

Andreas Pläsken, Pressesprecher der Stadt Bottrop: Das Verhältnis Bottrops zum Centro-Projekt war immer ein schwieriges und ist es auch heute noch. Denn seit der Eröffnung fahren auch viele Bottroper dorthin zum Einkaufen, was sich seit vielen Jahren sichtbar negativ auf die Bottroper Innenstadt als Einkaufslage auswirkt. Zumal die Bottroper City zwischen dem Centro und dem Essener Einkaufspark am Limbecker Platz praktisch in einer Art Zange eingezwängt ist.

Andreas Pläsken, Pressesprecher und Leiter der Stabsstelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Bottrop
Andreas Pläsken, Pressesprecher und Leiter der Stabsstelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Bottrop © WAZ

Doch lamentieren hilft da ebenso wenig wie die Forderung einiger Interessenvertreter hier, die Buslinie SB 91 zum Centro einzustellen, damit weniger Bottroper dorthin auspendeln. Das Centro ist eine Herausforderung, die wir zumindest städtischerseits angenommen haben mit einer kompletten Erneuerung der City, die mit der Sanierung der Gladbecker Straße und dem Umbau des ehemaligen Karstadt-Hauses ab diesem Jahr in den Endspurt geht.

Die Oberhausener haben auf den großen Einkaufstempel gesetzt, wir Bottroper müssen unsere eigene Handelsmarke mit dem Mehrwert der kurzen Einkaufswege besetzen! Aus touristischer Sicht betrachtet ist das Centro ein Magnet für auswärtige Gäste ebenso wie der Movie Park, Schloss Beck, das Alpincenter, oder das Grusellabyrinth.