Oberhausen. . Fünf Jahre nach Ausfall zweistelliger Millionenkredite der Sparkasse Oberhausen ist klar: Die Kündigung des Ex-Vorstandschef ist unwirksam.

  • Der frühere Vorstandschef Karlheinz Merzig war Anfang 2012 fristlos entlassen worden
  • Die Stadtsparkasse warf Merzig vor, den Risikoausschuss getäuscht zu haben
  • Zwei zweistellige Millionen-Darlehen langjähriger Sparkassenkunden gingen verloren

In dem seit 2011 laufenden Skandal um den Ausfall von zweistelligen Millionenkrediten hat die Stadtsparkasse Oberhausen eine empfindliche Prozessniederlage erlitten. Die spektakuläre fristlose Kündigung gegen ihren früheren, über zehn Jahre lang amtierenden Vorstandschef Karlheinz Merzig von Anfang 2012 war nicht rechtens – und ist damit unwirksam.

Das steht nun abschließend fest, weil der Bundesgerichtshof klarstellte (II ZR 60/15), dass es die von der Sparkasse gewünschte Revision gegen das Unwirksamkeits-Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 29. Januar 2015 (Az. I-10 U 5/14) nicht zulassen wird.

Horrende Totalausfälle

Der Sparkassen-Verwaltungsrat mit SPD-Ratsfraktionschef Wolfgang Große Brömer an der Spitze hatte Merzig zum Jahreswechsel 2011/12 fristlos herausgeworfen, weil er den für Millionen-Kredite zuständigen Risikoausschuss der Sparkasse in die Irre geführt haben soll – durch unvollständige und verspätete Berichte oder sogar durch falsche Aussagen.

Die Sparkasse machte Merzig als oberstes Mitglied des dreiköpfigen Vorstandes zunächst alleine dafür verantwortlich, dass das Geldinstitut bei zwei langjährigen Kreditnehmern horrende Totalausfälle verbuchen musste. Über 22 Millionen Euro gingen beim Königshardter Sportartikel-Händler Sport-Concept verloren, über 15 Millionen im Geschäftskomplex Stanz- und Umformtechnik Jancer GmbH (SUJ).

Ganz schön viel Verlust für eine Sparkasse, die 2010 nur 18 Millionen Euro Betriebsergebnis erwirtschaftete – und vor Gericht eingestehen musste, dass sie durch die beiden Debakel in eine „wirtschaftlich prekäre Lage“ geraten war.

Sparkasse muss wohl Gehalt von Ex-Chef weiter zahlen

Die aktuelle Prozessniederlage kam die Sparkasse teuer zu stehen: Auch wenn hierzu noch Verfahren laufen, muss sie am Ende wohl Merzig sein auf über 300.000 Euro geschätztes Jahresgehalt weiter bezahlen, so als ob er weiter beschäftigt worden wäre – zumindest bis Mitte 2014. Zu diesem Zeitpunkt schob die Sparkasse weitere Kündigungen gegen Merzig hinterher – weil er sich vor Gericht falsch verhalten haben soll. Gegen diese Kündigungen laufen noch Klagen von Merzig. Zudem dürfte Merzig später seine nicht geringen Pensionsrechte fast komplett erhalten.

Nicht auszuschließen ist, dass Merzig Schadenersatz für Rufschädigung und Geldeinbußen verlangt. Sein Vertrag war sogar noch Ende 2010 vom Verwaltungsrat bis Mai 2016 verlängert worden.

Die Sparkasse hatte den Kündigungsprozess vor dem Landgericht Duisburg vom Juni 2013 zunächst klar gewonnen (22 O 93/12), dann jedoch vor dem Oberlandesgericht 2015 genauso klar verloren. Die Richter dort warfen der Sparkasse vor, nach ersten Erkenntnissen über angeblich schwere Fehler von Merzig zu lange mit der Kündigung gewartet und so eine Zwei-Wochen-Frist versäumt zu haben.

Aber auch inhaltlich fanden die Richter keinen gewichtigen Grund, der die harsche Kündigung rechtfertigte. Es würden die Beweise dafür fehlen, dass Merzig selbst Unwahres oder Unvollständiges zu den Kreditfällen ausgesagt habe. Zudem sei der Sparkassenvorstand insgesamt verantwortlich – und nicht Merzig alleine. Deshalb sei es verwunderlich, dass die Sparkasse nur gegen Merzig vorgegangen sei.

Tatsächlich hatten Vorstandsmitglieder und Risikoausschuss die Millionenkredite in beiden Komplexen bis Frühjahr 2011 mit abgesegnet.

Kündigungsfrist von zwei Wochen versäumt

Nach § 626 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) kann eine Kündigung fristlos aus wichtigem Grund erfolgen, wenn die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Die fristlose Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen ab dem Zeitpunkt erfolgen, wenn die maßgebenden Tatsachen für die Kündigung dem Arbeitgeber bekannt werden.

Im Merzig-Fall ließ der Sparkassen-Verwaltungsrat nach Verdacht auf schwere Versäumnisse Fachleute der PwC-Unternehmensberatung ab Juni 2011den Sachverhalt ermitteln, das Gutachten wurde erst nach mehreren Monaten Ende Dezember 2011 endgültig fertig. Das Oberlandesgericht fand diese Zeit zu lang. Die Kündigung am 2. Januar 2012 habe die Frist versäumt.

Reaktionen: Sparkasse enttäuscht, Merzig-Anwalt zufrieden 

Die Reaktionen auf die endgültige Niederlage der Sparkasse im Fall der fristlosen Kündigung ihres früheren Vorsitzenden Karlheinz Merzig fallen naturgemäß gegensätzlich aus.

Merzigs Anwalt Niels-Ansgar Maisch (Kanzlei Schröder Fischer) sieht den Prozesserfolg seines Mandanten als späte Genugtuung – und als Bestätigung dafür, wie viel Unrecht man Merzig angetan habe. „Die Sparkasse zieht die gerichtliche Auseinandersetzung teilweise künstlich in die Länge und hat sich mit ihrer Strategie, Herrn Merzig als Hauptverantwortlichen darzustellen, völlig vergaloppiert. Sie war in diesem Prozess nie in der Lage, klar vorzulegen, wann denn Herr Merzig welche Pflicht verletzt haben und welcher Schaden dadurch konkret für die Sparkasse entstanden sein soll. Herr Merzig wurde durch das ungerechtfertigte Vorgehen seines Arbeitgebers nicht nur finanziell getroffen, sondern es wurde besonders auch sein Ansehen in der Bankenwelt schwer beschädigt.“

Die Sparkasse selbst reagiert enttäuscht. Sie bedauere es, dass die umfassend begründete Entscheidung des Landgerichts Duisburg aufgehoben worden sei, heißt es in einer Stellungnahme. Sie halte eine andere Entscheidung für sachgerecht. Sparkassen-Verwaltungsratsvorsitzender Wolfgang Große Brömer meint: „Wir haben die Kreditfälle mit der Beauftragung der Unternehmensberatung PwC sehr sorgfältig aufarbeiten wollen, um dann fundiert die Kündigung auszusprechen. Da wird uns nun vorgehalten, wir hätten die Kündigungsfrist nicht eingehalten. Wir empfinden das als ungerecht.“

Zu dem Kreditdebakel der Sparkasse laufen derzeit noch mehrere juristisch gesehen unabhängige Prozesse – zivil-, arbeits- und strafrechtlich. So hat die Sparkasse alle früheren mit den beiden desaströs verlaufenden Kreditkomplexen betrauten Vorstandsmitglieder verklagt – und fordert Schadenersatz über deren Manager-Haftpflichtversicherung.

Die Sparkasse versichert, es sei rein juristisch noch nicht klar, ob sie Merzigs Gehalt zahlen müsse, weil dazu noch ein Verfahren laufe. „Sollten wir zahlen müssen, bedeutet das keine neue finanzielle Belastung, da wir dafür in unserer Bilanz Risikovorsorge betrieben haben“, sagte der jetzige Sparkassenchef Bernhard Uppenkamp. Man sei zudem optimistisch, mögliche Ansprüche von Merzig mit Gegenforderungen der Sparkasse verrechnen zu können.