Oberhausen. . Pro-Familia-Ärztin führt in Flüchtlingsheimen in Oberhausen Sexualberatungen durch. Sie wurde zweimal Zeugin von sexuellen Übergriffen auf Frauen.
- Beratungsstellenleiter klärt schon zwölfjährige Pornogucker an Schulen auf
- Mangelnde Privatsphäre in Asylunterkünften ist ein zunehmendes Problem
- Immer mehr Väter in der Stadt interessierten sich für das staatliche Elterngeld
1246 Beratungen führte das Oberhausener Pro-Familia-Team im vergangenen Jahr durch. Zu den traditionellen Aufgaben wie Schwangerschaftskonfliktberatung (453 Beratungen) und Vorgeburtsdiagnostik (38 Beratungen) sind weitere dazukommen. Vor allem die Flüchtlingskrise, aber auch sexuelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen in den Unterkünften vor Ort hielt die Mitarbeiterinnen auf Trab.
„Das Thema Flucht war und ist das zentrale Thema des vergangenen Jahres“, erzählt Dr. Christine Gathmann (Ärztin und stellv. Leiterin) bei der Vorstellung des Jahresberichtes 2015. Als sie im letzten Sommer die Anfrage einer Erstunterkunft für Flüchtlinge erreichte, ob sie nicht bereit wäre, an der Stötznerschule eine Infoveranstaltung zur sexuellen Gesundheit durchzuführen, sagte sie sofort zu. 20 Frauen und vier Dolmetscher nahmen teil.
Verhütung und sexuelle Gewalt
Doch Gathmann erkannte: „Wenn ein Mann übersetzt, bekommen die Frauen kein Wort heraus.“ Die Lösung: Einzelsprechstunden in zwei Flüchtlingsunterkünften (Stötzner- und Fröbelschule). 26 Frauen nutzten dieses Angebot und löcherten sie zu Themen wie Zyklus, Verhütung oder sexuelle Gewalt.
„Letzteres ist vor allem wegen der fehlenden Privatsphäre in vielen Unterkünften ein Problem für Frauen und Mädchen“, sagt Gathmann. Zweimal sei sie noch während ihrer Sprechstunden über gerade geschehene sexuelle Übergriffe informiert worden.
Da die Unterkunft an der Fröbelschule inzwischen geschlossen ist und die an der Stötznerschule in diesem September geschlossen wird, führt Gathmann ihre Sprechstunden nun an der Unterkunft Ruhrorter Straße durch. „Die Kosten übernimmt die UNO-Flüchtlingshilfe.“ Dringend gesucht würden aber noch Dolmetscherinnen.
Um das Themenfeld Bundeselterngeld kümmert sich seit Juni 2015 Svenja Holz. Einige bedeutende Änderungen im Bundeselterngeldgesetz bescherten der neuen Kollegin einen großen Zulauf von ratlosen Elternpaaren. „Die Möglichkeiten, die das Gesetz einräumt, sind für werdende Eltern immer schwerer nachzuvollziehen“, weiß die Pro-Familia-Fachfrau. Bleibt eine Mutter etwa ein Jahr zu Hause, erhält sie rund 65 Prozent ihres Einkommens. „Wer sich aber rasch zu einer Berufsrückkehr in Teilzeit entschließt, kann das Elterngeld Plus beantragen – und damit aus zehn Elterngeld-Monaten 20 Monate machen“, erläutert Holz.
Medienkompetenz von Eltern und Schulen erweitern
Auch immer mehr Väter interessierten sich für die staatlichen Ausfall-Leistungen. „Doch da sie meist nach wie vor die Hauptverdiener sind, verzichten sie letztlich meist doch auf ihre Elternzeit.“ Dabei gebe es durchaus Möglichkeiten: „Würden beide Elternteile vier Monate lang in Teilzeit arbeiten, erhielten sie zum Beispiel einen besonderen Partnerschaftsbonus.“
Auch die sexualpädagogische Beratung nahm erneut einen großen Raum in der Pro-Familia-Arbeit ein: Allein 63-mal war Andreas Müller in Oberhausener Schulen unterwegs und erreichte so 700 Schüler.
Was der Beratungsstellen-Leiter besonders problematisch findet: „Viele Jungs haben bereits ab zwölf Jahren über ihr Handy Zugang zu Pornos, die sich die Kinder gegenseitig zuschicken.“ Da sich die Heranwachsenden aber ungern mit ihren Eltern über sexuelle Themen unterhielten, blieben sie mit den Bildern in ihrem Kopf häufig alleine. Müller fordert eine bessere Medienkompetenz von Eltern und Schulen und sorgte bei Projektwochen selbst für Aufklärung. Er wies die Kinder nicht nur darauf hin, dass das Verschicken dieser Pornos rechtswidrig ist. „Sondern auch darauf, dass viele der Frauen, die darin zu sehen sind, vor laufender Kamera vergewaltigt wurden.“ Ein Schock für die Jugendlichen. „Aber hoffentlich ein heilsamer.“