Oberhausen. Der Möbelriese sorgte schon in mehreren Städten für Unruhe bei den Arbeitnehmern. Das Unternehmen hält sein Vorgehen indes für rechtlich einwandfrei.

Alle Betriebsräte sind gekündigt. Auch andere Mitarbeiter wurden dazu verlockt, von der vermögenden Mutter- zu einer mittellosen Tochtergesellschaft zu wechseln, angeblich ohne Nachteile für sie. Zumindest versprach dies nach Angaben von Betroffenen und Betriebsräten der Arbeitgeber. Nach einem halben Jahr wurden die Arbeitnehmer in der neuen Tochterfirma allerdings betriebsbedingt gekündigt – un­ter Verlust ihrer früheren Besitzstände.

Das Vorgehen von XXXL in Oberhausen ist nach Darstellung von Gewerkschaftern nicht neu: Seit Jahren ist der österreichische XXXL-Konzern bundesweit auf Einkaufstour. 2012 fiel er in München durch solche Art des Jobabbaus auf, später in Mannheim. Anfang 2014 übernahm XXXL das Möbelhaus Rück im Schladviertel und vor kurzem Wohnwelt Pallen bei Aachen.

Sozialer Frieden gefährdet?

Für viele Gewerkschafter und Betriebsräte gefährdet das Vor­gehen des Konzerns den sozialen Frieden in Deutschland, sollte es Schule machen. Bei einer Tagung in Oberhausen berieten sie kürzlich anhand des Beispiels von XXXL, wie man Arbeitnehmerrechte und die gesetzliche Mitbestimmung in Deutschland besser schützen kann.

Das Spektrum der Vorschläge reichte dabei von der offenen Agitation über Versuche, die Gesetzgebung zu ändern, bis hin zu strafrechtlichen Schritten. Die wurden im Fall Rück bereits mit einer Strafanzeige wegen Betrugs eingeleitet (wir berichteten). Zur Zeit läuft die Beschwerde dagegen, dass die Staatsanwaltschaft die Aufnahme von Ermittlungen für unnötig hielt.

Betriebsräte und Gewerkschafter aus dem Raum Aachen waren gekommen, um von den Rück-Kollegen zu erfahren, was womöglich auch auf sie bald zukommt. Denn bei Rück gibt es seit Sommer 2015 keinen Betriebsrat mehr. Nach Angaben von Bernd Borgards, dem früheren Betriebsratschef, haben vier der 2014 gewählten neun Betriebsräte das Unternehmen verlassen. Die übrigen fünf und die vier für sie nachgerückten Mitglieder sind alle betriebsbedingt gekündigt worden und haben auf Wiedereinstellung geklagt. XXXL erkennt das Mandat des Betriebsrats nicht mehr an.

"Aufhebungsvertrag hebelt alles aus"

68 Beschäftigten wurde zur Jahreswende 2014/15 der Wechsel zu neugegründeten Dienstleistungsgesellschaften schmackhaft gemacht. Diese Rück-Tochterfirmen sollten einzelne Dienste des Möbelhauses fortführen, so auch den Verkauf. Dabei wurde ihnen gegenüber so getan, als hätte dieser Wechsel für sie keinerlei negative Konsequenzen. Ein halbes Jahr später jedoch wurde ihnen betriebsbedingt und unter Verlust ihrer bis dahin erzielten Besitzstände gekündigt. Dem Tochterunternehmen war die Aufgabe binnen 14 Tagen entzogen worden. Da es nur diesen Auftraggeber hatte, gab es keine Arbeit mehr. Andere Mitarbeiter hätten zugestimmt, dass ihre Verträge bei besserer Bezahlung von unbefristeten in Ein-Jahres-Verträge umgewandelt wurden, hieß es bei der Tagung. Sie müssten damit rechnen, dass ihre Verträge nach ei­nem Jahr nur noch zu schlechteren Bedingungen verlängert werden.

Wir haben uns an alle Gesetze gehalten

In einer früheren Stellungnahme hatte XXXL betont, sich bei dem Übergang der Mitarbeiter auf die neuen Töchter an die Gesetze gehalten zu haben.

Zum Fehlen eines Betriebsrats erklärt Pressesprecher Julian Viering, die Darstellung von Bernd Borgards stimme so nicht. „Das Mandat des ehemaligen Betriebsrats ist schlicht zeitlich abgelaufen, ohne dass Neuwahlen durchgeführt wurden.“ Mit den Kündigungen oder Freistellungen habe das nichts zu tun.

Allerdings hat das Arbeitsgericht Oberhausen nach Angaben von Borgards in einem Eilverfahren über die Bedingungen einer Betriebsrats-Neuwahl schlicht entschieden: Es müsse nicht gewählt werden, der 2014 gewählte Betriebsrat sei weiter im Amt.

„So ein Aufhebungsvertrag hebelt alles aus, alle Ansprüche“, zeigte sich Hans-Peter Grashoff entsetzt. Der Betriebswirt berät einige Betroffene. Er un­terstützt die Strafanzeige. Außerdem plädiert er dafür, für die nötige politische Un­terstützung zu werben, damit im Strafrecht und im Wirtschaftsrecht der Begriff der „fingierten Betriebsschließung“ verankert wird. „Es muss verhindert werden, dass das zum gängigen Verfahren wird.“

Gewerkschafter von Verdi setzen sich dafür ein, die Rechtslage durch die Hans-Böckler-Stiftung untersuchen zu lassen.