Oberhausen. Gekündigte Arbeitnehmer in Oberhausen zeigen den Möbelriesen XXXL an, die Justiz aber sieht keinen Anfangsverdacht. Waren Entlassungen geplant?

Seit 1976 gibt es das Möbelhaus Rück im Schladviertel. Anfang 2014 verkaufte die Eigentümerfamilie Rück-Kröger das Haus an die österreichische XXXL-Unternehmensgruppe. Schon kurze Zeit später wurden erste Befürchtungen laut, der Übergang könnte mit Personalabbau im großen Stil verbunden sein.

Rück beschäftigte damals rund 330 Mitarbeiter. Anderthalb Jahre später, zum 31. Juli 2015, wurden tatsächlich 68 Mitarbeiter betriebsbedingt gekündigt. Im Herbst de­monstrierten Verdi-Gewerkschafter mit den betroffenen Arbeitnehmern vor dem Möbelhaus an der Straßburger Straße.

Seit den Kündigungen sind die Arbeitsgerichte mit den Fällen befasst. Die Gekündigten sehen im Vorgehen von XXXL aber auch strafbare Handlungen – sie fühlen sich von XXXL betrogen. 26 ehemalige Mitarbeiter unterzeichneten sogar eine Strafanzeige gegen die XXXL-Gruppe, die Staatsanwaltschaft Duisburg hat diese aber binnen zehn Tagen als haltlos zurückgewiesen.

Fünf rechtlich selbstständige Gesellschaften haben Anfang 2015 unter dem Dach der „Möbelstadt Rück“ die Dienste für das Möbelhaus übernommen – vom Einkauf bis zur Auslieferung der Möbel.

Wechsel schmackhaft gemacht

Der freiwillige Wechsel zu einer dieser Gesellschaften wurde den Betroffenen schmackhaft gemacht, indem ihnen nach Angaben der Betroffenen schriftlich dargelegt wurde, dass sich außer diesem formalen Übergang auf einen anderen Arbeitgeber für sie nichts ändern würde – vor allem nicht an ihren Besitzständen und an ihrem Status.

„Ihr Arbeitsverhältnis bleibt unverändert“, heißt es im Schreiben an eine Mitarbeiterin, die zustimmen sollte, dass sie künftig für die neue Vertriebs-Gesellschaft arbeiten würde. Die, so hieß es, trete in alle Rechte und Pflichten aus ih­rem alten Arbeitsverhältnis ein, so etwa in den Anspruch auf eine betriebliche Altersversorgung.

Das sagen die Paragraphen


§ 613a des Bürgerlichen Gesetzbuchs verpflichtet Arbeitgeber, bei einem Betriebsübergang, wenn es also nicht zu einer Betriebsschließung kommt, die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten für mindestens ein Jahr unverändert zu übernehmen. Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Firmeninhaber hat die Ar­beitnehmer schriftlich über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen zu informieren, ebenso über die in Aussicht genommenen Veränderungen.

In § 263 des Strafgesetzbuchs heißt es über Betrug: „Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Schon der Versuch ist dabei strafbar.

Staatsanwaltschaft befand Strafanzeige für gegenstandslos

Was die Mitarbeiter nicht wussten: Die Möbelstadt Rück konnte ihrer neuen Dienstleistungs-GmbH den Vertrag über die Übernahme des Vertriebs an der Straßburger Straße binnen 14 Tagen kündigen. Und die wiederum konnte danach ihren Mitarbeitern betriebsbedingt kündigen, weil ihr damit ja die Existenzgrundlage entzogen war. Folge für die Beschäftigten: Sie verloren ohne jeden sozialen Ausgleich ihre Jobs. So kam es Mitte 2015 für 68 Mitarbeiter.

In ihrer Strafanzeige vom 1. März schrieben die Betroffenen: „Das enorme Risiko, innerhalb von 14 Tagen ei­nen Arbeitgeber zu haben, dessen Betriebszweck aufgrund der Vertragsgestaltung wegfällt und der dann allen Mitarbeitern meint, kündigen zu müssen, ist in keiner Weise in dem Informationsschreiben erwähnt.“ Über diese feststehende Tatsache seien sie somit getäuscht worden und hätten deshalb dem Betriebsübergang nicht widersprochen. Diese Täuschung aber erfülle den Tatbestand des Betrugs, meinen die Betroffenen. Denn durch den Verlust ihrer Arbeitsplätze sei damit ein Vermögensschaden bei ihnen eingetreten.

Nur zehn Tage später befand die Staatsanwaltschaft die Strafanzeige für gegenstandslos. „Ich vermag keine Anhaltspunkte dahingehend zu entnehmen, dass Rück von Anfang an beabsichtigte, den Dienstleistungsvertrag nach wenigen Monaten zu kündigen und Sie als Ar­beitnehmer sodann zu entlassen“, schrieb die Staatsanwältin. Es sei davon auszugehen, dass wirtschaftliche Erwägungen hinter diesem Schritt gestanden hätten.

Die Erstatter der Anzeige haben nun Beschwerde gegen diese Entscheidung eingereicht.

Das sagt XXXL Rück zu der Betrugsanzeige

In der Deutschland-Zentrale von XXXL in Würzburg weiß man von der Strafanzeige der gekündigten Mitarbeiter gegen Rück nichts. Es gebe auch keinen Grund, sie weiterzuverfolgen, teilt Pressesprecher Julian Viering mit. Denn „sowohl die Vertragsgestaltung wie die Handhabung des Vertrages entspricht den gesetzlichen Gegebenheiten.“ Das sei auch bei den Verfahren vor den Arbeitsgerichten nicht in Frage gestellt worden.

Viering gibt gleichzeitig einen Überblick über den Personalabbau in dem Bereich: Wegen einer notwendigen Umstrukturierung im Verkaufshaus XXXL Rück sei im August 2015 für 68 Beschäftigte ein Interessenausgleichsverfahren zur damaligen Betriebsschließung durchgeführt worden, berichtet er. „Daneben gab es einen Sozialplan, der die Mitarbeiter für den Verlust ihrer Arbeitsplätze finanziell entschädigte.“

63 Beschäftigte hätten darauf mit einer Kündigungsschutzklage reagiert. Der XXXL-Sprecher weiter: „Davon konnten 28 Verfahren durch einen Vergleich beendet werden. In weiteren 28 Verfahren gab es Urteile des Arbeitsgerichts, die zum Teil zugunsten und zum Teil zu Lasten der Arbeitgeberseite ausfielen.“ Fünf Verfahren seien noch nicht entschieden. Dazu gebe es weitere Gerichtstermine. In den übrigen Fällen seien die Klagen zurückgenommen worden.

„Wir streben an, alle noch offenen Verfahren durch einen Vergleich zu beenden“, so der Sprecher weiter. Das versuche man auch bei den Prozessen, die man verloren habe und die jetzt beim Landesarbeitsgericht liegen.