Oberhausen. Wie die Bürger von der Stadt verlangt auch Oberhausen Müllgebühren zurück, erinnert Rechtsdezernent Frank Motschull im Interview. Er spricht auch über Decathlon-Ansiedlung.

Nachdem der Sportartikelhändler Decathlon nun einen neuen Anlauf nimmt, auf dem ehemaligen Stahlwerksgelände eine Filiale zu bauen, stellt sich die Frage, wie sich das Gelände in Zukunft entwickelt. Rechtsdezernent Frank Motschull im großen Interview über die Schwierigkeiten bei Bebauungsplänen und zu viel gezahlten Müllgebühren.

Die Bürger warten auf die Rückerstattung der zu viel gezahlten Müllgebühren. Wann ist es so weit?

Frank Motschull: Wir prüfen gerade, welche Preise für die Jahre 2012 und 2013 zugrunde zu legen zu sind. Die Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster und der Preisprüfung Düsseldorf haben sich ausschließlich mit den Gebühren aus dem Jahr 2011 beschäftigt. Nun wird es eine neue Berechnung durch die GMVA geben. Sobald die vorliegt, wird die nach Düsseldorf zur Preisprüfung geschickt. Diese Preise sind dann die Grundlage für 2012 und 2013, für das Jahr 2010 gilt dieselbe Grundlage wie für 2011. Dann haben wir eine feste Berechnungsgrundlage. Wenn das so weit ist, wird der Kämmerer die Rückerstattung anweisen. Allerdings unterschiedlich: Für die Jahre 2010 und 2011 nur an diejenigen Bürger, die geklagt haben, für die Jahre 2012 und 2013 an alle. Das ist immer so kommuniziert worden.

Wie werden die zukünftigen Müllgebühren aussehen?

Motschull: Die sind auch zu reduzieren. Im Jahr 2014 ist die Gesellschaftsstruktur bei der GMVA geändert worden, dazu läuft noch ein Berufungsverfahren beim OVG Münster. Die Tendenz ist, dass das Gericht feststellen wird, trotz dieser Umfirmierung ebenfalls öffentliches Preisrecht anzuwenden. Dann hätten wir dieselbe Berechnungsgrundlage wie 2012 2013 und müssten für 2014 und 2015 darauf aufbauen. Der Preis pro Tonne würde also niedriger sein als der, den wir als Stadt gezahlt haben. Also würden für die Jahre 2014 und 2015 auch Rückzahlungen für die Bürger erfolgen. Gleichzeitig überprüfen wir – Duisburg und Oberhausen –, welche Rückforderungen wir denn an die GMVA richten können. Die Geschädigten sind ja nicht allein die Bürger, sondern auch wir als Stadt. Wir haben als Anlieferer ja auch pro Tonne zu viel bezahlt. Das wollen wir natürlich zurück haben.

...und bringen damit die GMVA in wirtschaftliche Schwierigkeiten.

Motschull: Wenn die Städte ihre Rückforderungen an die GMVA richten, gibt es vielleicht Liquiditäts- und damit Insolvenzschwierigkeiten. Das will man vermeiden. Also versuchen wir, einen Weg zu finden, dass die Städte zum einen die zu viel gezahlten Gelder zurück bekommen, gleichzeitig die GMVA überlebensfähig halten. Das ist kompliziert.

Wäre es eine Möglichkeit, die Rückzahlungen der GMVA an die Städte zeitlich zu strecken?

Motschull: Wir müssen sehen, welche Wege es gibt. Es ist klare Absicht aller drei Gesellschafter – Duisburg, Oberhausen und Remondis –, die GMVA überlebensfähig zu halten.

Warum?

Motschull: Weil die Prognosen ab dem Jahr 2020 günstiger aussehen. Bis 2020 laufen die Verträge, bis dahin müssen noch die Altschulden an die damaligen Kreditgeber abbezahlt werden. Dann besteht die Möglichkeit, sich wirtschaftlich anders aufzustellen.

Richten wir den Blick auf das ehemalige Stahlwerksgelände. Decathlon will hier mithilfe eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes eine Filiale errichten.

Motschull: Ja, die Stadt hat aber keinen Vergleich vor Gericht geschlossen. Ein Rückblick: Es ging um eine Bauvoranfrage. Nach Ansicht der Stadtverwaltung hätte man diese Anfrage positiv entscheiden können. Dann aber sind wir von der Bezirksregierung angewiesen worden, sie abzulehnen. Das ist sehr ungewöhnlich.

Warum?

Motschull: Normalerweise weist eine Bezirksregierung in solchen Fällen nicht gern an. Denn wenn ein gerichtliches Verfahren zu dem Ergebnis kommt, die Ablehnung sei unrechtmäßig, könnte ein potenzieller Investor Schadensersatz fordern, weil er seine Einnahmen erst später realisieren kann.

In diesem jüngsten Prozess hat das Gericht zu verstehen gegeben, dass im Falle einer Entscheidung der gesamte damalige Bebauungsplan unwirksam werden könnte. In einer Sitzungsunterbrechung diskutierten die Beteiligten die Möglichkeiten: Entweder nimmt Decathlon die Klage zurück oder die Stadt Oberhausen hebt ihre negative Entscheidung auf – und damit ist die Prüfung der Bauvoranfrage erneut in der Welt. Nun hat Decathlon einen Antrag auf Durchführung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes gestellt, der ausschließlich seine Ansiedlung möglich macht. Jetzt wird geprüft.

Vorausgesetzt Decathlon dürfte bauen, würde das bedeuten, dass es immer wieder vorhabenbezogene Bebauungspläne geben könnte?

Motschull: Bei den Neuansiedlungen wäre das eine Möglichkeit. Ein vorhabenbezogener Bebauungsplan wäre auch bei der Umsiedlung Möbel XXXL Rück zum Stahlwerksgelände denkbar. Parallel wird daran gearbeitet, den gesamten Bebauungsplan unter Beachtung der Ausführungen des Gerichtes abzuändern und neu aufstellen.

Das heißt, eine Änderung des Bebauungsplanes könnte zentrenrelevanten Einzelhandel zulassen?

Motschull: Diese Entscheidungen liegen im Planungsbereich der Stadtverwaltung.

Das könnte die Nachbarstädte ärgern...

Motschull: Man müsste sich mit ihnen verständigen und versuchen, Einvernehmen herzustellen.

Würde man stets vorhabenbezogene Bebauungspläne aufstellen, würde damit der ursprüngliche Bebauungsplan ausgehebelt werden.

Motschull: Im Grunde ist es nur eine andere technische Möglichkeit. Es sind ja weiterhin alle rechtlichen Fragen zu beachten. Es ist zu beachten, welche Unternehmen und Angebote dorthin dürfen und welche nicht. Auch Decathlon muss im Rahmen des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes zum Beispiel vorlegen, was sie auf wie viel Quadratmetern anbieten. Es ist noch nichts entschieden, es wird noch geprüft. Wenn der Aufstellungsbeschluss vorliegt, muss die Politik entscheiden.

Macht die sogenannte Seveso-III-Richtlinie, eine EU-Richtlinie zur Beherrschung von Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, bei den Bebauungen im Bereich der Neuen Mitte durch die Nähe zu Air Liquide Probleme?

Motschull: Air Liquide lagert dort Chlorgas. Das ist gefährliches Material. Im Grunde muss laut Richtlinie dort ein Achtungsabstand von 1300 Metern eingehalten werden. Aber durch ein Gutachten und Gespräche mit Air Liquide und der Bezirksregierung haben wir eine Vereinbarung getroffen, dass wir den Abstand auf 550 Meter reduzieren können. Ansonsten hätte fast ein Drittel des Stahlwerksgeländes nicht bebaut werden können.

Dort, wo das ehemalige Fitnessstudio an der Essener Straße abgerissen worden ist, wo der Bau eines Hotels und Gastronomie geplant ist, passiert im Moment nicht viel. Eine Folge der Seveso-Richtlinie?

Motschull: Ja, dort ist es kritisch. Das Gelände liegt direkt auf der Kante, der Abstand beträgt nur rund 450, 480 Meter. Das ist schwierig. Da sind wir noch in der Prüfung.

„Wir wollen einen Ausbildungsberuf etablieren“ 

Der Kommunale Ordnungsdienst wird aufgestockt – sind die Stellen bereits besetzt?

Motschull: Nein. Wir haben aber viele Bewerbungen bekommen, mehr als 40. Die meisten Bewerber kommen aus Oberhausen. Wir entwickeln gerade ein Anforderungsprofil. Die Mitarbeiter sollen besonders qualifiziert werden, das ist auch das Ansinnen des Personalrats. Denn das ganze Umfeld wird doch etwas schwieriger.

Der Bedarf wird also zunehmen?

Motschull: Ja, die Problematiken werden nicht weniger. Wir wollen zukünftig einen Ausbildungsberuf innerhalb der Verwaltung etablieren.

Was sollten die Personen denn als Voraussetzung mitbringen?

Motschull: Man muss wissen, wie man mit Menschen umgeht, und trotzdem ein wirkungsvolles Auftreten haben. Man muss körperlich fit sein, darf Konflikte nicht scheuen und sollte standfest sein.

Wann ist das neue Personal da?

Motschull: Es wäre schön, wenn wir im Mai, Juni so weit wären.

Der Kommunale Ordnungsdienst soll in Zukunft verstärkt Ordnungswidrigkeiten ahnden. Werden die Bürger, die sich nicht an die Regeln halten, also mehr zur Kasse gebeten?

Motschull: Das soll so sein. Wir haben vor, die Einsatzzeiten zu verändern, mehr in den Abendbereich und am Wochenende. Die Präsenz wird zunehmen.

Kann man sich in Oberhausen sicher fühlen?

Motschull: Ich lebe seit meinem zweiten Lebensjahr in Oberhausen. Ja, in einer Stadt mit rund 208.000 Einwohner gibt es Straftaten, aber die Vorfälle sind absolut überschaubar. Das hat der Polizeipräsident in einer Sitzung des Umweltausschusses gesagt. Ich glaube, es hat auch mit dem Alter zu tun. Als 30-Jähriger geht man um fünf Uhr vielleicht locker vom Altenberg zum Hauptbahnhof durch den Tunnel. Mit 50 macht man das vielleicht auch noch, aber man denkt mehr nach. Ich bin noch nie überfallen, noch nie blöd angemacht worden. Freunde und Bekannte auch nicht. Ja, der eine oder andere wird überfallen. Doch das hat es auch vor 20 oder 30 Jahren gegeben. Aber dass man damit rechnen muss, dass man überfallen wird, das empfinde ich nicht so.

Sollten Angsträume reduziert werden – zum Beispiel durch mehr Beleuchtung?

Motschull: Ja. Da gibt es ja auch unterschiedliche politische Forderungen. Plätze mehr auszuleuchten, Parkanlagen anders zu gestalten – über solche Dinge kann man nachdenken. Wenn neue Plätze, Wege oder Gebäude errichtet werden, dann wird dies auch bereits heute im Planungsbereich beachtet.

Das Gespräch mit dem Rechtsdezernenten führten:
Denise Ludwig und Peter Voss.