Oberhausen. In der Garde der KG Grün-Rot Wagaschei üben Jungs und Mädel das gesamte Jahr für die Session. Warum Garde-, Show- und Mariechentanz mehr ist als Hobby.

Wenn Joline Golumski tanzt, steht ihre Welt Kopf: Mit Leichtigkeit schlägt die 18-Jährige aus dem Stand ein Rad und landet auf ihren Füßen, ohne sich bei ihrem seitlichen Überschlag mit den Händen auf dem Boden abzustützen. Tat-daaa! „Ja, bis es so klappt, benötigt man Zeit, bestimmt ein gutes Jahr“, sagt das Alstadener Mariechen. Auch am Freitag wird sie beim Kostümball der KG Grün-Rot Wagaschei im Haus Union ihre Füße in Bewegung setzen und träge Sofa-Sportler in Erstaunen versetzen.

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Doch keine noch so spektakuläre Figur ohne Training: Gerade läuft eine Übungseinheit der Tanzgarde der KG Wagaschei – einer jener familiären Ruhrgebiets-Karnevalsvereine, bei denen es heißt: Selbst ist der Narr. Kostüme, Kamelle, Kartoffelsalat. Und eben auch die Musik. Gerade läuft die Filmmelodie aus „Alice im Wunderland“.

Garde-, Show- und Mariechentanz

Über die unterschiedlichen Tanzstandards im Karneval wundert sich hier keiner. 13 Mädchen und vier Jungs wuseln gerade über das Parkett – Generalprobe! Es gibt: Garde-, Show- und Mariechentanz. Was ist der Unterschied? „Als Mariechen stehe ich alleine auf der Bühne und tanze in meiner Uniform verschiedene Schritte. Es wird marschiert. Und es werden die Beine geschmissen“, erklärt Joline. Und weiter: „Bei einem Showtanz sucht man sich erst ein Thema, dann die Musik aus und passt auf, dass die Schritte und die Kostüme dazu passen.“ Und der Gardetanz ist der traditionelle Marschtanz in Uniform.

Warm machen. Dehnen. Seilchenspringen. Inliner fahren. Joline Golumski ist jeden Tag fleißig, nicht nur in der Trainingshalle, sondern auch im heimischen Wohnzimmer. „Ohne Spaß geht das nicht!“

KarnevalKarnevalistischer Tanz ist längst keine Bastion der Mädels. Bei der KG Wagaschei ist der Anteil männlicher Tänzer hoch. „Mit Hip-Hop fing es an“, sagt Maurice Trittin. „Aber Hip-Hop tanzt so ziemlich jeder, also habe ich mir hier ein Training angeschaut.“ Das ist nicht nur auf den Kopf gestellte Gleichberechtigung, sondern auch praktisch. Durch die Männer in der Tanzgarde gibt es bei den Hebefiguren mehr Spielraum.

Sprüche wie „Das machen ja nur Mädchen“ lassen die Jungs übrigens kalt. „Wenn Sprücheklopfer ein Training gesehen haben, sind sie meistens ganz still“, weiß Co-Trainer Andreas Kotzott. „Drei Minuten Gardetanz, das ist wie ein anspruchsvoller Dauerlauf“, ergänzt Trainerin Nadine Möhler. Koordination, Kondition und Kraft trainieren sie alle – Mädels wie Jungs.

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Einen doppelten Boden wie im Zirkus gibt es bei den Sprüngen nicht. Darum gehört Sicherheit zu jeder Einheit. Außergewöhnliche Hebefiguren werden abgesichert. Bein vor, Position halten, Arm zurück, gemeinsam in eine Reihe… Wie merkt man sich das alles überhaupt? „Die Musik hilft bei der Orientierung, den Rest hat man im Kopf“, sagt Sebastian Issel.

Auftritt bei Stefan Mross in der ARD

Miriam ist seit zwölf Jahren dabei: „Die Gruppe motiviert am meisten – auch dazu, neue Tänze zu lernen.“ Sie kennt aber auch die Tücken ihres Hobbys, wenn in kleinen Gaststätten die Bühne einem Bierdeckel gleicht. „Tanzen kann man im kleinsten Raum, bei Hebefiguren muss man improvisieren.“ Svenja Meinerz ist neu in der Truppe, hat sich in einem Jahr schnell eingelebt: „Ich habe über Facebook einen neuen Verein gesucht – und bin bei der KG Wagaschei gelandet. Untereinander herrscht ein gutes Klima.“

Aus dem Alltag eines Funkenmariechens

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    Gibt es Lampenfieber? Bei Mariechen Joline selten. Auch nicht als sie vor drei Jahren bei Stefan Mross in der ARD-Show „Immer wieder sonntags“ zu sehen war. „Ein bisschen Aufregung ist normal. Dann denke ich: Das läuft schon!“ Meistens ist die Stimmung in den Sälen toll, wenn dies aber einmal nicht so ist, betrübt dies das Tanzmariechen trotzdem nicht. „Ich gebe mir immer Mühe. Wenn nur einer Spaß dran hat, tanze ich eben für ihn!“

    Herausforderungen warten auch auf die Trainer. „Am meisten achten wir darauf, dass alle synchron tanzen. Dass die Hände zu einem bestimmten Zeitpunkt gleichmäßig dort sind, wo es der Tanz erfordert“, erklärt Nadine Möhler, die elf Jahren Trainerin und seit dem achten Lebensjahr im Karneval dabei ist. So etwas schweißt sie an das Brauchtum und an ihre Schützlinge: „Sie sind alle wie meine Kinder!“