Oberhausen. . Passende Pflege- und Betreuungsmöglichkeiten für Menschen mit einem Migrationshintergrund sind selten. Traditionelle Familienwerte sind ein Problem.
Wenn das Schlagwort Integration fällt, dann erfasst der Begriff oft nur junge Menschen mit Migrationshintergrund: Politische Maßnahmen im Zuge der Integration, etwa solche zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt, oder auch die Bemühungen zur gesellschaftlichen Integration von Migranten zielen meist auf die Jugend und auf jüngere Erwachsene ab.
Vergessen werden aber häufig die Alten: Die Generationen der vor allem in den fünfziger und sechziger Jahren zugewanderten Menschen sind heute in einem Alter, in dem Pflege und Betreuung – genau wie für ihre Altersgenossen ohne Migrationshintergrund – eine immer wichtigere Rolle spielt. Die Bemühungen, eine Integration auch im Alter konsequent umzusetzen, sind derzeit aber überschaubar. Aufgrund von fehlenden Angeboten ist vor allem die Teilhabe älterer Migranten an Pflege und Betreuung vergleichsweise gering. Einen ersten Beitrag, um dieser Entwicklung in Oberhausen entgegen zu wirken, hat vor einiger Zeit schon die Eröffnung des ersten kultursensiblen Pflegedienstes (die NRZ berichtete) geleistet.
Große Lücken
Doch in vielen weiteren Bereichen gebe es immer noch große Lücken in der adäquaten Versorgung, wie Nese Özcelik, Mitarbeiterin des Oberhausener Büros für Chancengleichheit und der Koordinierungsstelle Leben im Alter erklärt: „Hier kommen ganz verschiedene, teilweise sehr kleinteilige Problemfelder zusammen.“ Das finge bereits beim klassischen Seniorendienst „Essen auf Rädern“ an: „Häufig ist hier das Angebot nicht auf die Wünsche und Bedürfnisse von älteren Menschen mit Migrationshintergrund abgestimmt. So gibt es kaum Angebote nach den islamischen Halal-Bestimmungen oder Gerichte werden mit Schweinefleisch zubereitet“.
Noch viel drastischer seien die Einschränkungen aber bei den sozialen und medizinischen Angeboten wie etwa der Demenzbetreuung. Hier würde es nur wenige muttersprachliche Helfer geben. Dabei kommt der Geburtssprache in der Demenzbetreuung eine wichtige Aufgabe zu: „Tatsächlich ist es so, dass bei einer fortschreitenden Demenz die zuletzt erlernte Sprache einfach vergessen wird“, erklärt Nese Özcelik. Zu der ohnehin schon schwierigen Situation im Umgang mit dem Demenzerkrankten würde dann zusätzlich noch eine Sprachbarriere treten, die eine adäquate Betreuung eigentlich unmöglich mache.
Probleme durch Traditionsdenken
Probleme bereite aber nicht nur das mangelnde Angebot im Gesundheitsbereich, sondern auch die traditionelle Ausrichtung vieler Familien mit Migrationsgeschichte: So gilt bei vielen Angehörigen ein Heimaufenthalt als Abschieben eines geschätzten Familienmitgliedes. „Im schlimmsten Fall liegt jemand, der eigentlich in der Pflegestufe drei eingestuft würde, zu Hause im Bett.“ Dort würde eine optimale Pflege aber nur selten gelingen und wenn, dann sei die Belastung für die Angehörigen enorm. „Nimmt man die türkischstämmigen Haushalte als Beispiel, hat sich natürlich auch dort in den letzten Jahrzehnten viel gewandelt. Traditionelle Rollenbilder brechen auf, Kinder gehen fort zum Studieren und beide Elternteile gehen heute arbeiten“, so Özcelik.