Oberhausen. Heike und Ralf Kurzel kümmern sich mit viel Liebe um ihren behinderten Sohn Noah. Vor dem Sozialgericht will die Familie eine Therapie einklagen.

Sie freuen sich über jeden kleinen Fortschritt, den ihr Noah macht, strahlen jedes Mal, wenn der inzwischen Achtjährige lächelt: Heike und Ralf Kurzel kümmern sich aufopferungsvoll um ihren Sohn, der im Juli 2007 mit einer „Cerebralparese“, also einer Bewegungsstörung infolge einer Hirnschädigung, geboren wurde. Doch hat Noah nicht nur mit motorischen Problemen zu kämpfen, sondern mit einer allgemeinen Verlangsamung und Schwierigkeit, sich auf eine Situation einzustellen.

Um ihrem Sohn eine bessere Zukunft zu ermöglichen, setzen die Kurzels viele Hebel in Bewegung, testen verschiedene Behandlungsformen aus, so auch die sogenannte „Pető-Therapie“. Der Haken an der Sache ist dabei, dass die Stadt Oberhausen die Kosten dafür nicht übernehmen möchte. „Dabei hilft diese Therapie Noah wirklich“, so Heike Kurzel. „Das bestätigt auch der behandelnde Neurologe.“

LVR-Schule kann nicht alles leisten

„Bei gesunden Menschen entstehen Verknüpfungen im Gehirn wie Autobahnen, bei Noah sind das eher Trampelpfade“, erklärt Mutter Heike Kurzel. Darüber hinaus leidet Noah an Epilepsie.

Dennoch: „Entgegen aller Prognosen hat er sich positiv entwickelt“, hebt sie hervor. „In den ersten zwei Lebensjahren hat er sich kaum bewegen können. Inzwischen aber kann er sich selbst am Kopf kratzen.“ Auch ein Kugelschreiber, der ihm gereicht wird, wird freudestrahlend entgegengenommen. Unter Mithilfe seiner Mutter zieht Noah einige Striche auf einem Blatt Papier.

„Ich habe mir mal aufgeschrieben, was Noah vor einigen Jahren alleine machen konnte und dann daneben gesetzt, wie weit er heute ist. Da sind mir wirklich die Tränen gekommen, als ich mir diese Entwicklung noch einmal vor Augen geführt habe“, führt Vater Ralf Kurzel aus. „Das ist richtig schön.“

Regelungen aus dem Sozialgesetzbuch

Allgemeine Vorgaben, inwiefern Menschen mit einer Behinderung mit Eingliederungshilfen unterstützt werden können, sind im Sozialgesetzbuch (SGB) niedergeschrieben. So befasst sicht etwa § 53 Abs. 3 S. 2 SGB XII damit, dass insbesondere behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern sei.

Niedergeschrieben ist auch, dass die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben jeweils den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen müssen. Darum ist es strittig, ob eine Pető-Therapie übernommen werden muss.

Der achtjährige Noah besucht inzwischen die Christoph-Schlingensief-Schule des LVR mit dem Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung. „Er fühlt sich dort richtig wohl. Seine Klassenlehrerin kümmert sich sehr gut um ihn und ist mit großem Einsatz dabei“, freut sich Heike Kurzel. „Doch unserer Ansicht nach kann dort nicht alles geleistet werden, um Noah entsprechend zu fördern.“

Eine „konduktive Förderung nach Pető“, benannt nach dem ungarischen Arzt András Pető, soll Noah weiter bringen – Pädagogik und Therapie werden dabei vereint. Die motorische Förderung ist hierbei nur ein Teil des Konzepts, in dem der behinderte Mensch in seiner sozialen, emotionalen, sprachlichen und kognitiven Kompetenz gefördert wird. „Nicht nur unser Kinderarzt, sondern auch ein Neurologe ist von der Wirkung überzeugt,“ betonen die Eltern.

Eltern wollen finanzielle Unterstützung einklagen

Darum sind Heike und Ralf Kurzel vor das Sozialgericht in Duisburg gezogen, um eine finanzielle Unterstützung seitens der Stadt einzuklagen. Das Verfahren jedoch zieht sich seit Jahren hin. „Wir wollen kein Eilverfahren riskieren“, berichtet Ralf Kurzel. Stellungnahmen der Stadt wechseln sich so mit Erwiderungen und Berichten ab, die der Anwalt der Familie Kurzel verfasst.

Die Stadt selbst teilt mit, dass aufgrund des schwebenden Gerichtsverfahrens keine Angaben zu dem konkreten Fall gemacht werden können. Generell könne eine Pető-Therapie dann übernommen werden, wenn klar erkennbar sei, dass zumindest auch die soziale Rehabilitation – gemeint ist die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft – erklärtes Ziel der Förderung ist. Derzeit werde in einem Fall Kostenübernahme gewährt, erklärt die Stadt auf Anfrage. Es komme immer auf den Einzelfall an.