Oberhausen. Die Musik und ihre Interpreten sind groß in „Moi non plus“, Peter Carps Inszenierung zum Spielzeit-Auftakt. Doch Albert Ostermaiers Text enttäuscht.
Dominique Horwitz strahlte lausbübisch. Stehende Ovationen. Das Theater-Publikum klatschte, jubelte und pfiff ihn und seine Mitspieler immer wieder auf die Bühne zurück. Oberhausen hat wieder eine musikalische Inszenierung, die – ähnlich wie „Are You Experienced?“ oder „So viel Zeit“ – zum Dauerbrenner avancieren könnte. Wenn denn ihr Star oft genug zur Verfügung stehen wird.
Dabei ist „Moi non plus“, von Albert Ostermaier auf Horwitz’ Stimme und Leib geschrieben, als Werk dieses Autors eine Enttäuschung. Das vermeintliche „Requiem für einen Liebenden“, für Serge Gainsbourg, hangelt sich furchtbar brav und uninspiriert entlang jener Skandale und Schlagzeilen, wie sie der (so heißt es) eigentlich ängstliche Chansonnier meinte produzieren zu müssen. In den schwächsten Momenten dieses Dramas meint man einer dialogisierten Wikipedia-Biografie zuzuhören.
Gitanes sind die wichtigsten Requisiten
Nach den beiden ersten Aufführungen kehrt Dominique Horwitz erst im Oktober nach Oberhausen zurück: Zu sehen ist „Moi non plus“ wieder am Mittwoch, 28. Oktober, um 19.30 Uhr, 0208 / 85 78 184, besucherbuero@theater-oberhausen.de.
Vorgesehen sind insgesamt elf Aufführungen, jene der Ruhrfestspiele 2016 nicht mitgezählt.
Eine Warnung für alle, die nicht gerne passiv rauchen: Die Zahl der Filterlosen, die sich Dominique Horwitz für „Moi non plus“ ansteckt, zeugt von Todesverachtung. Und das herbe Aroma durchdringt den ganzen Saal.
Das ist so unentschlossen-dekorativ wie das übermöblierte Bühnenbild von Kaspar Zwimpfer: halb Wohnzimmer mit Bogenlampe, tiefem Sofa und dem Cover des kleinen Konzeptalbums „Histoire de Melody Nelson“ als Blickfang; halb Tonstudio mit ziellos verschobenen Polsterwänden. Und mit der Live-Band um den Gitarristen Peter Engelhardt, die vieles rausreißt und mit den 13 Liedern von Serge Gainsbourg dafür sorgt, dass der Abend in Erinnerung bleibt.
„Ce mortel ennui“ setzt zunächst den Ton. Es ist die „tödliche Langeweile“ (von Horwitz natürlich in französischer Sprache gesungen, aber das Theater sorgte für Übersetzungen der Chanson-Texte) eines Sterbenskranken, der sich am Gehstock auf die Bühne schleppt. Larmoyanz und Trotz tränkt in ebenbürtiger Dosierung jene Lieder Gainsbourgs, die noch der Chanson-Tradition folgten, noch keine Popsongs waren.
Diese tödliche Langeweile
In den Tonstudio-Szenen muss Horwitz’ Gainsbourg noch dazu das Ekelpaket geben, das die beiden jüngeren Sänger-Schauspieler (Lise Wolle als Julie und Jürgen Sarkiss als Jim) anzotet, um ihr Stehvermögen auszutesten. Es sind jene Szenen, in denen Horwitz am wenigsten überzeugt, sich mit infantiler Insistenz am F-Wort abarbeiten muss. Herrje, das waren mal Skandale? „Warum nicht eine Knarre nehmen / Und sich selbst ein Loch machen, ein letztes kleines Loch?“
Das singt Horwitz im zornigen Stakkato des Chansons vom Ticketknipser („Le Poinconneur“), erhält dafür vor der Pause die erste Applaus-Salve und man fragt sich: Warum nur hat Albert Ostermaier so elend wenig von der drängenden, wüsten Poesie seines Anti-Helden in seinen Text fließen lassen? Da bleibt vieles nur triste Behauptung, was erst die Lieder beleben müssen.
Das letzte, kleine Loch des Ticketknipsers
Zweimal verweist „Mois non plus“ auf Oscar Wilde: mit dem Bonmot vom Zyniker „der von allem den Preis kennt und von nichts den Wert“ und mit dem Drängen Gainsbourgs gegenüber Julie (in diesem Moment als Jane Birkin), er wolle sie in dem billigen Hotel lieben, in dem Wilde starb. Wie billig, in der Tat: Wilde riskierte alles, verlor alles.
Serge Gainsbourg, dieses larmoyante Ekel, hat sich bloß in Wohlstand zu Tode gesoffen und gequalmt. Jedenfalls ist’s das, was bleibt von „Moi non plus“ in dieser Inszenierung von Peter Carp. Und ein gutes Dutzend Lieder, interpretiert von drei kraftvollen Stimmen. Sinnlich und ohne Folgen. Gainsbourg meinte das noch angeberhaft als bindungsscheuer Halbwelt-Stenz: „Sensuelles et sans suite“.