Oberhausen. Ein Oberhausener Polizist erschoss in der Nacht zu Mittwoch einen 39-Jährigen. Der verletzte zuvor einen 21-jährigen Oberhausener mit dem Messer. Die Ermittlungen hat die Kripo Essen übernommen

Die Spuren der Nacht sind am nächsten Tag noch sichtbar: Ein rot-weißes Flatterband sperrt das Oberhausener Polizeipräsidium auf dem Friedensplatz ab. Hier ereignete sich in der Nacht zu Mittwoch eine Tragödie, bei der ein 29-jähriger Polizeibeamter einen 39-jährigen Oberhausener erschoss. Er starb noch auf der Wache.

Die Stimmung ist bedrückt an diesem Mittwoch, einige Polizisten stehen unter Schock, werden psychologisch betreut. Wie hätte ich reagiert, fragt sich so mancher Beamte. „Mit diesen Gedanken hat sich jeder Polizist schon mal beschäftigt“, sagt der Oberhausener Polizeisprecher Axel Deitermann.

Auf eine Freundin gewartet

Es war gegen 3.10 Uhr, als ein 39-jähriger Mann im Eingangsbereich auf der Polizeiwache am Friedensplatz plötzlich auf einen weiteren Mann, einen 21-jährigen Oberhausener, einstach. Mehrfach stieß er mit dem Einhandmesser in den Oberkörper des jungen Mannes, der in Begleitung seiner Freundin (19), ebenfalls eine Oberhausenerin, auf der Wache war. Polizisten aus dem Wachbereich beobachteten den Angriff, eilten herbei und forderten ihn auf, das Messer weg zu legen. Stattdessen bedrohte er die Polizisten und kam auf sie zu. Ein Polizeibeamter zog seine Waffe und feuerte mehrere Schüsse ab, um den Angriff abzuwehren. Ein anwesender Arzt, der während des Nachtdienstes in einem anderen Fall eine Blutprobe durchgeführt hatte, eilte zur Hilfe und versuchte, den 39-Jährigen zu reanimieren. Erfolglos. Der Mann starb noch auf der Polizeiwache.

Der Einsatz der Waffe gegen Menschen

Der Gebrauch der Schusswaffe ist im Polizeigesetz NRW geregelt. So ist in Paragraf 63 Absatz 2 zu lesen: „Schusswaffen dürfen gegen Personen nur gebraucht werden, um angriffs- oder fluchtunfähig zu machen. Ein Schuss, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tödlich wirken wird, ist nur zulässig, wenn er das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr oder der gegenwärtigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit ist.“ Nach Paragraf 64 dürfen Schusswaffen nur dann gegen Personen gebraucht werden, „um eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben abzuwehren“. Die Staatsanwaltschaft Duisburg prüft nun, ob der Einsatz der Schusswaffe rechtmäßig war.

Im vergangenen Jahr gab es zwölf Fälle in NRW, in denen Polizisten ihre Schusswaffe gegen Menschen einsetzten. Zwei Menschen starben dabei. Keiner der Polizisten ist belangt worden, sagt ein Sprecher des NRW-Innenministeriums auf NRZ-Anfrage. Die Polizisten gingen verantwortungsvoll mit dem Einsatz der Waffen um, zudem würden sie regelmäßig geschult. In sogenannten Schießkinos werden Polizisten mit Situationen konfrontiert, in denen sie entscheiden müssen, ob sie schießen oder nicht schießen. Anschließend folgt eine intensive Auswertung.

Die Kriminalpolizei Essen hat als unbeteiligte Behörde die Ermittlungen in dem Fall aufgenommen. Gestern hat die Spurensicherung den Tatort unter die Lupe genommen, Zeugen sind befragt worden. Noch aber ist vieles unklar.

So ist unklar, warum die drei Personen in der Nacht zu Mittwoch auf der Wache erschienen sind. Nach derzeitigen Informationen sollen sie nicht von einem Einsatz mitgenommen worden sein, sondern sollen selbst auf der Wache erschienen sein. Das Oberhausener Pärchen hat vor der Wache auf eine Freundin gewartet. Warum es zwischen den beiden Männer zum Streit gekommen ist, ist unklar. Drogen oder Alkohol sollen nicht im Spiel gewesen sein. Der 39-Jährige ist bislang nicht polizeilich bekannt.

Gewerkschaft zeigt Verständnis

Wo der 39-Jährige getroffen worden ist, sagte ein Sprecher der Polizei Essen nicht. Dabei stellt sich die Frage, warum der Polizist den 39-Jährigen nicht an einer Stelle treffen konnte, wo es nicht tödlich hätte enden müssen. Das, so ein Sprecher, sei nach derzeitigem Stand der Ermittlungen wohl nicht möglich gewesen. Der Raum ist beengt, die Auseinandersetzung muss sich demnach innerhalb kurzer Distanz abgespielt haben.

Der 21-Jährige ist ins Krankenhaus eingeliefert worden, seine Stichverletzungen sind laut Polizeisprecher nicht mehr lebensgefährlich. Gestern konnte er das Krankenhaus verlassen.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) zeigte nach den bisherigen Stand der Ermittlungen Verständnis für die Reaktion des Beamten: „Den Kollegen wird im Training beigebracht, nach einer erfolglosen Warnung zu schießen“, sagte der GdP-Landesvorsitzende Arnold Plickert. Einen Warnschuss oder einen Schuss zum Beispiel in die Beine müsse ein Polizist nur abgeben, wenn ihm bei einem Angriff ausreichend Zeit dafür bleibe. Doch Plickert meint auch, dass die Hemmschwelle zur Gewalt geringer geworden sei. „Heutzutage scheint jeder mit einem Messer durch die Gegend zu laufen.“