Oberhausen. . Durfte der Polizist den Angreifer auf der Oberhausener Wache töten? Er hatte im engen Warteraum keine andere Chance, heißt es in Polizeikreisen.
Ein Polizist zieht seine Waffe und erschießt einen Menschen. Selten kam das vor in Nordrhein-Westfalen, zuletzt vor genau einem Jahr, als ein Mann im niederrheinischen Goch mit der Machete auf Beamte losgegangen war. Immer aber fragt der Bürger, fragt der Staatsanwalt: Durfte der Polizist das? Hatte er wirklich keine andere Chance? Ermittler prüfen das derzeit auch in Oberhausen.
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Dort hatte ein 39-Jähriger um kurz nach drei Uhr Mittwochfrüh mehrfach mit einem Messer auf einen 21-Jährigen eingestochen. Der offenbar nur leicht verletzte junge Mann, der mit seiner Partnerin (19) auf der Polizeiwache eine Freundin abholen wollte, war aus noch ungeklärten Gründen mit dem älteren in Streit geraten. Der zog das Messer. Die Rufe herbeigeeilter Polizisten stoppten ihn nicht, erst mehrere Schüsse taten es. Ob ein Warnschuss fiel, ist offen, auch, ob der Beamte zunächst auf die Beine des Mannes zielte.
Keine Personenkontrollen auf Polizeiwachen
„Unmöglich“ wäre das gewesen, hieß es am Mittwoch aus Polizeikreisen, der Vorraum im Polizeipräsidium sei dafür viel zu eng. In einer solchen Situation sei bloß noch Notwehr möglich. So steht es auch im Gesetz: Nur aus Notwehr oder Nothilfe für andere darf die Dienstpistole zum Einsatz kommen. Eine Person in einiger Entfernung könnten Polizeibeamte zunächst ansprechen, sagt auch Arnold Plickert, Landesvorsitzender der Polizeigewerkschaft GdP. Wenn aber jemand extrem nah sei, bleibe nur, auf den Oberkörper zu zielen. „Auf diese kurze Distanz war der Schusswaffengebrauch rechtlich zugelassen“, glaubt Plickert. In Aus- und Fortbildung üben Polizisten das: „Schießen oder Nicht-Schießen“ im Ernstfall.
Ein Ernstfall muss es wohl gewesen sein, diese eher seltene Situation: dass jemand in Räumen der Polizei auf die Polizei losgeht. Die ist vor solchen Angriffen auch deshalb nicht mit Personenkontrollen gesichert, wie sie etwa an Gerichten üblich sind. Zudem soll eine Wache ein offener Ort sein für Bürger, die vielleicht eine Anzeige aufgeben, eine Aussage machen wollen. Niemand solle sich „unter Generalverdacht“ fühlen, sagt Plickert, der mit guten Absichten komme. Mit Lautsprecher-Anlagen versehene Türen, die nur von innen geöffnet werden können und das auch nur werden, wenn mindestens zwei Beamte anwesend sind, ermöglichen die Übersicht. Und zeigen nach Ansicht der Gewerkschaft, „dass wir Herr im Spiel bleiben“.
Gewerkschaft: Die Bereitschaft zur Brutalität steigt
In Oberhausen trafen Opfer und Täter allerdings schon im Warteraum aufeinander – noch vor der gesicherten Tür zur Wache. „Ein absurder Fall“, sagt Arnold Plickert, der sich über die Gewalt indes nicht wundert: Schon lange beobachte die Polizei einen „Werteverfall“, die Bereitschaft zur Brutalität steige. „Wir stellen fest, dass in der Gruppe der 15- bis 30-Jährigen bald jeder mit einem Messer herumläuft. Und wenn man es schon dabei hat, kann man es ja auch gebrauchen.“
Warum der immerhin schon 39-Jährige das tat, warum er überhaupt zur Wache kam, kann er nicht mehr beantworten. Der polizeilich nicht bekannte Mann starb auf den Stufen zum historischen Gebäude des Polizeipräsidiums am Friedensplatz. Dort warten am Mittwoch die weißen Wagen der Spurensicherung, „Haupteingang aufgrund von Sondereinsatz gesperrt“, steht am Flatterband.
Drinnen ist die Stimmung gedrückt. „Das ist eine Sache, die jeden belastet“, sagt ein älterer Polizeibeamter. Die Kollegen, die in der Nacht Dienst hatten, werden psychologisch betreut. Gewerkschafter Arnold Plickert hat schon Polizisten erlebt, die nach einem tödlich verlaufenen Einsatz nie wieder mit der Waffe Dienst tun konnten. „Unser Beruf ist darauf ausgerichtet, Menschen zu helfen, und nicht darauf, sie zu töten.“