Oberhausen. . Mechthild Tinten kritisiert die Einrichtung von Inklusionsklassen in Oberhausen. Die Mutter einer behinderten Tochter weiß: Der Betreuungsaufwand ist groß.

Mechthild Tinten ist Mutter einer Tochter mit Down-Syndrom. Mit Bezug auf die Berichterstattung in dieser Zeitung zur Einrichtung von Inklusionsklassen auch an den Oberhausener Gymnasien sendete sie uns eine persönliche Stellungnahme rund um dieses Thema zu. Hier ist ihr Bericht:

„Als Mutter einer inzwischen 35-jährigen Tochter mit Down-Syndrom und vier weiterer inzwischen erwachsener Kinder habe ich eigentlich nicht mehr viel mit Schule zu tun.

Wenn ich allerdings die momentane Diskussion um die Inklusion verfolge, kann ich mich aus meiner Erfahrung nur den Bedenken der Oberhausener Gymnasiallehrer anschließen.

Tochter hat Fortschritte gemacht

Unsere Tochter hat 14 Jahre lang eine Förderschule mit Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung besucht. Sabrina ist stets mit großer Freude zur Schule gegangen und erinnert sich noch heute häufig und gern an ihre Schulzeit. Sie hat in diesen Jahren große Fortschritte gemacht und sehr viel gelernt; das aber mit Sicherheit hauptsächlich deshalb, weil sie eine Förderschule besucht hat.

In ihrer Klasse mit 8 bis 12 Schülern waren die überwiegende Zeit des Tages zwei speziell ausgebildete Sonderpädagogen anwesend. So habe ich auch kürzlich erst erfahren, dass ein Sonderpädagoge in der Inklusionsklasse nur stundenweise da ist.

Aktives Ausprobieren

Unsere Tochter hat sehr viele für sie wichtige lebenspraktische Dinge während ihrer Schulzeit gelernt. Das funktioniert bei einem Menschen mit ihrer Beeinträchtigung nur durch aktives Ausprobieren und wiederholtes Einüben.

Hier ging es um Körperpflege, genauso wie das Bereiten von Mahlzeiten oder Putzen. Auch bei Exkursionen wurde zum Beispiel das Einkaufen und der Umgang mit Geld erlernt. Es würde hier den Rahmen sprengen, wollte ich erschöpfend beschreiben, wie an einer Förderschule gearbeitet wird.

Wie soll so etwas an einer Regelschule mit stundenweise einem zusätzlichen Lehrer möglich sein? Wie sollen hier Kinder mit geistiger Behinderung in ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten ernst genommen und gefördert werden?

Hinzu kommt, dass Kinder mit geistiger Behinderung häufig auch Verhaltensauffälligkeiten zeigen, unruhig und laut sein können.

Beeinträchtigte Schüler fördern

Ich habe eingangs geschrieben, dass ich auch vier Kinder ohne Behinderung auf ihrem Weg durch unser Schulsystem begleitet habe. Mir wurde stets schmerzlich bewusst, dass bei unseren großen Klassen schon hier von Lehrern oft Unmögliches verlangt wird, sollen sie doch alle Schülerinnen und Schüler individuell fördern.

Der Stoff des betreffenden Faches und Jahrgangs muss doch geschafft werden. Hier kann und darf selbst der engagierte Lehrer nichts schleifen lassen zugunsten der Förderung und Betreuung von Kindern mit einer Behinderung.

Schon ein solches Abwägen- Müssen ist zynisch, denn auch die nicht beeinträchtigten Schülerinnen und Schüler müssen, sollen sie eine Chance haben, mit guten Noten ihren Schulabschluss erreichen.

Diesen Druck gibt es an einer Förderschule mit Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung nicht.

An der Problematik vorbei

Dass das den Artikel begleitende Foto ein Kind im Rollstuhl zeigt, geht komplett an der Problematik vorbei. Meines Wissens besuchen Kinder und Jugendliche mit rein körperlichen Behinderungen schon seit Jahren erfolgreich Klassen unserer Oberhausener Gymnasien.

Anstatt Lehrern den Mund zu verbieten, sollten Eltern und Verantwortliche in der Politik lieber deren Erfahrung vertrauen und ihre Bedenken ernst nehmen, zum Wohle unserer Kinder, ob sie eine Behinderung haben oder nicht!“