Oberhausen. . Im Flüchtlingsstück „Die Schutzbefohlenen“ thematisieren Schauspieler am Theater Oberhausen Ängste gegenüber den Unbekannten großartig im Stil von Elfriede Jelinek.

Zu viele Plätze im Großen Haus des Theaters blieben frei bei der Premiere des Elfriede Jelinek-Stücks „Die Schutzbefohlenen“ in der Inszenierung des Oberhausener Intendanten Peter Carp. Das war weder der mehr als aktuellen Flüchtlingsproblematik, um die es geht, geschuldet als der Tatsache, dass auch viele Premieren-Abonnenten den Beginn der Osterferien nutzen, um in den Urlaub zu fahren. Sehr schade, denn die Aufführung war - vor allem, aber nicht ausschließlich wegen der Einbeziehung wirklich Betroffener - ein Erfolg.

Wie es überhaupt gelingt, die komplizierten Gedanken-Gebäude, die die Literatur-Preisträgerin entwickelt, in Theater umzuwandeln, ist für viele, die sich jemals an ihren geschriebenen Werken lesend versucht haben, ohnehin schwer nachzuvollziehen. Gleichwohl aber haben Jelinek-Texte, weil sie weder eine Dramaturgie noch eine nachvollziehbare Handlung vorgeben und weil es keine Rollen-Verteilung gibt, offensichtlich für Regisseure Aufforderungscharakter.

Zu den Jelinek-Liebhabern gehört Peter Carp. Nach dem großen und durchaus überraschenden Erfolg der „Winterreise“ in Oberhausen nun seine Bühnen-Interpretation der Gedanken über Flüchtlinge und Asylbewerber der österreichischen Autorin.

Grelle Scheinwerfer und Meeresrauschen machen Ankunft erlebbar

Zu Beginn wird der Zuschauer mit der Ankunft von Flüchtlingen konfrontiert. Er hört Geräusche, das bedrohliche Meer. Irgendwoher kommen sie, werden mit grellen Scheinwerfern geortet. Doch die Orte, die ihre Ziele sind, bleiben anonyme Architektur, verschiebbar (großartige Bühne: Kaspar Zwimpfer und Geräusche Jan Peter Sonntag).

Als Bewohner eines der Zielländer erscheinen vier Akteure, jeder von ihnen bezieht Stellung, stellvertretend für Sichtweisen gegenüber Flüchtlingen, die im Jelinek-Text vorkommen. Die Positionen werden sehr gut interpretiert von Hartmut Stanke als Stimme der Älteren, Anja Schweitzer als Vertreterin der mittleren Generation und Lise Wolle und Moritz Peschke als die Jüngeren. Ihre Einstellungen ändern sich, bleiben aber im Fazit gleich: Sie machen sich zwar, egal welches Alter sie repräsentieren, Gedanken über Fremde, kennen sie aber nicht.

Internationale Klasse des Berufskollegs spielt mit

Umso bedeutungsvoller ist, dass die Anonymen, über die alle reden, auftauchen. Sie sind auf einmal da, die Unbekannten, zunächst als stumme Statisten gespielt von einer internationalen Klasse des Hans-Sachs-Berufskollegs. Sicher junge Leute, die zuvor eher wenig mit Theater zu tun hatten. Einige von ihnen lesen am Ende der Aufführung die eigene Flucht-Geschichte in ihrer Sprache von Zetteln ab (übersetzt von Moritz Peschke). Im Chor sagen dann alle: „Wir leben. Hauptsache wir leben. Und viel mehr ist es auch nicht als leben.“

Und so sind sie am Ende die Stars der Aufführung. Beim Verbeugen wirken sie glücklich. Offensichtlich war die Mitarbeit am Projekt Jelinek für sie eine positive Erfahrung.

Doch ein echter Kontakt zwischen ihnen und dem Publikum entsteht nach der Vorstellung nicht. Man bleibt auf Distanz, quasi als Bestätigung für den Inhalt der Aufführung: Berührungsängste.

Weitere Termine im April

„Die Fremden, die Asylsuchenden, sind die Schutzflehenden, die Ämter und Büros durchirren, um endlich das ersehnte Papier zu bekommen für eine wenigstes momentane Aufenthaltserlaubnis“, sagt Dramaturg Tilman Raabke, der den Jelinek-Text in spielbare Form brachte. Weitere Aufführungen sind für den 17., 18., 22. und 24. April geplant.